Vor 80 Jahren wurde "Ché" Guevara geboren

Kampfesmut in Kindergröße

Die rote Fahne mit dem Ché-Guevara-Porträt für schlappe 12,90 Euro: Der Mythos um Ernesto Guevara de la Serna, Held der kubanischen Revolution und Ikone der 68er, ist praktisch und preiswert geworden, sein Konterfei ein Abziehbild. Revolution war vorgestern.

Autor/in:
Ulrike Krickau
 (DR)

Am 14. Juni wäre Ernesto "Ché" Guevara 80 Jahre alt geworden. Geboren
1928 im argentinischen Rosario lernte der junge Arzt mit 27 Jahren in Mexiko-Stadt Fidel Castro kennen und schloss sich dem kubanischen Widerstand an. "Ich werde für das Volk kämpfen und weiß, dass ich die Barrikaden und Schützengräben mit dem Geheul eines Besessenen stürmen, meine Waffen in Blut tauchen und rasend vor Wut jedem Besiegten den Hals durchschneiden werde", schrieb er damals. Diesen Kampfesmut gibt es heute zum Überstreifen: Zwischen zwölf und 25 Euro kosten die Ché-T-Shirts, es gibt sie auch in Kindergrößen und in der Girlie-Version.

Ab 1959 wurde Ché Guevara Teil der kubanischen Nomenklatur. Als wichtiges Mitglied der Revolutionsgerichte verhängte er Todesurteile gegen Anhänger des gestürzten Diktators Fulgencio Batista, als Industrieminister und Notenbankchef verstaatlichte er die in Kuba tätigen US-Konzerne und führte die Wirtschaft Kubas an den Rand des Zusammenbruchs - Geldbörsen mit seinem Porträt, wahlweise vor einem roten Stern, sind heute für 19,90 Euro zu haben, ein Geldclip kommt etwas günstiger.

In Bolivien führte der Guerillero ab 1966 eine Widerstandsgruppe von knapp fünfzig Kämpfern an. Aber anders als erhofft schlossen sich ihnen die verarmten Bauern nicht an. Am 8. Oktober 1967 wurde Ché Guevara bei einem Gefecht mit den Regierungstruppen bei La Higuera gefangen genommen und am Mittag des folgenden Tages erschossen. Dem Mythos des Revolutionärs sollte mit einer brutalen Schändung seiner Leiche entgegengewirkt werden. Das Gegenteil war der Fall: "Er sah aus wie ein Christus", erinnert sich die Ordensschwester Antonia Maria Freude.

Und dann "Held der Revolution"
Auf Kuba avancierte er zum Held der Revolution: "Wir werden sein wie Ché" singen kubanische Schulkinder bis heute. In Europa wurde der revolutionäre Guerillakämpfer zur Symbolfigur des 68er-Widerstandes. Kaum eine Wohngemeinschaft kam ohne Ché-Poster aus. Als Vorlage dient bis heute meist ein Foto, das Alberto Korda 1960 aufnahm: Der bärtige Ché, den Blick in die Ferne gerichtet - Ikone der Revolutionsromantik. Ein früher Abzug dieses Porträts steht im Mittelpunkt einer Fotoausstellung zum 80. Geburtstag von Ché Guevara, die bis Ende Juli in der Galerie WestLicht in Wien zu sehen ist.

Die 68er, die Ché Guevara verehrten, wurden inzwischen erwachsen, einige fanden eine kritische Position zu dem einstigen Idol. Der Historiker Gerd Koenen, 63, schrieb in einem Essay: "Die phantastischen Weltbrandstiftungsszenarien eines Ché Guevara, die noch aus der 'atomaren Asche' den Neuen Menschen entstehen sahen, können sich mit der Dschihadistenlyrik eines Bin Laden ohne weiteres vergleichen."

"Ich verkaufe, was immer die Leute kaufen möchten"
Aber was schert das seine Fans. Sie kaufen Anhänger fürs Handy mit seinem Konterfei, Streichholzschachteln, Krawatten, Kaffeetassen. "Ich verkaufe, was immer die Leute kaufen möchten", antwortet der Inhaber der Flamingo-Boutique in Union City, New Jersey, auf Kritik von Exilkubanern. "Die Produkte werden stark nachgefragt, weil sich die Jugendlichen sehr stark mit dem 'Rebellen' identifizieren", weiß Murat Kaleciklioglu vom deutschen Internet-Anbieter happyfans.de. Ché Guevara strahle "Unabhängigkeit" aus.

"Er hat für das gekämpft, woran er geglaubt hat", sagt Jana Fuchs.
Eine rosa Tasche mit Ché-Guevara-Bildnis hängt über der Schulter der 19-jährigen Frankfurter Abiturientin. "An dem kann er sich ruhig ein Beispiel nehmen", meint Manuela Oppitz, 28, die für ihren dreijährigen Sohn Jasper ein Ché-Guevara-Shirt gekauft hat. Weitergehende Fragen führen ins Leere. Die Vergangenheit verschwindet hinter einem Mythos. Ché Guevara stillt noch immer eine Sehnsucht.