Kardinal Kasper würdigt den verstorbenen Benedikt XVI.

"Als Deutsche können wir stolz sein auf diesen Papst"

Als Professoren und Kardinäle lagen sie des Öfteren im theologischen Disput: Walter Kasper und Joseph Ratzinger, der spätere Benedikt XVI. Bis zuletzt stand Kasper als ehemaliger Kurienkardinal im Austausch mit dem emeritierten Papst.

Papst Benedikt und Walter Kardinal Kasper (links) begegnen sich 2006 beim Deutschland-Besuch des Papstes. (KNA)
Papst Benedikt und Walter Kardinal Kasper (links) begegnen sich 2006 beim Deutschland-Besuch des Papstes. / ( KNA )

KNA: Herr Kardinal, als Theologen haben Sie und der Verstorbene nicht selten kontroverse theologische Debatten geführt, Sie waren keineswegs immer einer Meinung...

Walter Kardinal Kasper / © Francesco Pistilli (KNA)
Walter Kardinal Kasper / © Francesco Pistilli ( KNA )

Walter Kardinal Kasper (früherer Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen): Unsere Wege haben sich in den vergangenen 60 Jahren immer wieder gekreuzt, und es stimmt, wir haben gelegentlich Debatten geführt.

Aber das gehört sich für die Theologie und ist normal. Aber wir waren einander immer verbunden und haben einen freundschaftlichen Kontakt gehabt. Noch vor 20 Tagen hat er mir einen sehr lieben Brief geschrieben, der jetzt gerade vor mir liegt.

KNA: Worin bestehen seine bleibenden Verdienste als Theologe und als Papst?

Kasper: Er war ein bedeutender Theologe, das ist gar keine Frage. Und sein Hirtenamt hat darin bestanden, die Wahrheit zu sagen und den Menschen Orientierung zu geben.

Walter Kardinal Kasper

"Sein Hirtenamt hat darin bestanden, die Wahrheit zu sagen und den Menschen Orientierung zu geben"

Und das ist ihm gelungen, und deshalb hängen ihm auch jetzt noch viele Menschen nach, obwohl er schon fast zehn Jahre emeritiert ist. Auch ich bin sehr betroffen von seinem Tod und werde gleich im Petersdom für ihn beten.

KNA: Sie haben lange im selben Haus gewohnt wie Kardinal Ratzinger. Wie war das?

Kasper: Er wohnte zwei Stockwerke über mir, und da sind wir uns natürlich immer wieder begegnet und haben auch miteinander geplaudert. Er war ein sehr freundlicher Mensch, und er hat gerne über theologische Fragen diskutiert. Natürlich gab es da auch immer wieder unterschiedliche Akzente, aber über die konnte man sich mit ihm gut verständigen. Auch als er Papst war, gab es zwischen uns manchen Disput, aber das haben wir dann nicht öffentlich gemacht. Ich habe jedenfalls eine sehr gute Erinnerung an alle Gespräche mit ihm.

KNA: Und wie hat er die Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland in den letzten Jahren gesehen? Hat er den Synodalen Weg verfolgt?

Kasper: Er war ja bis ganz kurz vor Schluss völlig luzide und hat selbstverständlich auch die Probleme in Deutschland mit verfolgt.

Walter Kardinal Kasper

"Benedikt war schon auch besorgt über die ganze Entwicklung, die sich in Deutschland abzeichnet."

Nur hat er dazu natürlich nicht mehr öffentlich Stellung bezogen. Aber er war schon auch besorgt über die ganze Entwicklung, die sich in Deutschland abzeichnet.

KNA: Spielte der nahende Tod in seinem letzten Brief an Sie eine Rolle?

Kasper: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte ihm das 50 Seiten lange Nachwort, das ich gerade meinem Ekklesiologie-Buch "Die Kirche Jesu Christi" beigefügt habe, geschickt. Und da hat er sehr freundschaftlich darauf reagiert und sich bedankt. 

KNA: Was bleibt von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.?

Kasper: Er war ein bedeutender Theologe und ein bedeutender Papst. Leider ist er vor allem in Deutschland oft missverstanden worden. Aber ich denke, das wird sich nun im Rückblick nach seinem Tod ändern. Auf jeden Fall war er für Jahrhunderte der einzige deutsche Papst, und ich denke, wir können als Deutsche stolz sein auf diesen Papst.

Das Interview führte Ludwig Ring-Eifel von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA).

Die wichtigsten Leitlinien des Denkens von Joseph Ratzinger

Benedikt XVI. war der erste Papst der Neuzeit, der freiwillig sein Amt abgab. Dabei berief er sich auf sein Gewissen - obwohl er dieser Instanz stets misstraute und theologisch ganz andere Schwerpunkte setzte. Wie wohl kein Papst vor ihm ist Benedikt XVI. auch auf dem Stuhl Petri ein Theologe geblieben.

Bereits als junger Wissenschaftler gehörte er zu den führenden deutschen Dogmatik-Professoren, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) prägten. Später entfremdete er sich immer mehr von seinen Kollegen.

Papst em. Benedikt XVI. am Schreibtisch / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Papst em. Benedikt XVI. am Schreibtisch / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA