Vatikanjournalist Hagenkord: UNO-Bericht zeugt von Unkenntnis

Vatikan wehrt sich

Der Vatikan wehrt sich gegen Kritik des UN-Kinderrechtskomitees. Das Gremium hatte etwa die Haltung der Kirche zu Abtreibung mitverantwortlich für Missbrauch gemacht. Pater Hagenkord über Religionsfreiheit und Kinderschutz.

UNO-Hauptquartier (KNA)
UNO-Hauptquartier / ( KNA )

domradio.de: Das sind harte Vorwürfe, die da verschiedene Zeitungen aus dem UNO-Bericht herauslesen. "Uno attackiert Vatikan wegen Verschleierung von Kindesmissbrauch", heißt es zum Beispiel bei Spiegel Online. Ist der Bericht für den Vatikan wirklich so desaströs?

Pater Bernd Hagenkord (Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan): Die Vorwürfe stehen drinnen und zum größten Teil stimmen sie ja, das muss man auch einfach so sagen, aber sie stimmten vor zehn Jahren. Es ist viel passiert, und das wird leider in dem Bericht nicht so wirklich reflektiert.

domradio.de: Was stimmt denn nicht mehr?

Hagenkord: Es gibt ja Schritte, die werden in dem Bericht ganz am Anfang genannt. Es gibt Gesetze, die der Vatikan eingeführt hat, es gibt Regelungen für die Weltkirche. Es gibt lokale Regelungen, die werden zum Teil auch genannt. Dann geht der Bericht aber weiter und insinuiert in gewisser Weise, dass der Vatikan noch immer weit hinterherhinke und immer noch versetze. Aber der Bericht beweist das gar nicht. Obwohl das sicherlich im größten Teil der Weltkirche nicht mehr der Fall ist.

Erzbischof Tomasi, der Vertreter des Vatikan bei der UNO in Genf, hat uns im Interview gesagt, das ist so, als hätten die Kommission gar nicht zur Kenntnis genommen, was der Vatikan in den letzten Jahren alles gemacht hat und den Bericht schon vorher fertig gehabt.

domradio.de: Es wird unter anderem die Offenlegung aller kirchlichen Akten gefordert, die sich mit Kindesmissbrauch beschäftigen. Ist das nicht eine berechtigte Forderung?

Hagenkord: Ich glaube, da muss man erst einmal die Juristen fragen. Natürlich ist das eine berechtigte Forderung, dann gibt es aber andere Rechtsgüter. Es gibt ja auch Persönlichkeitsschutz, und ich glaube auch die Kinder, die dann in Frage gekommen sind als Opfer, sollten da auch ein Wort mitzureden haben, ob das eigentlich alles veröffentlicht werden darf.

Ich glaube, es ist viel zu einfach, da jetzt allgemeine Forderungen zu stellen - ohne genau hinzuschauen, was die Rechte eigentlich vor Ort in den einzelnen Ländern sind. Es gibt auch zum Beispiel die Forderung der Anzeigepflicht. Deutschland z.B. kennt keine Anzeigepflicht für Kindesmissbrauch. Jetzt kommt aber die UNO und sagt, die Kirche muss das einführen. Da wird über die örtlichen Gesetzeslagen einfach hinweggebügelt, das ist schon ein bisschen von Unkenntnis geprägt, das Ganze.

domradio.de: Das heißt, es kann sein, dass die UNO nicht wirklich weiß, wie Kirche und was auf welchen verschiedenen Ebenen funktioniert?

Hagenkord: Das ist ganz offensichtlich im Dokument. Die Kirche und der Vatikan werden in eins gesetzt, als ob das die gleiche Sache wäre. Als ob die Rechtsstruktur Vatikan per Erlass vor Ort alles umsetzen könnte, bis hin dazu, dass sie sozusagen die Unterrichtspläne in katholischen Schulen bestimmen könnte. Es wird zum Beispiel auch eine Behörde gefordert, die auf der ganzen Welt alle Ausgaben, die für Kinder getätigt werden, kontrolliert, quasi eine gigantische Zentralbehörde, was der Vatikan ja überhaupt nicht ist. Wir machen ja alles sehr, sehr lokal. Das zeugt schon davon, dass nicht wirklich verstanden wird, was Kirche ist und was Kirche will.

domradio.de: Eine der Forderungen in dem Bericht ist auch, dass der Vatikan eine bestimmte Lesart von Bibelstellen, in denen es um körperliche Züchtigung geht, vorschreiben möge.

Hagenkord: Es ist schon ziemlich absurd, wenn es darum geht, eine bestimmte Lesart der Bibel vorschreiben zu wollen. Es geht um körperliche Züchtigung, da muss man schon vorsichtig sein, und man muss schauen, was sind für Bibelzitate sind. Aber dass eine staatliche Behörde kommt und der Wissenschaft vorschreibt, wie sie Bibelstellen oder überhaupt Literatur, Märchen zu verstehen hat oder weiterzugeben hat, das ist schon ziemlich absurd. Das ist schon ein bisschen auch ein Eingriff ins Gebiet Religionsfreiheit. Das hat der Vatikan sehr diplomatisch und sehr vorsichtig kritisiert. Der Bericht will ja auch, dass die katholische Kirche mal eben so die Lehre zur Abtreibung ändert und Abtreibung zulässt und das Kirchenrecht dementsprechend ändert. Also, das sind schon massive Eingriffe, die da gefordert werden, die auch, finde ich, auf Unkenntnis oder auf Ideologisierung zurückgehen.

domradio.de: Wie wird der Vatikan mit dem UN-Bericht weiter umgehen? 

Hagenkord: Ich glaube, man wird das jetzt erst einmal herunterkochen lassen und sich anschauen, wie die konkreten Vorwürfe lauten. Es sind ja ganz klare Dinge benannt, lokale Einzelfälle aber auch rechtliche Dinge. Die wird man studieren. Es gibt ja schon viele Schritte, die gemacht wurden in die Richtung. Man wird das abgleichen. Ich glaube, der Vatikan ist der letzte, der sagen würde, nein, wir beachten das nicht. Die werden sich das genau anschauen, um Kinderschutz weiterhin voranzutreiben. Der Papst hat ja eine eigene Kommission im Vatikan angekündigt. Ich glaube, deren Mitglieder sind auch sehr interessiert, sich das Ganze genau anzuschauen.

domradio.de: Das heißt, das Thema Umgang mit Kindesmissbrauch auch durch Priester und Geistliche ist lange nicht durch?

Hagenkord: Auf keinen Fall ist das durch! Deswegen finde ich es auch schade, dass da andere Dinge mit draufgesattelt werden. Kinderschutz ist zu wichtig, als dass man ihn verzwecken dürfte.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Pater Bernd Hagenkord (rv)
Pater Bernd Hagenkord / ( rv )
Quelle:
DR