Verschollen geglaubte Goldfunde in Bonn

Gerettete Schätze aus Afghanistan

Das Nationalmuseum in Kabul sieht mitgenommen aus - aber es hat die Jahre des Kriegs überlebt. Auch viele Exponate wurden auf wundersame Weise vor Zerstörung bewahrt. Eine Auswahl dieser geretteten Schätze zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn in einer in Deutschland einzigartigen Ausstellung.

 (DR)

Sagenhaft reich war das Land und sehr sinnenfreudig: Da lässt sich auf einer goldenen Schmuckspange Dionysos von einem Satyr Wein reichen, während er Ariadne umschlungen hält. Das antike Objekt mit dem freizügigen Motiv aus dem Norden Afghanistans gelangte einst als Prunkstück in das Kabuler Nationalmuseum. Doch lange wusste niemand, ob es die Plünderungen der Mudjaheddin und die kulturellen Säuberungen unter den Taliban überlebt hatte. 2004 tauchte die Spange mit anderen Stücken von unschätzbarem Wert in den Depots der Kabuler Zentralbank wieder auf. Jetzt sind die geretteten Schätze in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.

Höhepunkt der Schau "Afghanistan. Gerettete Schätze" mit 230 Exponaten aus der Zeit von 2000 vor bis 200 nach Christus sind die Funde aus Tillya Tepe. Hier, auf einem Hügel in der nördlichen Grenzregion Dschuzdschan, machte ein russisch-afghanisches Archäologenteam 1978 einen der bedeutendsten Funde des 20. Jahrhunderts: In sechs Gräbern reicher Nomaden stießen die Forscher auf Schmuckgegenstände und Grabbeigaben von unglaublicher Pracht:
edelsteinbesetzte Ohrringe und Kolliers, ein Prunkgürtel aus unzähligen Goldgliedern mit Medaillons, die auf Löwen reitende Frauen zeigen, Schuhschnallen mit von Drachen gezogenen Wagen.

Mehr als 20.000 Objekte aus Gold, Silber und Elfenbein aus der Zeit um 50 nach Christus kamen ans Tageslicht. Rätselhaft bleibt, wo die Nomaden-Fürsten von Tillya Tepe genau herkamen. Doch die Schätze, die sie ihren Toten mitgaben, zeugen von Verbindungen des Königreichs Baktrien zu den Machtzentren der damaligen Welt, vom Römischen Reich bis nach Indien und China. Auf den Fund folgten 1979 die sowjetische Invasion und über drei Jahrzehnte Krieg und Wirren.

Vorsorglich lagerten Mitarbeiter des Nationalmuseums die kostbarsten Stücke in die Zentralbank aus. Danach galt das baktrische Gold als verschollen - und so war es ein zweiter Sensationsfund, als die Museumsleitung 2004 im Beisein des Erstentdeckers einen Safe unbekannten Inhalts mit dem Schneidbrenner öffnen ließ.

Mehr als Krieg, Mord, Bomben und Burkas
Für Omar Khan Massoudi, Chef des Kabuler Nationalmuseums, und den stellvertretenden afghanischen Kulturminister Omar S. Sultan sind die vor Mudjaheddin und Taliban geretteten Kunstschätze ein wichtiger Teil der kulturellen Identität ihres Landes. "Wir wollen dem Rest der Welt zeigen, dass Afghanistan nicht nur aus Krieg, Mord, Bomben und Burkas besteht", sagte Sultan, der eigens zur Ausstellungseröffnung nach Bonn gereist war.

Weitergehende politische Anspielungen weisen die Ausstellungsmacher zurück. Die Planungen für die Schau seien bereits 2006 begonnen worden und damit ohne Zusammenhang zum aktuellen außenpolitischen Engagement Deutschlands, erklärte Bundeskunsthalle-Geschäftsführer Bernhard Spies. "Die Ausstellung wird nicht gezeigt, weil die Bundesregierung dies zu diesem Zeitpunkt wünscht." Zugleich räumte Intendant Robert Fleck ein, die erstmalige Präsentation dieser antiken Funde in Deutschland sei auch "ein Faktor für die öffentliche Debatte". Das lässt sich so deuten, als gelte es eben auch die Kultur am Hindukusch zu verteidigen.

Vor allem aber macht die Schau bewusst, welcher kunstgeschichtliche und archäologische Reichtum durch die Konflikte im Mittleren Osten noch immer auf dem Spiel steht. Das gilt nicht nur für islamistische Bilderstürmer: Im Irak dienten altorientalische Ruinenhügel der US-Armee als Kampfstellungen; unerschlossene Tontafel-Archive wurden unter Panzerketten zu Staub zerrieben. Und auch ganz banale Gier ist bisweilen ein Feind des Kulturerbes: Beim afghanischen Dorf Fullol, aus dem ebenfalls Exponate in Bonn zu sehen sind, entdeckten Bauern 1966 goldene und silberne Gefäße. Um den Fund redlich zu teilen, zerhackten sie die viertausend Jahre alten Schätze mit dem Beil.

Burkhard Jürgens (KNA)