Ausstellung "Köln und seine jüdischen Architekten"

Die vergessenen Baumeister

Der Architekturhistoriker Wolfram Hagspiel hat die Lebensläufe und Werke von rund 50 Baumeistern, Statikern und Bauingenieuren jüdischen Ursprungs erforscht, die in Köln gelebt haben. Seine Arbeit bildet die Grundlage für eine neue Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum.

Autor/in:
Barbara Schmickler
 (DR)

Das alte Geschäftshaus Salomon steht heute noch. Eröffnet wurde der Bau im Herzen der Stadt Köln vor über 100 Jahren, am 10. August 1912. "Die Front Brückenstraße mit den großen Schaufenstern tritt infolge ihrer geschwungenen Baufluchtlinie besonders vorteilhaft von der Hohen Straße aus in Erscheinung", heißt es in einer Tageszeitung aus dieser Zeit. Das Gebäude des Architekten Georg Falck ist nur eines von vielen Beispielen für Bauten in Köln, die von jüdischen Architekten entworfen wurden.


Die Schau bis 5. September zeigt, welche Akzente Kölner jüdische Architekten in und außerhalb der Stadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute setzten. Damit widmen sich die Ausstellungsmacher einem vernachlässigten Aspekt in der Kölner Geschichte. Nun sollen die vergessenen Baumeister ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Mit anderem Blick durch die Stadt
Für den Direktor des NS-Dokumentationszentrums, Werner Jung, ist das Thema gerade für Köln relevant. Besonders in der Weimarer Republik sei hier eine Hochburg jüdischen Lebens gewesen. Wer die Ausstellung gesehen habe, gehe mit anderem Blick durch die Stadt. "An manchen Gebäuden wie dem alten Geschäftshaus Salomon in der Brückenstraße geht man seit Jahren vorbei und weiß nicht, dass es von einem jüdischen Architekten stammt", betont Ausstellungskurator Jürgen Müller.

Vier große Stadtpläne auf dem Boden der Ausstellung zeigen bildhaft, an welchen Orten Projekte jüdischer Architekten in einer bestimmten Zeitspanne realisiert wurden. "Der Nationalsozialismus markiert einen Einschnitt. In dieser Zeit wurden nur drei Bauten gebaut", so Müller.

Passend zu Beginn der Ausstellung gibt der Bachem-Verlag Hagspiels Buch "Köln und seine jüdischen Architekten" mit fast 500 Seiten und 1.000 Abbildungen heraus. "In keiner anderen deutschen Stadt ist das Schicksal der jüdischen Architekten komplett erforscht worden", unterstreicht der Autor. Bei einer Ausgangsbasis von Null habe er begonnen, zu keinem der Architekten gebe es einen Nachlass.

Der Zufall hilft mit
Auf viele Informationen sei er durch Zufall gestoßen, berichtet Hagspiel. So fand er in der Emigrantenzeitung "Aufbau", die 1945 in New York erschien, eine Liste von Juden, die den Nationalsozialismus in Deutschland überlebten. Dadurch kam Hagspiel auf den Bauingenieur Ernst Rudolf Kahn, der die Statik zahlreicher Bauten des jüdischen Architekten Helmut Goldschmidt berechnet hatte. Hagspiel beschreibt nicht nur die Werke, sondern schildert auch die Schicksale der Baumeister. So warnten Parteimitglieder die Kahns vor der bevorstehenden Deportation nach Osten - woraufhin die Familie in einem Kölner Keller untertauchte. Hagspiel: "Das geht einem ans Herz."

Dankbar sei er für die Mithilfe von Angehörigen oder Zeitzeugen wie Kahn selbst gewesen. Denn viele historische Bauakten seien im Krieg oder durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs verloren gegangen. Das sei auch eine Herausforderung für die Ausstellung gewesen, so Müller. "Es gibt kaum Originale, die meisten Modelle sind zerstört." Stolz präsentiert er aber ein Fragment bunter Originaltapete mit Blumenmuster, die um 1926 von der Innenarchitektin Bertha Sander entworfen wurde -der einzigen in der Ausstellung vorgestellten Frau.

Mit der Machtergreifung der Nazis änderte sich für sie ihr Arbeitsalltag: Sie wurde schikaniert und durfte ab 1934 nur noch für jüdische Arbeitgeber tätig sein. Wie viele andere jüdische Architekten verließ sie Köln und emigrierte ins Ausland.