Vatikan nennt Sterbehilfe für Kinder grausam

Kopfschütteln über Belgien

Die Empörung über die belgische Entscheidung zur Sterbehilfe für Kinder reißt nicht ab. Es sei schrecklich, was dort geschehe, heißt es aus dem Vatikan. In Deutschland geht unterdessen die Debatte über ein Verbot organisierter Sterbehilfe weiter.

Hospiz: Begleitung statt Sterbehilfe (epd)
Hospiz: Begleitung statt Sterbehilfe / ( epd )

Der Vatikan hat das belgische Gesetz zur aktiven Sterbehilfe für Kinder als grausam bezeichnet. "Schrecklich, wenn man nur daran denkt, was da geschieht", sagte Kardinal Elio Sgreccia. Kardinal Sgreccia sagte am Samstag Radio Vatikan, es sei "monströs", was inzwischen mit Kindern geschehe, "nicht nur vor, sondern auch nach der Geburt". Ein "bisschen Mitleid und menschliches Mitgefühl würde doch schon genügen, um bestimmte Dinge auszuschließen". Der italienische Bioethiker leitete von 2005 bis 2008 die Päpstliche Akademie für das Leben.

Die belgischen Bischöfe erklärten in einer Stellungnahme, sie seien enttäuscht von dem Beschluss des Parlaments, einem Kind das Recht zu geben, seinen eigenen Tod zu verlangen: "Dies verletzt das Verbot zu töten." Das Gesetz stelle die Basis des menschlichen Zusammenlebens infrage. Nach Ansicht der Bischöfe steht nun die Tür offen, um auch Behinderte, Demenzkranke, Geisteskranke oder Lebensmüde in die aktive Sterbehilfe einzubeziehen.

Euthanasie außer Kontrolle

Auch in Deutschland reißt die Kritik am belgischen Parlamentsentscheid nicht ab. Belgien sei ein Beispiel dafür, wie "Euthanasie außer Kontrolle geraten kann", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand.

Ihn erschrecke die Vorstellung, dass Kinder "hier in eine Verantwortung gebracht werden sollen, in die wir sie nicht bringen dürfen", sagte Brand am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Inzwischen werde in Belgien schon über Sterbehilfe für Demenzkranke beraten: "Das ist nicht meine Vorstellung, wie unsere Gesellschaft aussehen soll, dass wir diejenigen, die schwach sind, ob sie jung oder alt sind, über den Jordan befördern."

Brand forderte für Deutschland ein striktes Verbot organisierter Sterbehilfe. "Wir können das Leben nicht verfügbar machen", sagte der Fuldaer Bundestagsabgeordnete, der in der Unionsfraktion ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen soll. Den Menschen solle nicht "zum Sterben, sondern beim Sterben" geholfen werden: "Wir müssen die Hospizarbeit ausbauen, die Palliativmedizin ausbauen und wir müssen gleichzeitig verhindern, dass die Selbsttötung und die Beihilfe zur Selbsttötung eine ganz normale Option wird."

Die Beihilfe zu Selbsttötung sollte aus Sicht von Brand weiter straffrei bleiben. "Aber eine organisierte Form, wo Vereine Geld damit machen oder wo nicht ausgebildete Leute am Ende glauben, sie könnten entscheiden, ob derjenige jetzt den Platz wechselt vom Diesseits ins Jenseits, das kann doch nicht die Lösung sein", sagte der CDU-Politiker.

Nötige Diskussion

In Deutschland kritisierte auch der Deutsche Kinderhospizverein die belgische Gesetzesänderung. Der Verein mit Sitz im sauerländischen Olpe begrüßte am Freitag in einer Mitteilung aber die Diskussion, die nun auch in Deutschland ausgelöst wurde. "Wir lehnen aktive Sterbehilfe in jeder Form ab. Kinder wollen leben", teilte der Verein mit. Bei der Arbeit in bundesweit 20 ambulanten Kinder- und Jugendhospizdiensten habe noch nie ein Kind den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe geäußert. Stattdessen fordert der Verein einen Ausbau der begleitenden Hospizarbeit und der palliativmedizinischen Versorgung.

Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) verurteilte die Pläne als "skandalös". Dies sei "eine Entscheidung gegen die Schwächsten in der Gesellschaft. Sie widerspricht jeglicher Vorstellung von Mitmenschlichkeit."

Deutsche Lösung noch offen

Derzeit bereitet der Bundestag in Berlin eine Reform vor, organisierte Sterbehilfe soll verboten werden. Bislang ist aktive Sterbehilfe in Deutschland untersagt; wer jemanden auf dessen Wunsch tötet, muss mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Erlaubt ist hingegen passive Sterbehilfe, bei der Ärzte lebenserhaltende Maßnahmen beenden und etwa das Beatmungsgerät abschalten.

Unter der Regierung von Union und FDP war ein Gesetz zum Verbot der Suizidbeihilfe gescheitert. Die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte einen Entwurf vorgelegt, nach dem nur die kommerziell ausgerichtete, also die erwerbsmäßige Sterbehilfe bestraft worden wäre. Der Union ging das nicht weit genug. Sie forderte ein Verbot jeglicher organisierter, sogenannter geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe, um auch Vereine, die sogenannte Suizidbegleitung anbieten, zu belangen.

König muss noch zustimmen

Das belgische Parlament hatte am Donnerstag einem Gesetzesvorschlag zugestimmt, nach dem die seit 2002 legale Sterbehilfe für Erwachsene auf Minderjährige ausgeweitet werden soll. Voraussetzung ist, dass das Kind unter "ständigen und unerträglichen" körperlichen Schmerzen leidet und der Tod in Kürze zu erwarten ist.

Die Gesetzesänderung dürfte in einigen Wochen in Kraft treten. Erst muss der belgische König Philippe das Gesetz noch unterzeichnen, was allgemein erwartet wird. Damit ist Belgien Vorreiter. Die Niederlande erlauben Ärzten zwar auch, schwerstkranken Jugendlichen auf Verlangen tödliche Medikamente zu verabreichen, allerdings erst ab einem Alter des Patienten von 12 Jahren.


Quelle:
epd , dpa