War die Alte Messe im Petersdom ein Befreiungsschlag?

Es bleibt abzuwarten

Tausende von Pilgern waren am vergangenen Wochenende in Rom, um an einer Wallfahrt rund um die traditionelle Liturgie teilzunehmen. Erstmals seit über fünf Jahren durfte dabei im Petersdom wieder die Alte Messe gefeiert werden.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Kardinal Burke beim Einzug während des Pontifikalamtes im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Burke beim Einzug während des Pontifikalamtes im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Es müssen beeindruckende Szenen gewesen sein, die sich am vergangenen Samstagnachmittag in Rom abgespielt haben. Die sozialen Netzwerke sind voll von Bildern und Videos, die Gläubige auf dem Weg zum Petersdom zeigen. Jedes Jahr lädt die Vereinigung "Coetus Internationalis Summorum Pontificum" (CISP) am letzten Oktoberwochenende zu einer Wallfahrt nach Rom ("Ad Petri Sedem" – "zum Stuhle Petri") ein. Im Fokus steht dabei die Liturgie nach den liturgischen Büchern aus dem Jahr 1962, welche von Papst Benedikt XVI. 2007 durch "Summorum Pontificum" als "außerordentliche Form des römischen Ritus" weiter freigegeben und dann von Papst Franziskus 2021 durch "Traditionis custodes" wieder stark eingeschränkt worden ist.

Während die Meldungen dazu hierzulande eher überschaubar sind, berichten Portale aus dem eher konservativen bis hin ins traditionalistische Spektrum in aller Ausführlichkeit über das Geschehen. Auch das italienische Fernsehen war an der Wallfahrt interessiert und widmete ihr am Samstagabend in der Nachrichtensendung TG1 gar einen Beitrag, in welchem sogar behauptet wurde, Matteo Maria Kardinal Zuppi habe bei der Vesper am Freitagabend die Cappa Magna getragen. Es war jedoch ein Pluviale, also ein Vespermantel, in den der Erzbischof von Bologna eingekleidet den Gottesdienst gefeiert hatte.

Appell an den Papst

Etwa 3.000 Menschen sollen am vergangenen Samstag zum Pontifikalamt mit Raymond Leo Kardinal Burke durch die Heilige Pforte in den Petersdom gekommen sein, berichtet die Internetseite Messainlatino.it mit Berufung auf das Sicherheitspersonal der Basilika. Es war das erste Mal seit 2019, dass die Alte Messe ebendort gefeiert wurde. Burke hatte dies Anfang September verlauten lassen, nachdem er am 22. August von Papst Leo XIV. offiziell in einer Audienz empfangen worden war.

Kardinal Burke an der Mensa des Kathedraaltars im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Burke an der Mensa des Kathedraaltars im Petersdom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Offensichtlich war der Kardinal mit seinem Werben für diese Form der Liturgie erfolgreich. Im Gepäck soll Burke einen vom Vorsitzenden des CISP verfassten und von 70 Vereinigungen weltweit unterzeichneten Appell an den Papst gehabt haben, berichtet Giuseppe Nardi auf katholisches.info. In einem Interview hatte Leo XIV. bereits geäußert, dass er zu Gesprächen bereit sei. Denn das Thema sei in einen "Prozess der Polarisierung" hineingeraten. Am Freitagabend hatte der Journalist Massimo Franco, Korrespondent beim "Corriere della Sera", in einer Fernsehsendung auf die Bedeutung dieses Ereignisses im Rahmen des Pontifikats Leos XIV. hingewiesen.

Pontifikalamt mit Symbolkraft

So hatte also das Pontifikalamt mit Kardinal Burke am Samstagnachmittag im Petersdom durchaus Symbolkraft. Wegen des starken Andrangs begann der Gottesdienst verspätet. Nicht nur alle Sitzplätze vor dem Kathedraaltar in der westlichen Apsis unterhalb des Heilig-Geist-Fensters waren belegt. Die Gläubigen standen zum Teil seitlich oder saßen auf dem Fußboden unterhalb der Kuppel. Ganz vorne in der ersten Reihe saßen die beiden hochbetagten Kardinäle Walter Brandmüller und Ernest Simoni Troshani. Letzterer war erst 2016 von Papst Franziskus in das Kardinalskollegium aufgenommen worden.

Kardinal Burke sprach zu Beginn seiner Predigt seine Freude und seinen Dank über die Möglichkeit aus, an diesem Ort wieder die Heilige Messe nach dem "usus antiquior" des römischen Ritus feiern zu dürfen. Dem Formular des Mariensamstags folgend waren seine Worte vorwiegend marianisch geprägt. Zwei Jubiläen gebe es in diesem Jahr zu feiern: Zum einen erschien vor 100 Jahren die Gottesmutter von Fatima zusammen mit dem Jesuskind der Ordensschwester Lúcia dos Santos.

Exorzismus durch Kardinal

In Anlehnung daran warnte Burke vor dem "Übel des atheistischen Kommunismus", der viele zum "Abfall vom Glauben" geführt habe. Ebenso vor 100 Jahren führte Papst Pius XI. aus Anlass des 1600. Jahrestages des Konzils von Nicäa das Christkönigsfest ein. Christus, König der Welt, herrsche nicht durch Ideologie, sondern durch Liebe und das eucharistische Opfer, das in der traditionellen Liturgie seine vollkommene irdische Gestalt finde, so Burke. Das Christkönigsfest wird in der alten Liturgie am letzten Sonntag im Oktober gefeiert, an dem besagte Wallfahrt stattfindet.

Ernest Simoni / © Cristian Gennari/Romano Sicilian (KNA)
Ernest Simoni / © Cristian Gennari/Romano Sicilian ( KNA )

Die Eucharistiefeier am Kathedraaltar, dessen Mensa eine freistehende Bronzekonstruktion ist, wurde jedoch nicht "versus orientem" – nach Osten – gefeiert. Hier hätte wegen der Westung der Petersbasilika Kardinal Burke beim Zelebrieren zu den Gläubigen geschaut. Am Ende der Liturgie ergriff Kardinal Simoni das Wort und betete einen Exorzismus. Der 97-Jährige hatte den atheistischen Kommunismus in Albanien am eigenen Leib gespürt, war 18 Jahre inhaftiert und zweimal zum Tode verurteilt worden.

Zwei hochbetagte Kardinäle und viele junge Menschen waren an diesem Nachmittag in den Petersdom gekommen, um die Alte Messe zu erleben. Nicht wenige hielten Augenblicke des Gottesdienstes mit ihren Smartphones fest, wobei im Nachhinein in den sozialen Netzwerken die Frage aufkam, ob dieses Verhalten für die Liturgie angemessen sei. Denn gerade die Alte Messe sei doch die, die zu mehr Ehrfurcht und Frömmigkeit der Gläubigen führe.

Gespräche zwischen Papst und Anhängern

Nach dem Franziskus-Pontifikat mit "Traditionis custodes" und anderen Einschränkungen scheinen die Zeichen für die Alte Messe nun eher auf Entspannung zu stehen. Im Interview mit dem US-Portal "Crux" erkannte Papst Leo XIV. an, dass es bei allem Instrumentalisieren der alten Liturgie auch Gläubige gebe, "die durch die Feier der tridentinischen Messe eine tiefere Erfahrung im Gebet und die Berührung mit dem Mysterium des Glaubens" suchen.

Bislang gibt es keine Meldungen dazu, ob es nun im Rahmen der Wallfahrt am vergangenen Wochenende in Rom bereits zu ersten Gesprächen zwischen Papst und Freunden der Alten Messe gekommen ist. Es bleibt also abzuwarten, ob jenes Pontifikalamt mit Kardinal Burke im Petersdom der erhoffte Befreiungsschlag war.

Alte Messe

Die "Alte Messe" bezeichnet die Feier der heiligen Messe meist nach dem Messbuch von 1962, dem "Missale Romanum" von Papst Johannes XXIII. Diese Liturgieform wurde durch die Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil außer Kraft gesetzt. 1984 gestattete Papst Johannes Paul II. die Feier nach dem Messbuch von 1962 unter bestimmten Voraussetzungen. Papst Benedikt XVI. weitere mit dem Motu proprio "Summorum Pontificum" (2007) die Kriterien für die Zulassung weiter aus. Papst Franziskus schränkte die Feier später mit "Traditionis Custodes" (2021) wieder stärker ein.

Tridentinische Messe / © Natalia Gileva (KNA)
Tridentinische Messe / © Natalia Gileva ( KNA )
Quelle:
KNA