Verbände fordern schnelles Gesetz zu Suizidvorbeugung

"Der Staat hat hier eine Schutzpflicht"

Vor zehn Jahren hat der Deutsche Ethikrat vom Bundestag gefordert, Maßnahmen gegen die hohe Zahl an Suiziden zu treffen. Nun appellieren Verbände an die Bundesregierung, ein Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden auf den Weg zu bringen.

Eine verzweifelte Person in einem Krankenhausbett / © KieferPix (shutterstock)
Eine verzweifelte Person in einem Krankenhausbett / © KieferPix ( shutterstock )

Mit Blick auf jährlich 10.000 Selbsttötungen appellieren mehrere Verbände an die Bundesregierung, ein Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden schnell auf den Weg zu bringen. "Wir brauchen unter anderem eine zentrale Rufnummer für suizidale Menschen", forderte die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, Ute Lewitzka, am Dienstag in Frankfurt.

Zudem bedürfe es einer besseren Finanzierung von vorbeugenden Angeboten für gefährdete Personen und Angehörige. Hinterbliebene trügen ein erhöhtes Suizidrisiko, betonte die Wissenschaftlerin. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz verpflichtet.

Lewitzka ist Deutschlands erste Professorin für Suizidologie sowie Suizidprävention und lehrt an der Universität Frankfurt; sie äußerte sich zum Welttag der Suizidprävention am Mittwoch. Menschen mit Todeswunsch wollten oftmals nicht sterben, sondern nicht mehr so weiterleben, wie es für sie Alltag sei, sagte die Expertin. Daher gelte es, den Zugang zu Suizidmethoden zu verringern. Vergiftungen ließen sich durch kleinere Medizinpackungen, Suizide auf Bahngleisen und Stürze in die Tiefe durch geänderte Bauvorgaben erschweren.

Schutzpflicht des Staates

"Bei jeder Autobahnbrücke oder jedem öffentlichen Gebäude lässt sich das Risiko beim Bau direkt mitplanen", verdeutlichte Lewitzka. "Der Staat hat hier eine Schutzpflicht." Die Schulbildung solle ebenfalls in einem Bundesgesetz zur Suizidprävention berücksichtigt werden. "Es geht darum, Lebenskompetenz zu erlernen", sagte sie. 

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, ein Schutzkonzept für Menschen mit Suizidgedanken zu entwickeln und umzusetzen. Konkret sprach er sich unter anderem für die Einrichtung einer bundesweiten Informations-, Beratungs- und Koordinationsstelle sowie ein Verzeichnis aller Hilfsangebote aus. 

Auch müsse es einen rechtlichen Anspruch auf kostenfreie Beratung, die Förderung der Forschung und Verankerung in der Aus- und Fortbildung geben. Auch die Malteser erklärten, es brauche dringend ein Gesetz zur Suizidprävention. Unter Jugendlichen sei ein Suizid mit 18 Prozent die häufigste Todesursache. 

Mehr als die Hälfte aller Suizide erfolge durch Menschen über 65 Jahre. "Wir sollten als Gesellschaft den Anspruch haben, diese verheerenden Zahlen deutlich zu verringern", forderte der Vorstandsvorsitzende der Malteser Deutschland, Elmar Pankau.

Gesetz auch für Suizidassistenz gefordert

Er verwies auch auf eine rasch steigende Zahl der assistierten Suizide, seitdem das Bundesverfassungsgericht 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt hatte. Die Malteser sehen den Gesetzgeber in der Pflicht, auch ein Gesetz zur Regulierung des assistierten Suizids zu verabschieden. 

Die katholische Hilfsorganisation fordert zudem eine "Schutzraum-Klausel", um in den eigenen Pflegeeinrichtungen assistierte Suizide ablehnen zu können. Wenn Menschen trotz aller Bemühungen um Alternativen an einem assistierten Suizid festhielten, sollte dieser außerhalb geschützter Einrichtungen erfolgen.

Der in Hamburg ansässige Verein Sterbehilfe teilte unterdessen mit, er habe 2025 bislang 111 Mitgliedern beim begleiteten Suizid geholfen. Gleichzeitig verfügten 258 Mitglieder über das sogenannte grüne Licht einer verbindlichen Hilfszusage zur Suizidassistenz, hätten davon aber bislang keinen Gebrauch gemacht.

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.

Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Die Angebote der Telefonseelsorge haben sich immer weiter spezialisiert / © Markus Scholz (dpa)
Die Angebote der Telefonseelsorge haben sich immer weiter spezialisiert / © Markus Scholz ( dpa )
Quelle:
KNA