Vatikan und Islamwissenschaftler verteidigen Papst

"Papst hat islamische Welt nicht beleidigt"

Nach der heftigen Kritik von Muslimen in Deutschland und der Türkei hat der Vatikan Interpretationen der Papstäußerungen zurückgewiesen, nach denen Benedikt XVI. den Islam angegriffen habe. Dem Papst sei es generell um eine klare und radikale Zurückweisung religiös motivierter Gewalt gegangen.

 (DR)

Nach der heftigen Kritik von Muslimen in Deutschland und der Türkei hat der Vatikan Interpretationen der Papstäußerungen zurückgewiesen, nach denen Benedikt XVI. den Islam angegriffen habe. Dem Papst sei es generell um eine klare und radikale Zurückweisung religiös motivierter Gewalt gegangen. - Der Leiter des Referates für Interreligiösen Dialog und Weltanschauungsfragen des Erzbistums Köln, Werner Höbsch, meint im domradio-Interview, der Papst habe die islamische Welt nicht beleidigt, sondern im Gegenteil zum Dialog aufgerufen. - Der Islamexperte Hans-Peter Raddatz wirft im domradio-Interview dem Islam mangelnde Fähigkeit zum Dialog vor. Bereits beim Karikaturenstreit habe man gesehen, dass die westliche Gesprächskultur in der muslimischen Welt nur sehr schwach ausgeprägt sei. - Unterdessen wächst in der Türkei der Widerstand gegen den Papst-Besuch im November. Die Organisation der Islamischen Konferenz spricht von einer "Verleumdungskampagne" gegen den Propheten Mohammed.

Raddatz: "Aggressive Gesprächshaltung aus Zeiten der Religionskriege"
Den Islamexperten Hans-Peter Raddatz überrascht es nicht, dass Muslime bei Äußerungen entgegen dem eigenen Weltbild immer "sehr rasch und reflexhaft" reagierten. Weniger verständlich sei dagegen, so Raddatz im domradio, dass auch die Islamgemeinschaften in Deutschland den Papst kritisierten.  

Der Papst habe in seinem Vortrag nur auf die Notwendigkeit hinweisen wollen, wieder auf "Augenhöhe miteinander zu diskutieren". Denn einen wirklichen Dialog zwischen Christentum und Islam gebe es nicht, meint Raddatz. Dies liege vor allem daran, dass der Islam eine "aggressive Gesprächshaltung aus vergangenen Zeiten der Religionskriege" noch nicht überwunden habe.

Raddatz: "Man muss den Islam ernst nehmen"
Der Orientexperte warnt: "Man muss den Islam unbedingt ernst nehmen". Die Grundlage des Glaubens bestünde in der Hauptsache für die Menschen darin, gläubige Muslime zu sein. Andersgläubige seien nach dem Seinsbewusstsein der Muslime "minderwertige Menschen", so Raddatz. "Aus diesem zwanghaften Glauben heraus betrachten Muslime andere Gläubige und Religionen. Deswegen fällt ihnen der Dialog so schwer."

Ein großes Problem sei vor allem die Wahrnehmung des Islams im Westen, so Raddatz. Es gebe im Islam eine Spaltung zwischen den Muslimen, die eine friedliche Auseinandersetzung wollen, und denen, die Gewalt instrumentalisieren und für sich in Anspruch nehmen. "Wenn wir jetzt die aggressiven Reaktionen aus den Ländern des Islams hören, müssen wir davon ausgehen, dass dies die Sprachrührer des offiziellen Islams sind." Die große Mehrheit dagegen wolle friedlich leben, habe aber nirgends ein wirkliches Sprachrohr.

Vatikan: Papst beabsichtigte Mahnung an die westliche Kultur
Auch der Vatikan hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Sprecher Lombardi versicherte am Donnerstagabend, der Papst habe die religiösen Gefühle von Moslems nicht verletzen wollen.

Der Papst habe bei seiner Rede vor Wissenschaftlern in der Regensburger Universität nicht beabsichtigt, eine gründliche Analyse zum Dschihad und zum islamischen Denken vorzulegen. Umso weniger habe er Empfindungen gläubiger Muslime verletzen wollen, betonte Lombardi. Aus der Rede des Papstes gehe vielmehr klar die Mahnung an die westliche Kultur hervor, die Verachtung Gottes und "einen Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht", zu vermeiden. Die richtige Beachtung der religiösen Dimension sei Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog zwischen Kulturen und Religionen.

Papst zitierte byzantinischen Kaiser
Am Ende seiner Rede habe Benedikt XVI. betont, dass die tief religiösen Kulturen der Welt gerade den Ausschluss des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen ansähen. Eine Vernunft, zitiert Lombardi den Papst, "die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen."

Der Kommentar des Vatikans im Wortlaut, Übersetzung von Radio Vatikan:
"Was die Reaktion einiger islamischer Vertreter auf Stellen in der Papstrede an der Universität Regensburg betrifft, ist die Feststellung angezeigt, dass das, was dem Papst am Herzen liegt, eine klare und radikale Zurückweisung einer religiösen Motivation von Gewalt ist. Das ergibt sich aus einer aufmerksamen Lektüre des Textes. Es war sicher nicht die Absicht des Heiligen Vaters, den Djihad und das islamische Denken darüber zu analysieren - und erst recht nicht, die Sensibilität islamischer Gläubiger zu verletzen.
Im Gegenteil: In den Ansprachen des Heiligen Vaters taucht deutlich die Warnung an die westliche Kultur auf, "die Mißachtung Gottes und den Zynismus, der es für ein Freiheitsrecht hält, das Heilige herabzuwürdigen" (Ansprache vom 10. September), zu vermeiden. Die religiöse Dimension recht in Betracht zu ziehen, ist tatsächlich eine essentielle Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog mit den großen Kulturen und Religionen in der Welt. In den Schlußfolgerungen seiner Ansprache in der Universität Regensburg hat Benedikt XVI. deshalb betont: "Die zutiefst religiösen Kulturen der Welt sehen im Ausschluß des Göttlichen aus der Universalität der Vernunft einen Angriff auf ihre tiefsten Überzeugungen. Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und die Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zu einem Dialog der Kulturen." Der Wille des Heiligen Vaters zu einer respektvollen, dialogischen Haltung gegenüber den anderen Religionen und Kulturen, darunter natürlich auch dem Islam, ist also klar."

Kein positiver Beitrag
Der Islamrats-Vorsitzende Ali Kizilkaya nannte die Aussagen "irritierend und höchst bedauerlich". Dies sei kein positiver Beitrag für den notwendigen Dialog der Kulturen und Religionen gewesen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, betonte, es falle ihm "schwer zu glauben, dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum sieht". Zuvor war bereits in türkischen Zeitungen Unmut über den Vortrag des Papstes vom Dienstag in der Regensburger Universität laut geworden.

Bischof Müller verteidigt den Papst
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller verteidigte den Vortrag des Papstes als eine "Sternstunde der deutschen akademischen Tradition». Es sei dabei nicht darum gegangen, «die einen auf Kosten der anderen herauszustellen." Vielmehr habe der Papst zeigen wollen, dass Religion und Glaube "niemals etwas mit Gewalt zu tun haben können", wenn sie sich auf Gott beziehen.

Der Bischof fügte bei einer Pressekonferenz in München hinzu: "Das ist eine ganz aktuelle Botschaft." Müller sprach von kleinkarierter Kritik.

In seiner Vorlesung (pdf) hatte Benedikt XVI. den byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologus (1350-1425) zum Thema "heiliger Krieg" zitiert, unter anderem mit dem Satz: " Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat - und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden" Der Papst nannte es entscheidend in der Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt, dass nicht vernunftgemäßes Handeln "dem Wesen Gottes zuwider" sei.

Türkische Medien sprechen von Hass auf Islam
Mehrere türkische Zeitungen warfen Benedikt XVI. vor, den Islam verletzt zu haben. Das Massenblatt "Sabah" betonte unter der Überschrift "Taktloser Papst" auf der Titelseite, der Papst habe vor seinem für Ende November geplanten Türkei-Besuch "hasserfüllte, auf den Propheten Mohammed zielende Äußerungen eines byzantinischen Kaisers zu einem aktuellen Thema gemacht". Die Zeitung "Zaman" sah in den Ausführungen des Papstes eine "gefährliche Kommentierung des islamischen Glaubens". Mit seinen Äußerungen habe er "die Muslime betrübt und die Vorurteile in der deutschen Gesellschaft verstärkt".

"Milliyet" verwies auch auf die blutige Vergangenheit der christlichen Kreuzzüge: "Der Papst soll sich selbst einen Spiegel vorhalten, in sich hineinblicken und dabei hoffentlich auch Ansätze der Versöhnung, Liebe und gegenseitiger Achtung entdecken, von denen heute so viel die Rede ist", so das Blatt.

"Kein Nutzen" vom Papst-Besuch in der Türkei
Die Ansichten des Papstes zu Gewalt und Vernunft in Bezug auf den Islam seien "einseitig, voreingenommen, feindselig und provozierend", sagte der Präsident des staatlichen türkischen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, dem türkischen Nachrichtensender NTV. Mit Blick auf den für Ende November geplanten Türkei-Besuch Benedikts sagte er, er erwarte "keinen Nutzen" vom Besuch eines Papstes, "der in dieser Weise über den heiligen Propheten des Islams denkt". Die Ausführungen des Papstes zur Vernunft konterte Bardakoglu mit den Worten: "Zunächst einmal sollen sie die Dreifaltigkeit Gottes erklären. Sie sagen, dass Jesus Gottes Sohn sei. Wie ist das mit der Vernunft in Einklang zu bringen?" Kritik gab es auch aus Kuweit, Marokko und Pakistan.

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(ddp,KNA,dr)