Vatikanexperte erklärt Ablauf der Beerdigung von Benedikt

"Liturgisches und zeremonielles Neuland"

Wie wird eigentlich ein Papst beerdigt, der nicht mehr amtierte? Das sei Neuland für den Vatikan, meint der Vatikanexperte Ulrich Nersinger im Interview. Viele Entscheidungen liegen letztlich "in der Hand des regierenden Papstes".

Kerzen vor dem Petersplatz zum Tod von Papst Benedikt XVI. / ©  Cristian Gennari (KNA)
Kerzen vor dem Petersplatz zum Tod von Papst Benedikt XVI. / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was passiert denn, wenn ein Papst, der nicht mehr im Amt war, also emeritiert ist, stirbt? 

Ulrich Nersinger bei einer Audienz mit Papst Benedikt XVI. / © privat
Ulrich Nersinger bei einer Audienz mit Papst Benedikt XVI. / © privat

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Ja, das ist eine gute Frage. Im Grunde betreten wir liturgisches und zeremonielles Neuland. Man wird dann doch über ein paar Sachen überrascht sein. Man muss bedenken, es kommen einige Unwägbarkeiten auf uns zu. Zum Beispiel, was wird Papst Franziskus noch persönlich entscheiden? Was steht im Testament des verstorbenen Heiligen Vaters? Wie wird man mit dieser Situation überhaupt umgehen können?  

Ulrich Nersinger, Vatikanexperte

"Es kommen einige Unwägbarkeiten auf uns zu."

DOMRADIO.DE: Es gibt ja durchaus ein Beispiel für einen Papst, der vom Amt zurückgetreten ist und dann verstarb. Ich rede von Coelestin V. Weiß man, was nach seinem Tode 1296 geschehen ist?  

Das geistliche Testament von Papst Benedikt XVI.

Am Tag seines Todes, dem Silvestertag 2022, hat der Vatikan das Geistliche Testament von Papst Benedikt XVI. veröffentlicht, das er bereits am 29. August 2006 verfasste. Die Katholische Nachrichten-Agentur dokumentiert den Text in der Originalfassung (in alter Rechtschreibung):

Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 in München. / © Markus Nowak (KNA)
Papst Benedikt XVI. am 9. September 2006 in München. / © Markus Nowak ( KNA )

Nersinger: Ja, das ist etwas schwierig zu eruieren. Ich habe mich bemüht, nachzuschauen. Da haben wir relativ wenige Informationen. Das ist aber auch verständlich, denn es war damals auch ein Politikum. Es ist nicht so abgelaufen, wie wir das bei Benedikt erlebt haben, sondern es war mit großem Zwang und Intrigen verbunden. Ich denke, dass man damals die Beerdigung und die Beisetzung wirklich sehr klein gehalten hat, weil man es schnell hinter sich bringen wollte. Also, es war eine ganz andere Situation, wie wir sie heute haben.  

DOMRADIO.DE: Also eines ist ja klar: Es wird kein Konklave geben, der amtierende Papst lebt ja noch. Wird vielleicht Franziskus selbst seinen Amtsvorgänger beerdigen?  

Nersinger: Ich denke, er wird der Liturgie vorstehen. Mit Vorstehen ist hier eine Formel gemeint, die wir in der katholischen Kirche kennen. Wenn ein Bischof nicht selber zelebrieren möchte; wenn er der Liturgie vorstehen möchte, aber am Altar jemand anders agieren soll, ist eine solche Möglichkeit gegeben. Und wir haben ja in den vergangenen Wochen erlebt, dass aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung Papst Franziskus der Liturgie vorgestanden hat, aber am Altar ein Kardinal, zumeist der Kardinaldekan, agiert hat. 

Ulrich Nersinger, Vatikanexperte

"Ich denke, Papst Franziskus wird der Liturgie (Beerdigung von Benedikt XVI., Anm. d. Red.) vorstehen."

DOMRADIO.DE: Jetzt ist auch das Protokoll bekannt. Was ist denn da unbedingt zu beachten, damit jetzt nicht der Anschein entsteht, ein amtierender Papst sei gestorben?  

Vatikanstadt: Papst Franziskus begrüßt eine vatikanische Schweizer Garde am letzten Tag der Bischofssynode / © Fabio Frustaci (dpa)
Vatikanstadt: Papst Franziskus begrüßt eine vatikanische Schweizer Garde am letzten Tag der Bischofssynode / © Fabio Frustaci ( dpa )

Nersinger: Ja, da müssen wir uns etwas überraschen lassen, weil wir nicht genau wissen, was Papst Franziskus entscheidet. Zum Beispiel ist eine zeremonielle Totenwache, die sonst bei einem verstorbenen Papst die Schweizergarde übernimmt, für einen emeritierten Papst eigentlich nicht vorgesehen. Die Schweizergarde ist ja in dem Moment, in dem der Papst zurückgetreten ist, von ihm gewichen und die Sicherheit hat die Gendarmerie übernommen. Da wird man fragen müssen: Was geschieht jetzt? Wird es trotzdem eine Ehrenwache der Schweizergarde geben?

Ich denke, das liegt dann vollkommen in der Hand von Papst Franziskus. Wir wissen, dass am 29. Dezember der Papst den Kommandanten der Schweizergarde empfangen hat. Aber da müssen wir uns überraschen lassen.  

Ulrich Nersinger, Vatikanexperte

"Eine zeremonielle Totenwache, die bei einem verstorbenen Papst sonst die Schweizergarde übernimmt, ist für einen emeritierten Papst eigentlich nicht vorgesehen."

Es gibt auch einige Sachen, die liturgisch zu beachten sind: Normalerweise wird ja ein im Amt verstorbener Metropolit-Erzbischof oder ein Papst mit dem Pallium bekleidet. Wenn er aber nicht mehr im Amt war, ist es eigentlich Usus gewesen und auch Vorschrift, das zeremonielle Episcoporum, also das Zeremonienbuches der Kirche, und das zusammen gefaltete Pallium dem Würdenträger unter den Kopf zu legen. Aber das sind alles Sachen, wo wir uns überraschen lassen müssen, weil das in der Hand des regierenden Papstes liegt.  

DOMRADIO.DE: Ab morgen wird Papst Benedikt im Petersdom in Rom aufgebahrt. Schauen wir noch mal nach Deutschland. Wenn ein Papst stirbt, dann gibt es normalerweise an den Kirchtürmen Trauergeläut. In Köln hat gestern der "Dicke Pitter" geläutet. Ist das angemessen?  

Nersinger: Ich denke schon. Wenn wir überlegen, dass so ein Trauergeläut jedem verstorbenen Gläubigen zugesteht -das hängt natürlich von der Gemeinde ab- ist es keine Besonderheit. Und warum soll man das nicht für einen emeritierten Papst machen?

In Rom selber ist es natürlich etwas schwieriger. Wenn dort anfangen, alle Glocken zu läuten, ist das für die Römer und für die meisten Leute natürlich ein Zeichen, dass der regierende Papst gestorben ist. Aber ich denke, in den Diözesen sollte man durchaus auch den verdienstvollen verstorbenen Papst durch Trauergeläut und andere liturgische Formen ehren. 

Das Interview führte Oliver Kelch. 

Quelle:
DR
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