Vatikan-Archivar kritisiert Buch zu Pius XII. und Juden

Verkehrte Sichtweise?

Der Vatikan-Archivar und flämische Historiker Johan Ickx hat das in diesem Jahr vom US-Soziologen David Kertzer erschienene Buch zu Papst Pius XII. kritisiert. Es sei nicht wahr, dass der Vatikan nur getauften Juden geholfen habe.

Audienz mit Papst Pius XII. (KNA)
Audienz mit Papst Pius XII. / ( KNA )

Er finde es verwerflich, wenn die vom Vatikan zur Verfügung gestellten Dokumente genutzt würden, um dann falsch darüber zu berichten, sagte Ickx am Dienstag vor Journalisten.

Kertzers Buch "The Pope at War: The Secret History of Pius XII, Mussolini and Hitler" wirft ein sehr kritisches Licht auf die Hilfsbereitschaft des Vatikan gegenüber den Juden im Zweiten Weltkrieg. Es soll 2023 auf Deutsch erscheinen.

Nicht nur getauften Juden geholfen

Es sei nicht wahr, so Ickx, dass der Vatikan nur getauften Juden geholfen habe. Es gebe auch Fälle von nicht-getauften Juden, die durch Einsatz des vatikanischen Staatssekretariats gerettet worden seien, bekräftigte der Vatikan-Historiker. Letztlich seien es ab 1938 viele getaufte Juden gewesen, da diese andernfalls völlig durch das Hilfsraster gefallen wären.

Papst Pius XII / © Historische Aufnahme (KNA)
Papst Pius XII / © Historische Aufnahme ( KNA )

Ickx verteidigte zum wiederholten Male das Handeln von Papst Pius XII., der die katholische Kirche von 1939 bis 1958 leitete. Dieser habe nicht zu den Verbrechen geschwiegen, wenn es nicht aufgrund der diplomatischen Bestrebungen nötig gewesen sei.

Es gebe viele Ansprachen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges, diese müssten richtig gelesen werden. Schon in seiner Zeit als vatikanischer "Außenminister" in den 1930er-Jahren habe Eugenio Pacelli die klare Linie vorgegeben, dass möglichst vielen Juden geholfen werden müsse.

Bereitschaft zur absoluten Transparenz

Der Vatikan-Archivar bekräftigte die Bereitschaft zur absoluten Transparenz mit Blick auf Dokumente rund um den Zweiten Weltkrieg.

Dokumente im Vatikanarchiv zum Pontifikat von Pius XII. / © Cristian Gennari/Romano Sicilian (KNA)
Dokumente im Vatikanarchiv zum Pontifikat von Pius XII. / © Cristian Gennari/Romano Sicilian ( KNA )

Der immer wieder auftauchende Vorwurf, dass nicht alles zugänglich gemacht oder etwas versteckt werde, sei falsch. Aber es sei wichtig, die Dokumente mit Bedacht und im Kontext auszuwerten. So könnte es zu falschen Schlüssen führen, wenn etwa nur Dokumente aus einem Land betrachtet würden. Es seien Dokumente aus 30 bis 35 Ländern zu den Kriegsjahren archiviert.

Seit Bekanntgabe der Öffnung der Vatikan-Archive zum Pontifikat Pius XII. durch Benedikt XVI. (2005-2013) hatten Mitarbeiter der Vatikan-Archive das Material neun Jahre lang aufbereitet, damit Geschichtsforscher damit arbeiten können. 2020 folgte die Öffnung der Archive durch Papst Franziskus. Den Angaben zufolge sind sämtliche Dokumente des Pontifikats von Pius XII. aus dem Zeitraum von 1939 bis 1948 digitalisiert und zugänglich.

Quelle:
KNA