Vatikan kündigt diplomatischen Initiative an - Muslimische Proteste gehen weiter

Friedenswunsch aus Rom

Die Bemühungen des Vatikan um eine Klärung der missverstandenen Papstäußerungen zum Islam halten weiter an. Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone hat angekündigt, eine diplomatischen Initiative zu starten. Unterdessen halten in der muslimischen Welt die Proteste an. Trotz der persönlichen Klarstellung von Benedikt XVI.

 (DR)

Die Bemühungen des Vatikan um eine Klärung der missverstandenen Papstäußerungen zum Islam halten weiter an. Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone hat angekündigt, eine diplomatischen Initiative zu starten. Unterdessen halten in der muslimischen Welt die Proteste an. Trotz der persönlichen Klarstellung von Benedikt XVI. am Sonntag rief der einflussreiche Muslim-Führer Jusuf el Karadawi im Golfstaat Katar für den kommenden Freitag zu einem "Tag des friedlichen Zorns" auf. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland dagegen hat die Klarstellung des Papstes im domradio-Interview begrüßt.

Zentralrat der Muslime ruft zur Beruhigung auf
Die Erklärung sei der wichtigste Schritt gewesen, um die Proteste der vergangenen Tage zu beruhigen, erklärte der Zentralrat. Die Vereinigung rief die Muslime in der ganzen Welt auf, zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. "Die Klarstellungen sind ein wichtiger Schritt gewesen, um zu zeigen, dass der Vatikan nicht die Konfrontation mit dem Islam sucht."

Stein des Anstoßes für die Muslime wäre vor allem gewesen, dass Benedikt XVI. das umstrittene Zitat unkommentiert verwendet habe. In diesen angespannten Zeiten hätte sich der Zentralrat der Muslime vom Papst mehr Fingerspitzengefühl gewünscht. Der Verband verurteilte die Drohungen und Beleidigungen gegen Papst Benedikt.

Der Türkeibesuch des Papstes sei eine gute Chance, den Dialog zwischen Christen und Muslimen zu vertiefen. Politische und religöse Vertreter der Türkei hatten sich für eine Absage des Besuchs ausgesprochen. Die türkische Regierung hält bisher an der Einladung fest.

Bertone: Kritik an Bewertung der New York Times
Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone hat die Vatikan-Vertreter in islamisch geprägten Ländern beauftragt, den Regierungen seine Klarstellung vom vergangenen Samstag sowie die gesamte Papstrede zu überbringen. Er hoffe, dass die Erläuterungen verstanden würden, da der Papsttext "schwer manipuliert" worden sei, sagte Bertone nach einem Gottesdienst in Rom. Bertone sagte dem "Corriere della Sera" vom Montag, es habe auch "richtige Reaktionen" auf die Rede von Benedikt XVI. gegeben. Als Beispiel nannte er den Rektor der Moschee in Marseille. Dieser habe klargestellt, dass er sich "weder erstaunt noch verletzt" fühle, da die Papstrede eine Einladung zum Nachdenken über die Worte des Propheten bedeute.

Der Kardinal-Staatssekretär äußerte sich erneut zuversichtlich, dass die für Ende November geplante Türkei-Reise stattfinde. Der Dialog mit dem Islam gehe auf mehreren Ebenen weiter, so über diplomatische Kontakte und über den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog.

Irritiert äußerte sich Bertone über die Kritik "einiger Politiker" und "einer großen Zeitung". Ohne den Namen der "New York Times" namentlich zu nennen, sprach er von einem "sehr harten Angriff". Das Blatt hatte die Papstworte als "tragisch und gefährlich" bezeichnet und Benedikt XVI. vorgeworfen, "Zwietracht zwischen Christentum und der muslimischen Welt" zu säen.

Katar: "Tag des friedlichen Zorns" gefordert
Im Golfstaat Katar mahnte der einflussreiche Muslim-Führer Jusuf el Karadawi im Fernsehsender "El Dschasira", die Proteste müssten gewaltfrei bleiben. Auch in Indien, Pakistan und Indonesien forderten muslimische Gruppen eine weiter gehende Entschuldigung des Papstes. Nach Korrespondentenberichten zündeten rund 500 Demonstranten in der irakischen Stadt Basra eine Puppe an, die den Papst darstellen sollte. Dabei forderte die Menge eine deutlichere Entschuldigung von Benedikt XVI., der den Propheten Mohammed beleidigt habe.

Für die palästinensische Hamas betonte ein Sprecher, die Klarstellungen des Papstes könnten nicht als Entschuldigung verstanden werden. El Dschasira veröffentlichte auf seiner Internetseite eine Karikatur, bei der Benedikt XVI. die von seinem Vorgänger Johannes Paul II. frei gelassene Friedenstauben des Dialogs mit einem Gewehr vom Himmel schießt. Überschrieben ist die animierte Karikatur mit "Die Ära des neuen Vatikan".

Papst: Tiefes Bedauern
Papst Benedikt XVI. hatte bereits am Sonntag beim Angelus-Gebet in Castelgandolfo die Reaktionen auf seine Islam-Äußerungen in der Universität Regensburg zutiefst bedauert. In keiner Weise habe er die religiösen Gefühle gläubiger Muslime verletzen wollen. Er habe in der umstrittenen Rede zum Thema Islam und Gewalt lediglich einen mittelalterlichen Text zitiert, den er sich in keinster Weise zu Eigen mache.

Er äußerte die Hoffnung, dass der Streit bald beigelegt sei und der wahre Sinn seiner Ansprache klar werde, die eine Einladung zum Dialog in Respekt sein sollte, unterstrich das Kirchenoberhaupt vor rund 3.000 Gläubigen in Castelgandolfo. Die Äußerungen Benedikts am Sonntag gingen nicht über die Erklärung des Vatikans vom Vortag hinaus. Der Papst nahm seine Aussagen nicht zurück und entschuldigte sich auch nicht, wie es muslimische Geistliche gefordert hatten.

Benedikt XVI. beim Angelus im Wortlaut:
"Liebe Brüder und Schwestern, die Apostolische Reise nach Bayern, die ich in den vergangenen Tagen unternommen habe, war eine starke spirituelle Erfahrung. Darin vermischten sich persönliche Erinnerungen an mir vertraute Ort mit pastoralen Perspektiven für eine wirksame Verkündigung des Evangeliums in unserer Zeit. Ich danke Gott für den inneren Trost, dies erleben zu können. Zugleich bin ich allen dankbar, die aktiv zum Gelingen der Pastoralreise beigetragen haben. Darüber werde ich, wie es Tradition ist, bei der Generalaudienz am kommenden Mittwoch ausführlicher sprechen.

In diesem Moment möchte ich nur hinzufügen, dass ich zutiefst die Reaktionen bedauere, die durch einen kurzen Abschnitt meiner Rede in der Universität von Regensburg ausgelöst wurden, der als die Gefühle gläubiger Muslime verletzend aufgefasst wurde. Dabei handelte es sich um das Zitat eines mittelalterlichen Textes, der in keiner Weise mein persönliches Denken ausdrückt. Gestern hat der Herr Kardinal-Staatssekretär dazu eine Erklärung veröffentlicht, in der er den tatsächlichen Sinn meiner Worte erläutert hat. Ich hoffe, dass dies dazu beiträgt, die Gemüter zu beruhigen und die wahre Bedeutung meiner Rede deutlich zu machen, die in ihrer Gesamtheit eine Einladung zu einem offenen und aufrichtigen Dialog war und ist, in hohem gegenseitigen Respekt."

Italien erhöht Schutzmaßnahmen für Kirchen
Nach Drohungen gegen den Vatikan von islamistischen Gruppierungen im Internet hat Italien seine Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Der Schutz für Kirchen und kirchliche Einrichtungen solle verstärkt und die Beobachtung radikaler islamischer Gruppierungen und Zentren erweitert werden, geht aus einer Note des Innenministeriums vom Sonntag hervor.

In Castelgandolfo und rund um den Vatikan waren unterdessen keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen zu beobachten. Die Polizeipräsenz auf dem Petersplatz wurde bislang nicht sichtbar verstärkt. Allerdings schienen die bereits bislang üblichen Eingangskontrollen mit Metalldetektoren zum Petersdom gründlicher zu sein. Mit Beginn der Tourismus-Saison bildeten sich am Montagmittag lange Schlangen für Besucher der Vatikan-Basilika.

Katholische Ordensfrau in Somalia getötet
In Somalia ist am Sonntag eine italienische Ordensfrau erschossen worden. Der Mord soll offenbar im Zusammenhang mit der Reaktion auf die angebliche Verunglimpfung des Islam durch den Papst stehen, meldete Radio Vatikan unter Berufung auf das italienische Außenministerium. Fanatische Muslime sollen die Ordensfrau sowie einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in der Krankenpflegeschule einer Klinik in der Hauptstadt Mogadischu ermordet haben. Vatikansprecher Federico Lombardi sagte laut Vatikansender, er hoffe, dass dieser schreckliche Vorgang ein "isolierter Einzelfall" bleibe.

In dem Staat am Horn von Afrika ist mit dem Bürgerkrieg nach dem Sturz des Machthabers Siad Barre 1991 die staatliche Ordnung praktisch zusammengebrochen. Im Juni nahmen islamische Milizen, die große Gebiete im Süden des Landes kontrollieren, auch die Hauptstadt Mogadischu ein.
(KNA)