UN-Experten kritisieren Umgang des Vatikan mit Kindesmissbrauch

Der lange Weg der Aufarbeitung

UN-Experten haben den Vatikan wegen mangelnder Transparenz im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche kritisiert. In Genf gab es zum Thema eine öffentliche Anhörung vor dem UN-Komitee.

 (DR)

Der Kirchenstaat weigere sich nach wie vor, die von den UN geforderten genauen Angaben zu Umfang des Skandals und zu Tätern zu machen, bemängelten Mitglieder des UN-Komitee für die Rechte des Kindes am Donnerstag bei der ersten öffentlichen Anhörung in Genf. Papst Franziskus prangerte die Skandale am selben Tag bei seiner Frühmesse im Vatikan als "die Schande der Kirche" an.

Vor dem Ausschuss in Genf beteuerte der Gesandte des Heiligen Stuhls bei den UN, Erzbischof Silvano Tomasi, der Vatikan gehe mit aller Kraft gegen den Missbrauch von Kindern vor. SO habe der Heilige Stuhl in der Vergangenheit sowohl innerhalb der Kirche die juristischen Richtlinien verschärft als auch die strafrechtliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten ausgebaut, sagte Erzbischof Tomasi. Er ist der vatikanische Vertreter bei den Genfer UN-Einrichtungen. Der Schutz von Kindern in kirchlichen Einrichtungen habe für den Heiligen Stuhl oberste Priorität, hieß es in einem vom Vatikan veröffentlichten Text.

In Abstimmung mit den Ortskirchen und den kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen habe Rom das Vorgehen gegen Missbrauchstäter in den Reihen des Klerus verschärft und neue Wege bei der Prävention beschritten, so Tomasi. Als Beispiel nannte er ein E-Learning-Programm, das die päpstliche Universität Gregoriana gemeinsam mit dem Zentrum für Kinderschutz im Erzbistum München entwickelt hat. Zudem verwies er auf neue Richtlinien in katholisch geprägten Nichtregierungsorganisationen sowie die im Dezember von Papst Franziskus eingesetzte Kommission für den Schutz Minderjähriger, die künftig weitere Vorschläge für die Sicherheit von Kindern erarbeiten soll.

"Die katholische Kirche will ein Vorbild bei der Umsetzung dieses wichtigen Anliegens sein", sagte Tomasi vor dem Genfer UN-Komitee.

Tomasi: Viele kirchliche Mitarbeiter leisteten positiven Beitrag zur Kindesentwicklung

Die überwiegende Mehrheit kirchlicher Mitarbeiter und Institutionen leiste einen großen Beitrag für die Entwicklung von Kindern. Dies gelte für ihre Bildung, Erziehung und Versorgung wie auch bei der Unterstützung von Familien.

Im Interview mit Radio Vatikan sagte Tomasi: "Der Heilige Stuhl unterstreicht das Recht und die Pflicht jedes Landes, jedwedes Verbrechen gegen Minderjährige strafrechtlich zu verfolgen." Die Kritik, der Heilige Stuhl habe in der Vergangenheit den Gang der Gerechtigkeit behindert, sei "aus der Luft gegriffen".

Bei der Anhörung durch das UN-Kinderrechtskomitee handelt es sich um eine turnusmäßige Prüfung, zu der sich alle 193 Unterzeichnerstaaten der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet haben. Der Heilige Stuhl unterzieht sich zum ersten Mal dem Verfahren. Bei der Sitzung des Komitees vom 13. bis 31. Januar wird auch die Lage für Kinder in der Republik Kongo, dem Jemen, Portugal, Russland und Deutschland erörtert. Für die Katholische Kirche gelte, was bereits Papst Johannes Paul II. erklärt habe: Der Vatikan betrachte Kindesmissbrauch durch Kirchenvertreter als Verbrechen und "entsetzliche Sünde vor den Augen Gottes".

Ausschuss hatte Details zu Tätern eingefordert

Der Kinderrechtsausschuss hatte zuvor detaillierte Informationen über Opfer, Täter und Maßnahmen der katholischen Kirche verlangt. Der Heilige Stuhl lehnt das aber ab. Nach seiner Rechtsauffassung liegt die Verantwortung für die Verfolgung bei den Staaten, in denen der Missbrauch stattfand.

Komiteemitglieder erwiderten, der Vatikan habe jedoch sehr wohl eine "moralische Verantwortung". Sie äußerten auch Kritik daran, dass manche Geistliche trotz Missbrauchshandlungen nicht aus dem Kirchendienst entfernt worden seien.

Einschätzungen zum Umgang des Kirchenstaates mit dem Kindesmissbrauch sowie Empfehlungen für Verbesserungen will das UN-Komitee bis Anfang Februar erarbeiten und dann veröffentlichen. Die Anhörung wurde von Aktivisten begleitet, die für die Aufklärung aller Skandalfälle eintreten und umfassende Entschädigungen für die Betroffenen fordern. Sie verweisen unter anderem darauf, dass der emeritierte US-amerikanische Kurienkardinal William Joseph Levada 2012 erklärte habe, dem Vatikan seien im zurückliegenden Jahrzehnt mehr als 4 000 Fälle von Kindesmissbrauch gemeldet worden.

Erzbischof Tomasi erklärte, mittlerweile seien zahlreiche Kircheninstitutionen im Einsatz, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten. Der Vatikan habe alle relevanten internationalen Verträge zum Schutz von Kindern ratifiziert und setze sie um - darunter das UN-Protokoll zur Bekämpfung von Kinderprostitution und Kinderpornografie. Zugleich trat der apostolische Nuntius dem Eindruck entgegen, Kindesmissbrauch sei besonders stark in Kreisen von Geistlichen verbreitet: "Kinderschänder findet man selbst bei den am meisten geachteten Berufsgruppen der Welt, darunter beim Klerus und anderen kirchlichen Berufen."

Papst Franziskus erklärte in seiner Frühmesse laut Radio Vatikan, zu Skandalen in der Kirche komme es dann, wenn die Menschen keine lebendige Beziehung zu Gott hätten. "Haben wir uns denn geschämt über solche Niederlagen von Priestern, Bischöfen und Laien?", fragte der Papst. Die ersten, die die Folgen der vielen Skandale ausbaden müssten, seien die Gläubigen.


Quelle:
dpa , KNA , epd , rv