Vatikanisches Strafgericht berät über Finanzskandal

Kommt mit neuem Papst eine andere Justiz?

Jüngst hat das vatikanische Strafgericht über die Berufungsklage des Generalrevisors Libero Milone gegen seine aufsehenerregende Entlassung im Sommer 2017 beraten. Dabei könnte auch das Verhalten des neuen Papstes eine Rolle spielen.

Autor/in:
Roland Juchem
Anhörung im Strafprozess um den Finanzskandal im Staatssekretariat vor dem vatikanischen Strafgericht im Vatikan. (VM)
Anhörung im Strafprozess um den Finanzskandal im Staatssekretariat vor dem vatikanischen Strafgericht im Vatikan. / ( VM )

Der Fall Libero Milone ist weniger bekannt als der bahnbrechende Strafprozess zum Finanzskandal im vatikanischen Staatssekretariat. Der führte im November 2023 zur erstinstanzlichen Verurteilung mehrerer ehemaliger Vatikanbeamter und -berater, darunter Kardinal Angelo Becciu. Der Fall Milone gehört aber ebenfalls zu den Skandalen um die Finanzreformen in den ersten Jahren des Franziskus-Pontifikats.

Der heute 76-jährige Finanzexperte Libero Milone war 2015 von Franziskus auf die neu geschaffene und mit weitreichenden Untersuchungskompetenzen ausgestattete Stelle des Generalrevisors berufen worden. Der langjährige Mitarbeiter des internationalen Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte sollte mit eisernem Besen das Wirtschafts- und Finanzwesen des Heiligen Stuhls säubern. Durch Korruption, Unterschlagung und Fehlinvestitionen war dessen Ruf arg ramponiert.

Milone sollte das ändern und möglichst auch die Schuldigen ausfindig machen. Doch dann - im September 2017 - wurde er spektakulär entlassen. Die Rechnungsprüfer behaupteten, sie seien zum Rücktritt gezwungen worden und zuvor auf Geheiß Beccius stundenlang festgehalten und von Vatikan-Gendarmen verhört worden. Der damalige Chef der Gendarmerie, Domenico Giani, habe sie gezwungen, eine Kündigung zu unterschreiben.

Neun Millionen Schadensersatz

Becciu selbst erklärte damals, er habe sie zum Rücktritt gezwungen, weil sie ihre Kompetenzen überschritten und die Privatfinanzen hoher Vatikanbeamter, darunter auch seine eigenen, "ausspioniert" hätten. Demgegenüber behauptete Milone, er sei gefeuert worden, weil er systematische Korruption auf höchsten Kurien-Ebenen aufgedeckt habe. Zudem seien sein Büro und sein Computer monatelang überwacht worden.

Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring (KNA)
Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring ( KNA )

Nach Anläufen zu einer außergerichtlichen Einigung reichten Milone und sein inzwischen gestorbener ehemaliger Stellvertreter Ferruccio Panicco 2022 Klage ein. Wegen unrechtmäßiger Kündigung, Verdienstausfall und Rufschädigung verlangten die Männer neun Millionen Euro Schadenersatz.

Diese Klage war im Januar 2024 vom Vatikan-Gericht zunächst abgewiesen worden. Die Amtsenthebung 2017 sei ein "päpstlicher Akt" gewesen, der vor Gericht nicht angefochten werden kann. Die Richter akzeptierten jedoch, dass Milone und Panicco möglicherweise zu Unrecht aus dem Amt gedrängt wurden. Panicco starb 2023 im Alter von 63 Jahren an Krebs. Milone hingegen legte Berufung ein.

"Unanständige Beweise" sind nicht zugelassen

Zuvor hatten er und Panicco mehrere hundert Seiten Dokumente eingereicht, um ihre Korruptionsvorwürfe zu beweisen. Anfang dieses Jahres jedoch entschied das Berufungsgericht, der Prozess könne nur weiter verfolgt werden, wenn Milones Anwälte Beweise ausschlössen, die die Richter als "unmoralisch und unanständig" betrachten. Dazu zählten diese auch Beweise für mutmaßliches finanzielles Fehlverhalten, das dem "guten Ruf" hochrangiger Vatikanbeamter schaden könnte.

Bei einer Anhörung am Montag legten beide Seiten noch einmal ihre Positionen dar: Milones Team argumentierte, ohne Vorlage der eigenen reichhaltigen Dokumentation könne man sein Anliegen nicht belegen. Das Staatssekretariat behauptete, es sei nicht betroffen. Der Richter, so sagte Milone dem "KNA-Hintergrund", habe sich bedankt und kündigte an, die Parteien "zu gegebener Zeit zu informieren". Ob es dann ein Urteil gibt oder nur eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen, ist offen.

Ein Knackpunkt nun ist die Frage: Zwar hat Papst Franziskus Milone ernannt - aber ordnete er auch dessen Entlassung an? Falls ja, wäre diese ein päpstlicher Akt und damit laut Kirchenrecht unanfechtbar. So argumentierte das Staatssekretariat. Ging aber - wie Milones Anwälte sagen - die Entlassung von Becciu als Substitut des Staatssekretariats aus, wäre sie gerichtlich anfechtbar. Becciu habe damals Milone wissen lassen, "dass er nicht mehr das Vertrauen des Papstes habe, ihn aber in den letzten sechs Monaten praktisch daran hinderte, direkt mit dem Papst zu sprechen, während er zuvor gewohnt war, den Papst jede Woche zu treffen".

Hatte der Papst sich eingemischt oder nicht?

Wer muss nun beweisen, dass der inzwischen gestorbene Papst sich damals wie in den Fall eingemischt hat? Schon während des Finanzprozesses zum Staatssekretariat war mehrfach die Frage aufgetaucht, ob Franziskus als Zeuge geladen werden könne. Nun also weiter mit seinem Nachfolger Leo XIV., der als oberste Justizinstanz der Vatikanstadt zu jedem Zeitpunkt formell oder informell in den Prozess eingreifen könnte. Dazu legte das Portal "The Pillar" vergangene Woche einige Überlegungen dar.

Im Extremfall zieht er den Fall an sich und entscheidet - ein harscher Schritt des neuen Papstes, wenn auch nicht ganz ohne mögliche Vorteile. So könnte er den wichtigen und immer wiederkehrenden Streitpunkt zwischen den Prozessparteien ausräumen - die Beteiligung von Franziskus an der Entlassung Milones.

Große Transparenz und etliche Mini-Skandale?

In behutsamerer Manier könnte Leo dem Gericht zu verstehen geben, es solle alle verfügbaren Beweise prüfen, einschließlich jener, die dem "öffentlichen Interesse" schaden könnten, indem sie finanzielle Korruption auf höchster Ebene offenlegen. Dies wäre eine bemerkenswerte Ansage zugunsten von Transparenz, würde aber wohl ein halbes Dutzend Mini-Skandale um einzelne hochrangige Kuriale auslösen, die nachweislich in korrupte Finanzpraktiken verwickelt waren. Dies könnte eine Büchse der Pandora von gerichtlichen und medialen Nebeneffekten der Finanzskandal-Seifenoper öffnen.

Eine weniger dramatische Möglichkeit für Leo, sich in den Fall Milone einzumischen, wäre es, sein eigenes Staatssekretariat anzuweisen, seine Argumente so zu ändern, dass Milones Berufung zu einer Lösung führen könnte. So könnte das Sekretariat das Argument fallen lassen, dass die Entlassung des Rechnungsprüfers notwendigerweise ein päpstlicher Akt war.

In den Argumentationen des Staatssekretariats wäre ohnehin eine Bereinigung wünschenswert, haben doch dessen Vertreter im Fall Milone mitunter ganz anders argumentiert als im Fall Becciu und dem großen Finanzstrafprozess.

Beste Lösung: außergerichtlicher Vergleich

Durch die Anordnung eines Argumentationswechsels, so kommentiert "Pillar"-Autor Ed Condon, könnte Leo XIV. versuchen, den Ruf von Franziskus zu schützen und das päpstliche Amt vom gesamten juristischen Prozess fernzuhalten, während er gleichzeitig das Staatssekretariat, einschließlich dessen langjährigen Chef, Kardinal Pietro Parolin, dafür verantwortlich macht. Das würde ihn in seiner wichtigsten Behörde vermutlich unpopulär machen. Aber es ist davon auszugehen, dass Milones Klage - wie schon die Finanzverluste in London - größtenteils das Ergebnis kurialen Missmanagements sind.

Die wohl beste Entscheidung wäre es aber wohl, den gesamten Prozess durch einen außergerichtlichen Vergleich mit Milone und Pannicos Familie zu beenden. Dies, so Milone, habe er jahrelang versucht, bevor er Klage einreichte. Und angeblich soll er dazu immer noch bereit sein. Bleibt die Frage, welche Entschädigung Leo zu zahlen bereit wäre - angesichts der dramatischen Finanzlage des Vatikans. Andererseits geht es der Kirche ja auch immer um ihren guten Ruf - in diesem Fall um den ihrer Justiz.

Quelle:
KNA