Proteste und polizeiliche Räumung in Lützerath gehen weiter

"Hinweise auf unterirdische Strukturen"

In Lützerath dauert die Räumung des Dorfes an. Erste Häuser wurden geräumt, eine unterirdische Tunnelanlage könnte die weiteren Maßnahmen aber verzögern. Grünen-Politiker verteidigen die anstehende Abbaggerung des Ortes.

Umweltaktivistin Luisa Neubauer (M) protestiert während einer Demonstration gegen den Kohleabbau am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath. / © Roberto Pfeil (dpa)
Umweltaktivistin Luisa Neubauer (M) protestiert während einer Demonstration gegen den Kohleabbau am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath. / © Roberto Pfeil ( dpa )

Bei der Räumung des vor der Abbaggerung stehenden Dorfes Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier ist es am Donnerstag zu weiteren Zusammenstößen zwischen Klimaaktivisten und Polizei gekommen. Laut einem Sprecher wurden die Einsatzkräfte unter anderem mit Böllern und Steinen geworfen. Dabei erlitten mindestens zwei Beamte Verletzungen, konnten jedoch offenbar zunächst weiter arbeiten. Grundsätzlich sei man am zweiten Tag der Räumung "gut vorangekommen", erklärte der Sprecher. Derzeit dauere die Räumung der Häuser und Baumhäuser noch an. Abschließende Zahlen zu verletzten oder festgenommenen Personen lagen am Abend noch nicht vor.

Klima- und Umweltschutz in der Kirche

Die Deutsche Bischofskonferenz beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit ökologischen Fragen. Papst Franziskus’ Enzyklika Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus hat im Jahr 2015 dem christlichen Auftrag zur Schöpfungsverantwortung auf weltkirchlicher Ebene Aufmerksamkeit verschafft. Daran anschließend hat der Papst im Februar 2020 mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Querida Amazonia die Themen der Enzyklika am Beispiel Amazoniens konkretisiert.

Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko (shutterstock)
Symbolbild Biodiversität, Biene, Artenvielfalt. Natur / © Kateryna Ovcharenko ( shutterstock )

Zudem könnte eine unterirdische Tunnelanlage im Bereich der Ortslage noch für größere Verzögerungen sorgen. Man habe "erste Hinweise auf unterirdische Strukturen" und prüfe nun das weitere Vorgehen, betonte der Polizeisprecher. Am Donnerstag habe es diverse Einsatzorte für die Polizei gegeben. Dadurch hätten sich viele Einsätze "länger hingezogen" als am ersten Tag der Räumung.

Sieben Wohn- und und 25 Baumhäuser

Auch ein Protestzug von Klimaaktivisten hielt die Einsatzkräfte in Atem. Einige der Teilnehmer, darunter die "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer, blockierten eine Zufahrtsstraße in Richtung Lützerath. Wenn die Regierung das Pariser Abkommen verletzte, sei friedlicher Protest nötig, erklärte sie in einem Live-Video im Internet. Wegen der Blockade wurde neben mehreren Personen auch Neubauer von der Polizei weggetragen.

Um die Ortslage wurde am Donnerstag zudem ein Zaun errichtet, um die Protestierenden vor dem weiteren Zugang nach Lützerath abzuhalten. Zugleich begannen die ersten Abrissarbeiten und Rodungen im Ort. Insgesamt sieben Wohnhäuser und etwa 25 Baumhäuser müssen von der Polizei geräumt werden.

"Lützerath nicht mehr zu retten"

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, drückte auf Instagram ihre Solidarität mit den Klimaaktivisten aus. "Wir brauchen Menschen, die ihren Protest im Gebet, auf der Straße, in der Politik und manchmal auch in Baumhäusern stark machen", schrieb Heinrich. Sie danke allen, die sich "gewaltlos für Klimaschutz, für Klimagerechtigkeit, für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen".

NRW-Umweltminister Oliver Krischer und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) verteidigten erneut den Kompromiss, der zur Abbaggerung des Ortes führt. "Die Kohle unter Lützerath muss in Anspruch genommen werden, damit wir wirklich auch eine Versorgungssicherheit haben", sagte Krischer dem WDR-Radio. Habeck hatte am Mittwochabend im "heute journal" des ZDF erklärt, dass Lützerath leider nicht mehr zu retten gewesen sei und mit Blick auf die Proteste hinzugefügt: "Mit großem Respekt vor der Klimabewegung ist meiner Ansicht nach der Ort das falsche Symbol."

"Denk- und Gesprächspause"

Unterdessen schlossen sich auch das katholische Hilfswerk Misereor und die Organisation "Parents for Future" der Forderung nach einem Moratorium für die Räumung an. Es sei Besonnenheit sowie "eine Denk- und Gesprächspause" nötig, um einen gemeinsamen Weg für alle Akteurinnen und Akteure zu finden, mahnte Misereor. "Parents for Future" erklärte: "Die deutsche Klimapolitik ist gescheitert, wenn die von der Regierungskoalition getroffene Vereinbarung mit RWE zum Braunkohleausstieg umgesetzt wird."

Derweil entschied das Verwaltungsgericht Aachen, dass die Bestätigungsverfügungen der Polizei, mit denen den Mahnwachen "Keine Räumung von Lützerath" sowie "Die Kirchen(n) im Dorf lassen" ein neuer Versammlungsort zugewiesen wird, "voraussichtlich rechtmäßig" seien. Die Verlegung der Mahnwachen sei "verhältnismäßig", da der Eigentümer des Grundstücks RWE die Abhaltung der Mahnwachen am bisherigen Platz nicht zugestimmt habe, erklärte das Gericht in zwei Eilverfahren (AZ: 6 L 25/23, 6 L 26/23). Seit Mittwoch räumt die Polizei den von Protestierenden besetzten Ort Lützerath.

Quelle:
epd