Katholische Elternschaft über Defizite beim digitalen Unterricht

"Warnsignal und Aufforderung"

Die katholische Elternschaft hat eine Umfrage zu digitalem Unterricht gemacht – nun liegen die Ergebnisse vor. Wenn Unterricht wieder zu Hause stattfinden muss, benötigen demnach sowohl Lehrer als auch Schüler mehr Unterstützung.

Symbolbild Unterricht über digitales Medium, Homeschooling / © Gorodenkoff (shutterstock)
Symbolbild Unterricht über digitales Medium, Homeschooling / © Gorodenkoff ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was war denn der zentrale Kritikpunkt der Befragten?

Marie-Theres Kastner (Bundesvorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands / KED): Es ist natürlich zu einem großen Teil das herausgekommen, worüber wir landläufig diskutieren, nämlich dass das etwa mit der digitalen Ausstattung nicht geklappt hat. Für uns als Verband ist aber das Entscheidende, dass Übereinstimmung bei allen Befragten darin besteht, dass circa 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler eigentlich nicht mitgekommen sind.

Das ist für uns ein riesengroßes Warnsignal und eine Aufforderung, hier etwas zu tun, wenn wir davon ausgehen, dass 40 Prozent eines Jahrgangs verloren gehen, weil sie entweder die technische Ausstattung nicht haben oder weil sie keine unterstützenden Menschen an ihrer Seite haben und damit sehr alleingelassen sind.

DOMRADIO.DE: Eine wichtige Erkenntnis aus ihrer Umfrage ist auch, dass auch der Kontakt zwischen Lehrern und Schülern ja offenbar unterschätzt wurde. Inwiefern?

Kastner: Also ich fand das ganz interessant. Ich habe mich ganz intensiv auch mit den Schüler-Antworten befasst. Das ist schon interessant, dass auch Schüler sich sehr deutlich danach sehnen, wieder in die Schule zu gehen, weil einfach der Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden Schule ausmacht.

Das ist dieser alte Satz: "Bildung gelingt nur durch Bindung." Das heißt, man braucht diese zwischenmenschliche Beziehung, um Inhalte zu verstehen und um ein soziales Miteinander zu haben. Das war überdeutlich in allen Ausführungen, auch bei den Eltern letztendlich, die gesehen haben, dass sie den Kindern nicht das bieten können, was ihnen die Schule bietet.

DOMRADIO.DE: Da ist natürlich dann auch vieles verloren gegangen im Frühjahr über einen sehr langen Zeitraum.

Kastner: Ja, natürlich. Wir haben bei unserem Kongress, wo wir die Auswertung dieser Studie gemacht haben, unter anderem einen Chefarzt einer Passauer Kinderklinik gehört. Da ist es einem richtig schlecht geworden, was der erzählt hat, was es an Schaden für die Kinder und für die Familien gegeben hat. Das ist ja keine endlose Zeit, die wir Lockdown hatten, aber es war doch eine erhebliche Zeit und die hat die Familien stark belastet.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, es reicht auch nicht, dass alle Schüler jetzt einen Laptop und die Schulen WLAN bekommen. Es braucht IT-Beauftragte an jeder Schule – und keine Lehrer, die sich mal so nebenbei noch irgendwie um das Internet kümmern. Warum hat sich die Politik darum bislang nicht gekümmert? Das Internet gibt es ja schon ein paar Jahre.

Kastner: Der Wunsch der Lehrerkollegien nach Digitalisierung von Unterricht war bisher nicht so laut durchs Land zu hören, wie wir das jetzt vielleicht hören. Man hat lange an dem bewährten Unterrichtsmodell festgehalten und sieht jetzt einfach, dass es doch auch anders gehen kann und dass es da ganz tolle Beispiele gibt. Aber es reicht eben nicht, nur die Geräte zu haben, sondern man muss auch Unterrichtskonzepte haben, weil digitaler Unterricht ein anderer Unterricht ist als der Unterricht von face to face.

Das haben die Schüler auch sehr deutlich artikuliert, denn sie wollen nicht nur digitale Hausaufgaben bekommen, sondern sie wollen Videokonferenzen. Sie wollen also praktisch den Klassenersatz haben. Von Lehrern kann man auch nicht erwarten, dass sie IT-Experten werden, aber sie müssen mit dem Zeug umgehen können. Dazu braucht es Fortbildungen, aber sie dürfen auch ihre pädagogische Zeit nicht damit verschwenden, irgendwelche Computerfehler auszumerzen oder was alles in dieser Technik so passieren kann. Ich finde, da müssen schon Menschen bereitstehen, die dann den Kolleginnen auch helfen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie die Umfrage nur an katholischen Schulen in Deutschland durchgeführt. Reicht das, um da ein repräsentatives Bild zu bekommen?

Kastner: Das war für uns am Anfang die Frage. Aber wir sagen: Es haben sich 10.000 Menschen, egal ob Schüler, Lehrer oder Eltern, an dieser Umfrage beteiligt. Ich glaube, gerade die Anzahl macht die Umfrage mehr als nur repräsentativ.

DOMRADIO.DE: Die Politik will ja Schulschließungen unbedingt vermeiden, aber das können die gegenwärtigen Corona-Zahlen nicht unbedingt garantieren. Man weiß es halt nicht. Was ist denn Ihre Forderung für einen nächsten möglichen Lockdown?

Kastner: Wir müssen uns unheimlich sputen in dieser pädagogischen Aufarbeitung dieses digitalen Unterrichts. Ich hatte ja schon Videokonferenzen und Konzepte erwähnt. Es gibt ja Konzepte. Man muss da mehr Kommunikation untereinander betreiben, um hier wirklich zu gucken, dass man diesmal mehr mit Schülern in Kontakt bleibt und nicht nur über E-Mails, wie die Hausarbeiten zu sein haben.

In Grundschulen ist es ja mit dem digitalen Unterricht auch schon nochmal komplizierter. Also man muss da schon noch eine Menge an Know-how reingeben und das ist eigentlich Aufgabe auch derer, die sich im Rahmen der Politik auch um die Fortbildung und um die Weiterbildung der Lehrer kümmern.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Marie-Theres Kastner / ©  KED (KNA)
Marie-Theres Kastner / © KED ( KNA )
Quelle:
DR
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