Seelsorger sieht Unterrichtsbeginn mit Omikron entspannt

"Vertrauen in die Maßnahmen"

Nordrhein-Westfalen startet mitten in der Omikron-Welle am Montag wieder mit dem Schulunterricht. Haben Kinder und Jugendliche Angst vor dem Virus? Ein Schulseelsorger berichtet aus dem Alltag.

Unterricht in der Corona-Pandemie / © Christoph Soeder (dpa)
Unterricht in der Corona-Pandemie / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Omikron-Zahlen gehen rapide hoch, trotzdem starten die Schulen in NRW diesen Montag in den normalen Präsenzunterricht. Wird das ein Blindflug?

Benjamin Bizer (Evangelischer Schulseelsorger und Lehrer für Englisch und Religion am Ernst-Mach-Gymnasium in Köln-Hürth): Das ist bestimmt schwierig zu beantworten. Ich kann das aus zwei Perspektiven probieren als Lehrer und als Schulseelsorger. In beiden Fällen setze ich aber ganz großes Vertrauen in die getroffenen Maßnahmen. Und als Lehrer ist es mir natürlich ein Anliegen, meine Schülerinnen und Schüler wieder zu treffen, nach den zwei Wochen Ferien und in deren Sinn das Halbjahr sinnvoll abschließen zu können, denn das war ja auch lange nicht absehbar. Als Seelsorger kann ich mich erinnern, dass wir bis zu den Weihnachtsferien sehr viel Gesprächsbedarf und Beratungssituationen hatten. Und auch die möchten wir natürlich weiter ausführen und den Schülerinnen und Schülern helfen.

DOMRADIO.DE: Und dafür ist es natürlich schön, wenn die Schüler auch in die Schule kommen können. Gleichzeitig sehen wir in Frankreich und in den USA leider sehr hohe Hospitalisierungsraten auch bei den Kindern. Ist eine Rückkehr in die Schulen dann verantwortbar? Was hören Sie da auch von sowohl den Kindern als auch von den Eltern?

Bizer: Das ist ein bisschen schwierig zu beantworten. Ich bin ja kein Statistiker und erhebe diese Daten nicht. Insofern weiß ich das nicht genau, verlasse mich aber darauf, dass die Leute, die etwas zu verantworten haben, sprich, dass wir wieder in die Schule dürfen, das natürlich nach bestem Wissen und Gewissen machen und eben Maßnahmen ergreifen, die das ermöglichen.

Von Eltern und Schülern hört man während der Ferienzeit normalerweise nichts. Das deute ich auch eher als ein Zeichen der Zuversicht und wiederum auch des Vertrauens in die Maßnahmen. Die meisten freuen sich, dass sie nach den Ferien wieder in die Schule dürfen und sind sehr gesprächsbereit und möchten von den Ferien berichten. Und man merkt auch, dass natürlich untereinander die Mitteilungsbereitschaft und das Interesse sehr groß ist am anderen. Also welche Weihnachtsgeschenke gab es? Habt ihr irgendwie lustige Dinge erlebt? Oder auch gerade das neue ruhige Silvester ist sicher auch ein Thema, was alle interessieren wird.

DOMRADIO.DE: Was dann im Klassenzimmer fleißig besprochen werden will. Lehrer gehören ja auch zu den Berufsgruppen, die sich mit am häufigsten anstecken. Ist Ihnen dann mulmig bei der Rückkehr zum Unterricht?

Bizer: Also mir selber nicht. Ich mag mich wiederholen, aber die Maßnahmen, die wir getroffen haben oder die getroffen worden sind für unseren Schutz, sind meiner Meinung nach plausibel und ausreichend. Wir werden alle Schülerinnen und Schüler testen, dann wie gewohnt die Lüftungszyklen einhalten und wieder aufgefrischt ist ja auch das Maskengebot. Also ich sehe da wenig Schwierigkeiten und wie gesagt, die meisten möchten ja in die Schule und werden sich da auch gewissenhaft dran halten, damit das so bleiben kann. Außerdem haben die Erfahrungen gezeigt, dass wir sehr wenige Ansteckungen in der Schule hatten.

DOMRADIO.DE: In NRW fordern die Grünen jetzt eine tägliche Testung der Schülerinnen und Schüler. Wie finden Sie die Option? Man sieht das immer so von außen. Aber wie ist das aus dem Alltag? Ist das sehr aufwendig für die Lehrer und Lehrerinnen?

Bizer: Aufwendig ist es eigentlich nicht. Es ist eher eingespielt. Die Schülerinnen und Schüler wissen relativ gut, was sie tun müssen, wie der Ablauf ist. Es ist zeitaufwendig. Ja, das kann man nicht bestreiten. Und es geht natürlich pro Durchgang mindestens 20 Minuten der Unterrichtszeit verloren. Und die brauchen wir auch. Sonst ist das ja nicht realistisch, dass man ein gutes Ergebnis erzielt.

DOMRADIO.DE: Wir gehen jetzt ins dritte Jahr der Pandemie. Haben Sie denn das Gefühl, dass die Politik die Schulen jetzt mehr in den Fokus nimmt als zu Beginn? Also fühlen Sie sich da auch gesehen?

Bizer: Wir erfahren ja immer wieder neue Maßnahmen. Ich denke schon, dass der Blick auf die Schulen gelingt. Schulpolitik an sich im Großen ist natürlich sehr langsam, das dauert alles. Es wird uns auch immer wieder mitgeteilt, dass man eine Maßnahme ergreift und diese dann evaluiert. Und insofern verlasse ich mich da auch drauf, dass das ordentlich passiert.

DOMRADIO.DE: Was muss jetzt an deutschen Schulen noch dringend passieren?

Bizer: Wenn man so ein bisschen zurückblickt, also nicht nur in das letzte oder die letzten zwei Jahre, sondern die letzten fünf oder auch acht, kann man erkennen, dass Schule in gewisser Weise ja zu einem Lebensort geworden ist. Und ich denke, so sollte sie auch erstens ausgestattet werden. Die Schülerinnen und Schüler verbringen mittlerweile viel mehr Zeit in dieser Konstellation, mit Schülerinnen und Schülern und deren Freunden und eben auch am Nachmittag und dementsprechend sollte auch eigentlich der ganze Blick auf die Schule so gehandelt werden oder behandelt werden. Es hat sich sehr gewandelt in der letzten Zeit.

Das Interview führte Michelle Olion.


Quelle:
DR