Vatikanbeamte verlesen die Reden des kranken Franziskus

Die "Stimmen des Papstes" sind plötzlich sichtbar

Kurienbeamte treten in der Öffentlichkeit selten in Erscheinung, sie arbeiten meist im Hintergrund. Doch jetzt ist ihr Chef, Papst Franziskus, krank. Schon drei von ihnen haben dem Kirchenoberhaupt ihre Stimme geliehen.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Paolo Braida sitzt neben Papst Franziskus und liest für ihn die Ansprache zu den Gläubigen vor am 26. November 2023. Papst Franziskus hat einen Infusionszugang an seiner Hand. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Paolo Braida sitzt neben Papst Franziskus und liest für ihn die Ansprache zu den Gläubigen vor am 26. November 2023. Papst Franziskus hat einen Infusionszugang an seiner Hand. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Papst Franziskus hat abermals eine Grippe und deshalb Probleme mit dem Sprechen. Auf öffentliche Auftritte und Termine im Vatikan verzichtet der 87-Jährige trotzdem nicht. 

Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt Papst Franziskus am 2. März 2024 im Vatikan / © VaticanMedia/Romano Siciliani (KNA)
Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt Papst Franziskus am 2. März 2024 im Vatikan / © VaticanMedia/Romano Siciliani ( KNA )

Seit Bekanntwerden der jüngsten Erkrankung am 24. Februar hat er rund 20 Mal Einzelpersonen und Gruppen empfangen – und das sind nur die Treffen, die der Vatikan offiziell bekannt gegeben hat. Unter den Besuchern war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Hinzu kommen inoffizielle Termine, die Mittagsgebete auf dem Petersplatz und die Generalaudienzen, die Franziskus trotz Erkrankung absolviert. Bei mehreren dieser Gelegenheiten sprach er die vorbereiteten Texte aber nicht selbst. So auch am Mittwoch, als die Generalaudienz zum ersten Mal in diesem Jahr wieder draußen vor dem Petersdom stattfand.

"Einer meiner Helfer"

Bei vorfrühlingshaften zwölf Grad sagte der Papst in einen weißen Mantel gehüllt entschuldigend: "Die Katechese von heute liest ein Monsignore vor, einer meiner Helfer, weil ich noch erkältet bin und nicht gut lesen kann." Daraufhin trat wenige Meter von Franziskus entfernt der Priester Pierluigi Giroli an ein Mikrofon und trug einen Text über die Todsünde des Hochmuts vor.

Der 54-Jährige mit der Glatze und der unauffälligen Brille blickte kaum einmal vom Blatt auf. Trotzdem konnte ihm sein Publikum gut folgen dank des ruhigen Tempos und der angenehmen Bass-Stimme, die an einen Märchenvorleser im Kinderradio erinnerte.

Kaum im Rampenlicht

Der gebürtige Mailänder leitete früher die Kalvarienberg-Wallfahrtsstätte in Domodossola im Piemont. Im Internet findet sich ein Video von 2016, in dem er als Wallfahrtsrektor über ein Fest zu Ehren des Seligen Antonio Rosmini spricht. Sonst sind kaum Informationen über Giroli zu finden.

Auch die anderen "Stimmen des Papstes" standen bislang nicht im Rampenlicht. Das änderte sich am 26. November. Damals hatte Franziskus eine Infektion an der Lunge und konnte – ähnlich wie derzeit – keine längeren Texte vortragen. Das sonntägliche Mittagsgebet wurde wegen der kühlen Temperaturen in die Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta verlegt und live übertragen. An einem Tisch saßen Franziskus und Prälat Paolo Braida, Jahrgang 1959, direkt nebeneinander. Der Italiener schreibt häufig die Ansprachen für den Papst.

Lebendige Intonation und kehliges "R"

Das Kirchenoberhaupt stellte seinen Mitarbeiter zu Beginn augenzwinkernd mit den Worten vor: "Er kennt diese Gedanken gut, denn er hat sie geschrieben. Er macht das immer sehr gut." Dann überließ der Papst dem Prälaten das Wort.

Filippo Ciampanelli (r.), Mitglied des vatikanischen Staatssekretariats, liest die Ansprache vor bei der Generalaudienz mit Papst Franziskus, am 28. Februar 2024 / © Lola Gomez/CNS photo (KNA)
Filippo Ciampanelli (r.), Mitglied des vatikanischen Staatssekretariats, liest die Ansprache vor bei der Generalaudienz mit Papst Franziskus, am 28. Februar 2024 / © Lola Gomez/CNS photo ( KNA )

Drei Tage später – zur Generalaudienz am Mittwoch – übernahm der jüngere und telegenere Kurienbeamte Filippo Ciampanelli die Aufgabe des Vorlesers. Der 45-Jährige gab mit zugleich fester und einfühlsamer Stimme und einem norditalienischen "R", das eher aus der Kehle kommt, die Katechese des Papstes wieder. Wortgenau hielt sich der dunkelhaarige Monsignore in der schwarzen Soutane ans Manuskript – anders als es oft Franziskus' Art ist – und verlieh den Worten durch seine lebendige Intonation Nachdruck.

Leidenschaft für die Weltkirche

Bevor er 2015 ins Staatssekretariat wechselte, arbeitete Ciampanelli in den Vatikan-Botschaften in Georgien und Belarus. Die Leidenschaft für die Weltkirche könnte sein Onkel Francesco – ebenfalls ein Priester – geweckt haben. Als der 2022 gestorben war, erinnerte sein Neffe bei der Beerdigung an den lebensgefährlichen Einsatz des Pfarrers in Peru ab Ende der 80er Jahre.

In einem Brief habe der Onkel die dramatische Lage vor Ort geschildert. Die terroristische Guerillaorganisation "Leuchtender Pfad" habe bereits den Bürgermeister und den Präfekten umgebracht. "Jetzt bleibt nur noch der Pfarrer übrig. Auf Wiedersehen im Paradies, falls wir uns vorher nicht mehr sehen", zitierte Ciampanelli aus dem Brief.

Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring (KNA)
Giovanni Angelo Becciu / © Paul Haring ( KNA )

Für gewöhnlich im Hintergrund

Im Vatikan fing der Neffe in der Abteilung "Allgemeine Angelegenheiten" an – als direkter Mitarbeiter von Kardinal Angelo Becciu (75). Der Sarde machte in den vergangenen Jahren als Hauptfigur in einem spektakulären Finanzprozess Schlagzeilen. Im Dezember verurteilte ihn das vatikanische Strafgericht zu fünfeinhalb Jahren Haft.

Wie Ciampanelli den Becciu-Prozess erlebte, ist nicht bekannt. Kurienbeamte bleiben für gewöhnlich im Hintergrund. Zumindest solange ihr Chef gesund ist.

Römische Kurie

Die Römische Kurie ist die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Dazu gehören das Staatssekretariat, Kongregationen, Gerichtshöfe, Dikasterien und Päpstliche Räte sowie die Kommissionen. 

Seit der Kurienreform von 1967 unter Papst Paul VI. hatte das Staatssekretariat eine Vorrangstellung unter den Kurienbehörden. Für neue Aufgaben schuf er weitere Sekretariate und Räte, so für Ökumene, für den Dialog mit Nichtchristen und Nichtglaubenden, für Familie und Laien.

Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei (KNA)
Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei ( KNA )
Quelle:
KNA