Vatikandiplomat beschwört "Geist von Helsinki"

"Um des Gemeinwohls willen"

Vatikan-Außenminister Richard Gallagher hat vor der OSZE den "Geist von Helsinki" beschworen. Die friedenssichernde Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sei derzeit in Gefahr.

OSZE-Flaggen vor einem Kongresszentrum / © Karl Allen Lugmayer (shutterstock)
OSZE-Flaggen vor einem Kongresszentrum / © Karl Allen Lugmayer ( shutterstock )

Das sagte der Kurienerzbischof laut dem Portal Vatican News (Freitag) in seiner Rede beim OSZE-Gipfel im polnischen Lodz. "Dialog verlangt jeder Seite Opfer ab", so Gallagher. Auch wenn Dialog "weniger glorreich" wirke als zu kämpfen; die Resultate seien doch "um vieles besser für alle Beteiligten".

Paul Richard Gallagher / © Cristian Gennari (KNA)
Paul Richard Gallagher / © Cristian Gennari ( KNA )

"Untreue zu Helsinki hat lange vor Februar begonnen"

Die Staatenkonferenz zur Friedenssicherung spielte nach ihrer Gründung 1975 im finnischen Helsinki eine wichtige Rolle bei der Überwindung des Kalten Krieges, auch weil die Sowjetunion und inzwischen Russland zu ihr gehörten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat von den polnischen Gastgebern des Gipfels in Lodz kein Visum erhalten; der russische OSZE-Botschafter nahm aber an dem Treffen teil. Russland blockiert die Arbeit von OSZE-Beobachtern in der Ukraine.

Der Vatikan-Vertreter erinnerte in seiner Rede an den Ukraine-Krieg; dieser wiege besonders schwer. Es gebe aber noch in einer Reihe weiterer OSZE-Mitgliedstaaten ernsthafte Bedrohungen ihrer Sicherheit und Stabilität, sagte Gallagher und fragte: "Warum haben wir den Geist von Helsinki verraten?" Der Erzbischof räumte ein: "Wir alle müssen doch zugeben, dass unsere Untreue zu Helsinki lange vor dem Februar begonnen hat", mithin vor dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Trotz Unterschiede an einem Tisch

Während des Kalten Krieges, so Gallagher, hätten sich "unsere Vorgänger in Helsinki trotz aller radikalen Unterschiede und der Unvereinbarkeit ihrer Systeme trotzdem an einen Tisch gesetzt und es geschafft, über Themen von gemeinsamem Interesse zu sprechen und um des Gemeinwohls willen Vereinbarungen einzugehen." Von diesem Weg sei die OSZE-Gemeinschaft abgekommen. "Je länger die internationale Gemeinschaft eine Antwort auf die drängenden Herausforderungen verschiebt, desto mehr Glaubwürdigkeit wird sie verlieren", warnte der Vatikan-Diplomat.

Man dürfe nicht "bei der Verurteilung von Verbrechen und der Anklage von Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts" stehenbleiben, so wichtig das auch sei, mahnte Gallagher; und weiter: "Als eine Organisation, der es um Zusammenarbeit und Sicherheit geht, sollten wir immer einen Schritt weitergehen mit dem Ziel, den Frieden wiederherzustellen."

Papst bietet weiterhin Vermittlung an

Der Heilige Stuhl ruft, zuweilen zum Missfallen der Ukraine, immer wieder zu Gesprächen zwischen Moskau und Kiew auf. Zugleich zog sich Papst Franziskus unlängst durch die Bemerkung, Tschetschenen und andere nicht-russische Kämpfer aufseiten der russischen Armee gingen mit besonderer Grausamkeit gegen Ukrainer vor, auch Zorn des russischen Außenministeriums zu. Weiterhin bietet Franziskus beiden Seiten eine Vermittlerrolle des Vatikan an.

OSZE

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist die größte regionale Organisation kollektiver Sicherheit der Welt. Ihr gehören 57 Staaten an, darunter die Staaten Europas einschließlich Russlands und der Türkei, die Mongolei, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie Kanada und die USA.

OSZE-Flaggen vor einem Kongresszentrum / © Karl Allen Lugmayer (shutterstock)
OSZE-Flaggen vor einem Kongresszentrum / © Karl Allen Lugmayer ( shutterstock )
Quelle:
KNA