Vor 500 Jahren wurde Papst Clemens VII. gewählt

Gefangen in der Engelsburg

Unehelicher Spross des Medici-Clans, Zielscheibe der Plünder des "Sacco di Roma", politischer Heiratsvermittler und Reformverweigerer. Das Pontifikat Clemens' VII. war ein Auf und Ab für ihn selbst und ein Tiefpunkt des Papsttums.

Autor/in:
Roland Juchem
Brief des englischen Parlaments an Papst Clemens VII. mit 81 Wachssiegeln, am 1. März 2012 in Rom. / © Alessandro Serrano/Romano Sicili (KNA)
Brief des englischen Parlaments an Papst Clemens VII. mit 81 Wachssiegeln, am 1. März 2012 in Rom. / © Alessandro Serrano/Romano Sicili ( KNA )

Fast wäre das Pontifikat des am 18. November 1523 zum Papst gewählten Clemens VII. nach dreieinhalb Jahren schon beendet gewesen. Am 6. Mai 1527 stürmten führungslose marodierende Landsknechte Kaiser Karls V. die Ewige Stadt. Soldaten der wenige Jahre zuvor gegründeten Päpstlichen Schweizergarde konnten das Kirchenoberhaupt gerade noch über den Passetto, den Geheimgang in der Mauer zwischen Vatikan und Engelsburg, in die Festung am Tiber retten.

Mosaikbildnis von Papst Clemens VII. in Rom. (Aufnahmedatum unbekannt) / © KNA-Bild (KNA)
Mosaikbildnis von Papst Clemens VII. in Rom. (Aufnahmedatum unbekannt) / © KNA-Bild ( KNA )

In der Stadt aber begannen Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen, der sogenannte Sacco di Roma. Diese zehn Monate dauernde Anarchie konkurrierender Söldner-Trupps kostete rund 4.000 Einwohnern das Leben. Sie ist ein bis heute erinnertes Trauma Roms und ein Tiefpunkt des Papsttums.

Vandalismus-Spuren der Nordländer

Während Clemens VII. in der Engelsburg saß, ritt draußen ein Landsknecht auf und ab: rückwärts auf einem Esel, gewandet in erbeutete päpstliche Abzeichen und mit obszönen Gesten war er die Karikatur des Antichristen, wie sie auf Flugblättern der Reformatoren nördlich der Alpen tausendfach verteilt wurde.

In die Wandfresken vornehmer Häuser mit Stadtansichten Roms und des Petersdoms ritzten die Plünderer derweil ihren Spott: "Babilon" und "was sol ich schreiben und nit lachen die La[nz]knecht habenn den babst lauffen machen". Roms Konservatoren haben die Vandalismus-Spuren der Nordländer bis heute stehen lassen.

Versuch Zünglein an der Waage zu spielen

Nach sieben Monaten in der Engelsburg und der Drohung von Gegnern in Florenz, seine Verwandte Catarina de' Medici zu töten, musste Clemens VII. sich ergeben. Der Papst wurde gefangen genommen, sein Familien-Clan von toskanischen Rivalen aus Florenz vertrieben.

In den Schlamassel hineingeraten war Clemens nach Einschätzung des Historikers Volker Reinhardt, weil er im Machtkampf zwischen Karl V. und Frankreichs König Franz I. versuchte, "das Zünglein an der Waage zu spielen, um dabei so viel wie möglich für seine Familie herauszuschlagen".

Gottesstrafe, Konsequenz von Unvernunft und irrationaler Politik

Für den Papst waren am Sacco di Roma die anderen - die Aufrührer und Widersacher des Stellvertreters Christi - schuld. Einige seiner Berater aber sahen das Desaster als Gottesstrafe, Konsequenz von Unvernunft und irrationaler Politik.

Dass Giulio de' Medici es überhaupt auf den Papstthron geschafft hatte, verdankte der unehelich geborene Medici-Sprössling seinem Vetter Leo X. (1513-1521). Der hatte ihn zu einem Sohn der Medici aus heimlicher Ehe erklärt, womit sich das Tor zu dessen kirchlicher Karriere öffnete. 1513 zum Kardinal ernannt war er bis 1519 formal Leiter von neun Bistümern und wurde Apostolischer Vizekanzler, was in etwa dem heutigen Kardinalstaatssekretär entspricht.

Weiterer Niedergang des Papsttums

Im Januar 1522 starb nach nur 16 Monaten im Amt der gescheiterte niederländische Reformpapst Hadrian VI. (1522-1523). Nachdem Giulio de' Medici seine zahlreichen Pfründe an potenzielle Wähler verteilt hatte, wurde er nach sieben Wochen Konklave zum Nachfolger gewählt.

Anfangs hoffte die Kurie auf Clemens VII. als Gegengewicht zum verschwenderischen Leo X. Doch Entscheidungsschwäche, leichte Beeinflussbarkeit und Geiz des neuen Pontifex führten zusammen mit zerstrittenen Ratgebern zu einem weiteren Niedergang des Papsttums. Erfolgreich war der Papst nur in Sachen Medici-Clan.

Päpstliche Verheiratungspolitik

So schloss Clemens VII. im Juni 1529 ein Friedensabkommen mit Karl V.: Er erhielt den Kirchenstaat zurück - und die Medici Florenz. Ein Jahr später krönte der Papst den Habsburger in Bologna zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Daneben betrieb er erfolgreiche Verheiratungspolitik - damals übliches Mittel für politische Bündnisse.

Clemens' vermutlich eigener unehelicher, 1510 geborener Sohn Alessandro de' Medici heiratete Margarethe von Parma, eine Tochter Karls V.. Seine Verwandte Catarina de' Medici indes machte er zur Schwiegertochter von Karls Erzrivalen Franz I., indem er sie mit dessen Sohn Heinrich vermählte. Mit einem anderen Heinrich indes überwarf Clemens VII. sich.

Solche Zugeständnisse durchaus gemacht

Als Heinrich VIII. von England verlangte, der Papst solle seine kinderlose Ehe mit Katharina von Aragon für ungültig erklären, weigerte sich der Pontifex. Er tat das mit der kirchengeschichtlich öfter verwendeten Formulierung "Non possumus" (Wir können nicht).

Dabei waren solche Zugeständnisse anderen Herrschern durchaus gemacht wurden. Entsprechend schrieben 83 Mitglieder des "House of Lords" in London einen Brief an den Papst mit der Bitte, die Ehe des Königs zu annullieren. Vergeblich. Daraufhin sagte sich Heinrich VIII. von Rom los und gründete seine Church of England.

Ausrottung "lutherischen Häresie" war Aufgabe des Kaisers

Zu einer anderen, sich länger abzeichnenden Kirchenspaltung trug Clemens VII. ebenfalls bei. Obschon ihn Karl V. und seine eigenen Nuntien, seit 1517 mit den deutschen Reformationswirren konfrontiert, mehrfach aufforderten, dringend ein Konzil einzuberufen, tat Clemens dies nicht. Nach Luthers Exkommunikation 1521 interessierte die kirchenpolitische Lage in Deutschland kaum noch jemanden an der Kurie.

Berichte über den fortschreitenden Abfall von immer mehr Fürsten und Städten von Rom wurden, so Reinhardt, "mit einer Mischung aus Nonchalance, Naivität und Apathie zur Kenntnis genommen". Die Ausrottung der "lutherischen Häresie" war in den Augen Clemens' VII. eine politisch-militärische Option, Aufgabe des Kaisers. Erst unter seinem Nachfolger Paul III. begann 1545 in Trient ein katholisches Reformkonzil. Clemens VII. war da bereits elf Jahre tot. Im September 1534 wurde er in der Kirche Santa Maria sopra Minerva neben dem Pantheon in Rom beigesetzt.

Quelle:
KNA