Eine Ausstellung in Frankfurt zeigt den Umbruch der 68er und seine Wirkungen

Bewundert und umstritten

Ho Chi Minh, Mao Tse-Tung, Ernesto Che Guevara. Der Widerspruch, dass die Studentenbewegung Ende der 60er Jahre eine antiautoritäre Kulturwende einleitete und sich gleichzeitig auf Diktatoren - der Anfang der Ausstellung "Die 68er. Kurzer Sommer - lange Wirkung", die heute im Historischen Museum in Frankfurt am Main beginnt.

Autor/in:
Jens Bayer-Gimm
 (DR)

Das leuchtend rote Bild bedeckt hinter dem Eingang eine ganze Wand. Rudi Dutschke, Ho Chi Minh, Mao Tse-Tung, Ernesto Che Guevara, Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin und weitere prominente Vertreter des Kommunismus sind auf der LKW-Plane mit dem ironisch-ernsten Titel "Die Heilige Familie" abgebildet.

Bis zur Wiedervereinigung war "1968" der zentrale Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte, sagt Direktor Jan Gerchow. Zugleich war "1968" die erste globale Protestbewegung. Die einzige Ausstellung im deutschsprachigen Raum über die Studentenbewegung zeigt den Umbruch, den sie in der Alltagskultur ausgelöst hat.

Das berühmte Nacktfoto der Berliner "Kommune I"
Die "68er" begehrten gegen Prüderie und das herrschende Rollenverständnis der Geschlechter auf. Das berühmte Nacktfoto der Berliner "Kommune I", auf dem die Mitglieder sich unbekleidet von hinten zeigen, wurde selbst von der auftraggebenden Zeitschrift "Stern" zunächst nur in zensierter Form ohne die sichtbaren Teile der männlichen Genitalien abgedruckt.

Eine Frau brauchte Mitte der 1960er Jahre in Frankreich die schriftliche Genehmigung ihres Mannes, wenn sie eine Arbeit aufnehmen oder ein Bankkonto eröffnen wollte, schildert der Ex-Studentenführer Daniel Cohn-Bendit in einem Video.

Die Studenten wandten sich gegen die "Spießerhölle", die im Zentrum der Ausstellung mit Bildern aus Illustrierten und der Werbung veranschaulicht wird: Damen mit Locken und hochgeschlossenen Rüschenblusen bedienen ihre geschäftigen Männer in Anzügen, indem sie ihnen Kaffee einschenken oder den Hut reichen.

Die Wirkung von "1968" ist umstritten
Von Straßentheater, Graffiti an den Wänden, friedlichen Demonstrationen bis hin zu Straßenschlachten mit der Polizei: Die Protestformen der "68er" waren vielfältig. Ein Video von 1968 zeigt den "Tag des Zweirads" an der Akademie der Bildenden Künste in München, an dem ein Rennen durch die Gänge der Hochschule veranstaltet wurde. Der Spaß hatte spätestens ein Ende, als Einzelne den "bewaffneten Kampf" aufnahmen, wie das ausgestellte "Konzept Stadtguerilla" der Roten Armee Fraktion von 1971 zeigt.

Die Wirkung von "1968" ist umstritten und wird von Kritikern mit Bildungsdefiziten, steigender Scheidungsrate und Terrorismus in Zusammenhang gebracht. Unstrittig ist, dass die Protestbewegung die Gesellschaft nachhaltig verändert hat. Ob Wohngemeinschaften und Kinderläden, unverheiratete oder schwule Partnerschaften, Frauen- und Dritte-Welt-Bewegung, Mitbestimmung an den Universitäten und selbstverwaltete Betriebe, Rockmusik und Miniröcke - die Ausstellung zeigt den vielfältigen Einfluss der "68er" auf die Kultur bis heute.

Rund 700 Objekte
Zu den rund 700 Objekten zählen Fotografien, Ton- und Videoaufzeichnungen von Zeitzeugen, Hippiekleider und Haschischpfeifen, ein Professorentalar und ein Demonstrantenhelm, ein Hektograph und damit erstellte Flugblätter, die Nickelbrille von Rainer Langhans und der Tisch einer Wohngemeinschaft. Hörstationen erläutern die Zusammenhänge. In einer Videoinstallation äußern sich acht Vertreter der "68er"-Bewegung, darunter Daniel Cohn-Bendit, Beate Klarsfeld, Bahman Nirumand und Martin Dannecker.

Die Ausstellung im Historischen Museum der Stadt Frankfurt am Römerplatz ist bis 31. August zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, montags geschlossen.