Vatikan setzt weiter auf stille Diplomatie und langfristige Lösungen

"Das ist letztendlich Showbusiness"

Trump und Putin treffen sich heute auf einer US-Militärbasis in Alaska. Als Ort war lange der Vatikan im Gespräch. Der ist nun außen vor. Hat die vatikanische Diplomatie noch Chancen, wenn Staatschefs auf medienwirksame Bilder setzen?

Autor/in:
Moritz Mayer
Werden am Freitagabend wieder aufeinandertreffen: der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und sein US-Amerikanischer Amtskollege Donald Trump. / © Evan Vucci (dpa)
Werden am Freitagabend wieder aufeinandertreffen: der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und sein US-Amerikanischer Amtskollege Donald Trump. / © Evan Vucci ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin findet auf einer US-Militärbasis in Alaska statt – und eben nicht auf neutralem Gelände im Vatikan. Was sagt das über die heutige Diplomatie und ihre Schauplätze aus?

Ralph Rotte (Professor für Internationale Beziehungen): Das hat zwei zentrale Faktoren. Der erste ist eher kurzfristig und an die Personen gebunden: Herr Trump und Herr Putin haben gar kein Interesse daran, irgendjemand Dritten mit einzuschalten. Das würde ihrem Selbstverständnis widersprechen, hier die großen Macher zu sein.

Prof. Dr. Ralph Rotte / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Prof. Dr. Ralph Rotte / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Abgesehen davon, dass Putin vielleicht gar kein großes Interesse daran hat, heute wirklich zu einem konkreten Ergebnis zu kommen. Er hat ziemliche Maximalforderungen aufgestellt, von denen er faktisch nicht groß weg kann. 

Der zweite ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass es sowas wie eine tendenzielle Veränderung von Diplomatie gibt. Wir sprechen im internationalen Bereich von Public Diplomacy, die wichtiger wird. Entsprechend geht es sehr stark um Öffentlichkeitswirksamkeit. 

Das widerspricht der Tradition der vatikanischen Soft Diplomacy, wie Leo XIV. sie nennt, die eher ruhig und langfristig ausgerichtet ist. Dabei versucht man sich stückchenweise an die Probleme anzunähern und sie in schwieriger Kleinstarbeit aufzulösen.

Das steht den sozialen Medien gegenüber, wo es um kurze, schnelle, schreiende Informationen geht. Wenn dazu eine Persönlichkeit wie Donald Trump dazukommt, die nur in eigener Publicity denkt, dann ist klar, dass der Vatikan für die kurzfristige Diplomatie keine große Rolle spielt, was nicht heißt, dass er jetzt völlig außen vor ist.

 © Mark Schiefelbein (dpa)
© Mark Schiefelbein ( dpa )
Bilder, die er mag: Trump der Dealmker. Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev (links) und Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan (rechts) unterzeichnen Friedensvereinbarungen im Beisein von US-Präsident Trump.

Es gibt verschiedene Initiativen von Seiten des Vatikans, die versuchen, diese längerfristige Diplomatie wiederzubeleben. Wir müssen wahrscheinlich davon ausgehen, dass es zu dieser längerfristigen und schwierigen Diplomatie gar keine Alternative gibt – trotz des heutigen Treffens in Alaska.

DOMRADIO.DE: Hat die Geheimdiplomatie, wie die des Vatikans, überhaupt noch eine Chance, wenn Politiker wie Trump und Putin eher auf diese großen Bilder und gestellten Interviews setzen?

Rotte: Zumindest dann, wenn wir davon ausgehen, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem beide Seiten oder alle Beteiligten ein Interesse daran entwickeln, das Problem wirklich zu lösen und den Krieg beizulegen.

Dann ist diese alte Diplomatie mit einer längerfristigen Perspektive wieder gefragt. Dann spielt vielleicht auch ein Vermittler wie der Vatikan wieder eine größere Rolle.

Ein Ort der Diplomatie und des Dialogs: Im Vatikan unterhalten sich am Tag der Beerdigung von Papst Franziskus der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) und US-Präsident Donald Trump. / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Service/AP (dpa)
Ein Ort der Diplomatie und des Dialogs: Im Vatikan unterhalten sich am Tag der Beerdigung von Papst Franziskus der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (r) und US-Präsident Donald Trump. / © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Service/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Heißt das, dass das eigene Ego-Boostern jetzt wichtiger ist als eine dauerhafte Friedens- und Konfliktlösung?

Rotte: Ich glaube ja. Gerade die kurzfristigen Bilder und dieses mediale Posen führen nicht zu einer nachhaltigen Bearbeitung der Konflikte, sondern zu kurzfristigen Scheinlösungen. Vielleicht entsteht ein kurzer Waffenstillstand, aber fundamentale geostrategische und geopolitische Probleme werden sie wahrscheinlich so nicht gelöst bekommen.

Benachbarte Akteure spielen in solch kurzfristigen Aktionen keine Rolle. Entsprechend unwahrscheinlich ist eine nachhaltige Wirkung, die Konfliktpotenzial dauerhaft entschärft.

Ralph Rotte

"Die attraktive Position des Vatikans erklärt sich dadurch, dass er eben keine wirklichen Machtmittel zur Verfügung hat."

DOMRADIO.DE: Aber dafür kann der US-Präsident Wladimir Putin ein echtes Angebot machen. Trump überlegt, Russland die Nutzung der Rohstoffe rund um Alaska zu erlauben. Solche territorialen oder wirtschaftlichen Angebote hat der Vatikan nicht.

Rotte: Ja, aber die attraktive Position des Vatikans erklärt sich dadurch, dass er eben keine wirklichen Machtmittel zur Verfügung hat, sondern gute Dienste leisten kann. Da muss man nicht vermuten, dass irgendwelche eigenen machtpolitischen Interessen dahinterstecken.

Anders als bei Trump: Wenn der ein Angebot macht, dann wird man sich wundern und überlegen, was dahintersteckt, denn sein Ziel ist es, sich selbst und die Vereinigten Staaten möglichst gut zu stellen. Der Rest der Welt ist ihm ziemlich egal. Das führt dazu, dass jedes Verhandlungsangebot mit großer Skepsis betrachtet werden muss.

Alaska ist reich an natürlichen Ressourcen. Medienberichten zufolge erwägt Trump, insbesondere Alaskas Öl- und Gasreserven für Russland zu öffnen.  / © Robert Frashure (shutterstock)
Alaska ist reich an natürlichen Ressourcen. Medienberichten zufolge erwägt Trump, insbesondere Alaskas Öl- und Gasreserven für Russland zu öffnen. / © Robert Frashure ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Jetzt hat der Vatikan aber ein neues Oberhaupt. Anders als im Kalten Krieg, als mit dem Polen Johannes Paul II. ein Mann des "Ostblocks" Papst war, ist es mit Leo XIV. ein Mann aus dem Westen. Kann dieser US-Amerikaner in Putins Augen neutral vermitteln?

Rotte: Das ist möglicherweise schwierig. Es erklärt auch, warum Leo sich verhältnismäßig bedeckt hält und in den verschiedenen Konflikten auf der Welt auf die klassische vatikanische Diplomatie setzt. Er startet immer wieder Appelle, dass man sich doch zusammensetzen möge und eine Lösung finde. Aber bisher hat er noch kein wirklich konkretes Angebot gemacht.

Anders als Johannes Paul II.: Er hat sich im Beagle-Konflikt, dem Streit zwischen Chile und Argentinien, persönlich hineingehängt. Leo XIV. macht das nicht. Das kann zum einen daran liegen, dass er erstmal klarmachen muss, dass er kein Ableger der Vereinigten Staaten ist, nur weil er US-Amerikaner ist.

Michail Gorbatschow und Papst Johannes Paul II. 1989 im Vaikan / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Michail Gorbatschow und Papst Johannes Paul II. 1989 im Vaikan / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Zum anderen hat er gerade im Konflikt um die Ukraine einen gewissen Ballast von seinem Vorgänger abzuarbeiten. Franziskus hatte sich den Vorwurf eingehandelt, vielleicht zu prorussisch zu sein – aus guten Gründen humanitärer Art.

Da scheint Leo XIV. jetzt vorsichtig zu sein und erstmal zu versuchen, stille Diplomatie zu machen, um nicht in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten.

Dann ist da die Frage des persönlichen Charismas eines Papstes. Das war bei Johannes Paul II. von Anfang an da – gerade was seine Herkunft angeht. Das muss sich Leo erst erarbeiten. Das sind Faktoren, die letztlich dazu führen mögen, dass er da insgesamt ein bisschen leiser auftritt, als das manche Vorgänger gemacht haben.

Ralph Rotte

"Die Europäer haben über Jahrzehnte verschlafen, dass der Rest der Welt nicht so friedlich ist."

DOMRADIO.DE: Positionen formulieren und dann schauen, wie man zu einer gemeinsamen Linie findet, das machen auch die Europäer. Dennoch sind sie beim heutigen Treffen außen vor. Wie können sie aus dieser Defensive rauskommen?

Rotte: Ich glaube, das zentrale Problem der Europäer ist im Augenblick, dass sie von keinem der großen Akteure wirklich ernst genommen werden. Das liegt letztlich am Stichwort "Zeitenwende". 

Die Europäer haben über Jahrzehnte verschlafen, dass der Rest der Welt nicht so friedlich ist und dass man sich als Europäische Union so aufstellen muss, dass man auch machtpolitisch ernst genommen wird. In gewisser Weise erinnert es an die Position des Vatikan. Man ist relativ machtlos. 

Bundeswehrsoldaten in Litauen: Laut Experten liegt hier eine der Achillesfersen der NATO. Russland könnte nach der Ukraine als erstes hier angreifen, um eine Landverbindung zu seiner Exklave in Kaliningrad herzustellen. / © Michael Kappeler (dpa)
Bundeswehrsoldaten in Litauen: Laut Experten liegt hier eine der Achillesfersen der NATO. Russland könnte nach der Ukraine als erstes hier angreifen, um eine Landverbindung zu seiner Exklave in Kaliningrad herzustellen. / © Michael Kappeler ( dpa )

Der Unterschied zum Vatikan ist aber, dass Europa ziemlich abhängig ist und implizit Angst hat. Das ist ein fundamentales Problem. Dazu kommt, dass die Europäer kein wirkliches Interesse daran haben, dass dieser Krieg in der Ukraine schnell beendet wird. 

So hart das klingt, letztendlich erkauft uns die Ukraine Zeit, damit wir militärisch widerstandsfähig werden. Die Angst geht um, dass mit dem Ende des Ukraine-Kriegs in ein, zwei Jahren irgendwelche NATO-Staaten das nächste Ziel russischer Aggression werden. 

Ralph Rotte

"Aber ich glaube nicht, dass irgendwas dahintersteckt."

Darauf sind die Europäer nicht eingestellt und auf die Amerikaner können sie sich unter Trump nicht verlassen. Dann kommen wir zu dem extrem zynischen Ergebnis, dass aus einer strategischen Perspektive der Krieg weitergehen müsste, damit die Russen beschäftigt bleiben.

DOMRADIO.DE: Blicken wir auf den Gipfel heute Abend: Was erwarten Sie davon? 

Rotte: Nicht besonders viel. Ich kann mir vorstellen, dass sich beide Seiten auf so eine Art Waffenstillstandsprogramm einigen. Aber dieses Programm wird kaum umgesetzt werden können, weil Russland Forderungen hat, die die Ukraine unter keinen Umständen akzeptieren kann. Man wird versuchen, eine Art Formelkompromiss zu finden, und man wird versuchen, gute Bilder zu schaffen. 

Wladimir Putin (l.) und Donald Trump (Archivbild) / © Jorge Silva/Reuters Pool (dpa)
Wladimir Putin (l.) und Donald Trump (Archivbild) / © Jorge Silva/Reuters Pool ( dpa )
Werden am Freitagabend wieder aufeinandertreffen: der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und sein US-Amerikanischer Amtskollege Donald Trump.

Trump wird das irgendwie als Erfolg verkaufen, auch im Hinblick darauf, dass er wahrscheinlich keine wirklichen Konsequenzen daraus ziehen muss. Putin wird darauf ausgerichtet sein, angedrohte Wirtschaftssanktionen und massivere Militärhilfe für die Ukraine zu verhindern. Deswegen wird er versuchen, Trump Honig ums Maul zu schmieren.

Am Schluss werden beide versuchen, das Ganze als tolles Ereignis zu verkaufen, vielleicht sogar als Startpunkt eines Friedensprozesses. Aber ich glaube nicht, dass irgendwas dahintersteckt. Denn zentrale andere Akteure, die Ukraine und auch die Europäer, sind gar nicht vertreten. Das ist letztendlich Showbusiness, was da heute passiert. 

Das Interview führte Moritz Mayer.

(Stand: 15.08.2025, 16:00 Uhr)

Vatikandiplomatie

Der Heilige Stuhl unterhält derzeit diplomatische Beziehungen zu 183 Staaten weltweit. Hinzu kommen die EU und der Souveräne Malteserorden. 88 Staaten sowie die EU und der Malteserorden lassen ihre Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom residieren. Ferner sind die Arabische Liga, die Internationale Organisation für Migration und das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR mit eigenen Gesandten beim Vatikan vertreten.

Vatikanflagge zwischen USA-Flaggen / © Michael Reynolds (dpa)
Vatikanflagge zwischen USA-Flaggen / © Michael Reynolds ( dpa )
Quelle:
DR

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