Warum sich Menschen mit sozialem Engagement schwertun

Viele wollen, aber nur wenige machen auch

Zwei Drittel der Menschen in Deutschland finden freiwilliges soziales Engagement wichtig. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der "Aktion Mensch". Aber nur jeder Fünfte wird aktiv. Warum engagieren sich nicht mehr? 

Für andere Einkaufen: Eine Möglichkeit, ehrenamtlich zu helfen / © magesine (shutterstock)
Für andere Einkaufen: Eine Möglichkeit, ehrenamtlich zu helfen / © magesine ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Ist diese hohe Umfrageergebnis zur Hilfsbereitschaft ein Ergebnis der Corona-Krise?

Christina Marx (Sprecherin der "Aktion Mensch"): Die Bereitschaft sich zu engagieren, ist grundsätzlich sehr groß. Das stellt man in der Gesellschaft auch ohne Corona fest. Wir haben aber gesehen, dass in Zeiten von Corona die gesellschaftliche Solidarität und die Bereitschaft sich zu engagieren, tatsächlich nochmal ein Stück weit gewachsen ist. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass man ganz unmittelbar im Umfeld gesehen hat: Da ist Hilfe notwendig, da ist etwas zu tun. Tafeln hatten beispielsweise keine Ehrenamtlichen mehr. Ich glaube, das hat nochmal dazu geführt, dass sich der ein oder andere dann doch noch mal spontan und sehr flexibel für andere eingesetzt hat.

DOMRADIO.DE: Woher kommt die Diskrepanz zwischen dem Anspruch helfen zu wollen und der Realität, dass viele nicht aktiv werden?

Marx: Ich denke, das ist manchmal so wie bei Bioprodukten. Wenn man die Leute fragt, dann sagen sie, dass sie nur Bioprodukte kaufen, und wenn sie dann vor dem Regal stehen sehen sie, dass ihnen der Preis vielleicht zu hoch ist. Dann greifen sie doch wieder zu dem Konventionellen. Manchmal ist es beim Engagement auch so, dass die Menschen sagen, dass sie sich gerne engagieren würden, aber keine Zeit haben oder nicht das passende Angebot finden. Es gibt natürlich immer Ausreden, nichts zu tun.

DOMRADIO.DE: Manche wissen aber auch nicht genau, wo sie gebraucht werden.

Marx: Ich kann mir vorstellen, dass in den Köpfen manchmal verankert ist, dass man, wenn man sich einmal engagiert, das Leben lang im Verein aktiv sein muss. Das kennt man ja: Man ist der Kassenwart des Sportvereins und dann wird man das nicht mehr los.

"Aktion Mensch" versucht zu zeigen und darauf aufmerksam zu machen, dass soziales Engagement ganz unterschiedlich sein kann. Das kann im Verein sein, das kann aber auch ganz flexibel sein, von Zuhause digital, weil vielleicht mal eine Übersetzung gebraucht wird. Es kann aber auch eine Hilfe beim Bewerbungstraining sein, was ich ganz einfach von Zuhause für Organisationen übernehmen kann. Diese Vielfalt der Engagementmöglichkeiten und der Einsatzstellen zeigen wir auf unserer Plattform.

DOMRADIO.DE: Über Ihr Angebot kann man Hilfsangebote vor der Tür finden. Wie genau macht man das?

Marx: Wenn man auf die Webseite geht, dann ist es ganz einfach: Man gibt seine Postleitzahl ein und legt fest, in welchem Umkreis des Wohnorts die Suche stattfinden soll. Dann werden einem ganz viele Angebote angezeigt. Insgesamt sind das bundesweit viele tausend Angebote. Ich kann aber auch lieber von Zuhause aus aktiv werden, digital etwas tun, meine Kompetenzen einsetzen. Dann findet man da auch ganz viele Angebote.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, die Umfrage, die die Zahlen offenlegt, führt dazu, dass sich mehr Menschen zu einem solchen Engagement bewegen?

Marx: Ich weiß nicht, ob es unbedingt die Zahlen sind. Ich glaube schon, dass wir den Menschen, die Lust haben was zu tun, einfach die passenden Angebote geben. Vielleicht wird der eine oder andere jetzt noch mal hellhörig, der eigentlich schon immer mal was tun wollte. Hier hat man die passenden Möglichkeiten, und das ist auch gar nicht so schwierig. Man kann das auch mal ausprobieren, wenn man nicht so viel Zeit hat. Das ist meine Hoffnung, dass das einfach dadurch nochmal angestoßen wird.

DOMRADIO.DE: Welche Bereiche liegen den Menschen am meisten am Herzen? Soziale Bereiche, Umweltschutz oder doch eher die Pflege?

Marx: Klassisch ist natürlich der Umweltschutz ein Thema, was auch immer weit vorne ist. Natürlich auch nicht zuletzt durch das Thema Klimawandel, was uns alle beschäftigt. Aber die Umfrage hat gezeigt, dass sich viele, gerade auch junge Menschen, im sozialen Bereich, im Bereich der Inklusion im weitesten Sinne engagieren. Auch da sieht man ja, dass durch Corona die Not ein Stück weit am größten ist. Das hat auch damit zu tun, dass viele ältere Ehrenamtliche jetzt selber zur Risikogruppe gehören, vielleicht ihr Ehrenamt nicht mehr ausüben können und dass da einfach ein ganz großer Bedarf ist.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Das Ehrenamt soll gestärkt werden / © Rawpixel.com (shutterstock)
Das Ehrenamt soll gestärkt werden / © Rawpixel.com ( shutterstock )
Quelle:
DR