Vor 750 Jahren wurde der heilige Bernardo Tolomei geboren

Politiker, Eremit und Ordensgründer

Bernardo Tolomei, ein spätberufener Laie aus der Politik, hat den benediktinischen Reformzweig der Olivetaner ins Leben gerufen. Er wurde am 10. Mai 1272 in Siena geboren, vor genau 750 Jahren. Noch heute ist sein Lebenswerk präsent.

Autor/in:
Anselm Verbeek
Benediktiner mit Gesangbuch / © Corinne Simon (KNA)
Benediktiner mit Gesangbuch / © Corinne Simon ( KNA )

Die Versuchung war stark. Bernardo Tolomei hatte in Siena einst politische Spitzenämter und Reichtum aufgegeben und ein stilles Leben in Armut und Gebet geführt. Als der Eremit seine Heimatstadt nun während der Pest erneut aufsuchte, wurde Sehnsucht wach: Wie hatte er doch einst als Stadtvogt das Bad in der Menge genossen oder Feste wie das Pferderennen. Ihn reizten wieder die "vergangenen Dinge", wie er in einem Brief gestand. Aber er blieb standhaft, war er doch zum Helfen gekommen.

Aber von Anfang an: Am 10. Mai 1272 wurde Tolomei in Siena geboren und auf den Namen Giovanni getauft. Sein Elternhaus war der älteste Adelspalast der Stadt, die damals wie heute rund 50.000 Einwohner zählte. Die Familie war in Bankwesen und Fernhandel zu Geld und Macht gelangt. Blitzgescheit und gefördert von der ehrgeizigen Familie, genoss der Adelsspross früh den Ruf, ein herausragender Ritter und versierter Jurist zu sein.

Benediktinerorden

Die Benediktiner sind die älteste heute noch bestehende klösterliche Bewegung der katholischen Kirche im Westen. Der Orden geht zurück auf die Regel des heiligen Benedikt von Nursia (480-547). In seiner heutigen Form wurde er 1893 von Papst Leo XIII. (1878-1903) gebildet. Als benediktinisch im weiteren Sinne gelten alle Ordensgemeinschaften, die nach der Regel Benedikts leben, etwa Zisterzienser und Trappisten.

Ein Benediktiner geht durch einen Klosterflur / © Simon Koy (KNA)
Ein Benediktiner geht durch einen Klosterflur / © Simon Koy ( KNA )

Italien in der Krise

Dann kam die Krise. Italien gärte nach der Lücke, die der Fall der Staufer gerissen hatte und die das Land in Parteikonflikte stürzte.

Auch Siena geriet in den Strudel von Machtkämpfen. Zum Unheil der Stadt traf Tolomei persönliches Unglück: ein progressives Augenleiden. Fast erblindet zog er 1313 die Reißleine, änderte sein Leben radikal und wurde - trotz Anfechtungen - Eremit.

Tolomei nahm den Namen Bernardo an. Denn er war ein Bewunderer des heiligen Bernhard von Clairvaux, dessen Zisterzienser im Sturm das behäbig gewordene Mönchtum erneuert hatten. Zwei Freunde begleiteten Bernardo auf sein verwildertes Landgut auf dem Monte Accona, den sie biblisch Oliveto nannten.

Das Kleeblatt kannte sich aus karitativer Arbeit in Siena. Gemeinsam hatten sie im Hospital della Scala freie Zeit geopfert. Fra Bernardo und seine Freunde machten Furore, zogen Gleichgesinnte an. Allen war alles gemeinsam; es galt der christliche Urkommunismus.

Skepsis gegenüber dem Mönchsleben

Erfolg weckt Neid und Argwohn. Was waren das für Typen, die freiwillig auf ein Luxusleben verzichteten und in der Mönchskutte ein Dasein in Gebet und Armut fristeten? In Avignon hatte zu dieser Zeit ein Papst von Frankreichs Gnaden das Sagen, Johannes XXII. Er verbot den Franziskanern die Bibelauslegung, dass Jesus und die Apostel kein Eigentum besessen hätten. Im Armutsstreit erlitten Bettelmönche den Tod auf dem Scheiterhaufen, verketzert von einer wankenden Papstautorität.

In der Toskana ermittelte die Inquisition, im Klima der Angst und Verleumdung. Davon berichten die Briefe Bernardos. Der Gründer der Gemeinschaft auf dem Monte Oliveto, selbst aus einer begüterten Familie, wusste um die Versuchung des Geldes. Er glaubte, der zerstörerische Materialismus nage auch am Mark der Kirche.

Bernardo und seine Mitbrüder beschlossen, dennoch den dornigen Pfad der Liebesgemeinschaft in die "Institution" anzutreten, ihr Ideal einer authentischen Kirche nicht aus den Augen zu verlieren. Sie baten erst den Ortsbischof, später den Papst um Genehmigung ihrer Gründung. Der Bischof willigte 1319 ein - mit der Auflage, der Regel des heiligen Benedikt zu folgen. Bernardo war eine charismatische Persönlichkeit, als Abt-Manager und geistlicher Vater. Die Priesterweihe lehnte er ab, wie der heilige Franz.

"Märtyrer der Nächstenliebe"

Der Erneuerer des benediktinischen Mönchtums leitete seine wachsende Klosterfamilie der Olivetaner partizipatorisch: Jeden seiner Familie wollte er beteiligen. Jährlich tagte das Generalkapitel, das Bernardo als Oberhaupt immer wieder wählte, bis zu seinem Tod. Bernardo predigte den johanneischen Leitspruch von Gott, der sich in der Liebe offenbart, und lebte ihn nach Meinung der Mitbrüder.

Nicht die Institution, sondern die Communio, die Gemeinschaft der verzweigten Klosterfamilie von Oliveto, hatte Bernardo im Blick. Als die große Pest in Europa wütete, wurde in Siena Zweidrittel der Bevölkerung hingerafft. Bernardo Tolomei kam aus seiner klösterlichen Abgeschiedenheit in die Stadt, um zu helfen, wurde angesteckt und starb am 20. August 1348. Beerdigt in einem gekälkten Massengrab, verlor sich seine Spur. Papst Benedikt XVI. hat den "Märtyrer der Nächstenliebe" 2009 als Heiligen kanonisiert.

Quelle:
KNA