Steve Bannon hatte es kommen sehen. Der ehemalige Chefstratege Donald Trumps, Vordenker der "Make-America-Great-Again"-Nationalisten und Rechtskatholik, hatte Robert Francis Prevost als "Dark-Horse"-Kandidaten bei dem Konklave auf dem Radar, als noch kaum ein Amerikaner von dem Kardinal wusste.

"Ich denke, einer der Außenseiter, und leider einer der fortschrittlichsten, ist Kardinal Prevost", sagte Bannon im April während eines Auftritts in der Sendung "Piers Morgan Uncensored." Er bezeichnete den Kardinal aus Chicago als "einen der Franziskus ideologisch am nächsten Stehenden".
Bannon sieht Befürchtungen bestätigt
Jetzt sieht sich Bannon in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Franziskus-Gefolgsmann werde da weitermachen, wo sein Vorgänger aufgehört habe, verkündete der kontroverse Stratege nach der Wahl von Leo XIV. im Fernsehsender BBC. "Es ist einfach unfassbar", erklärte er dem britischen Sender. "Es ist schockierend für mich, dass jemand zum Papst gewählt werden konnte, der solche Twitter-Beiträge und Äußerungen gegen hochrangige amerikanische Politiker verbreitet hat."
Bannon meinte die Kritik des Kardinals an Vizepräsident J. D. Vance. Im Februar teilte ein X-Account, der dem damaligen Kardinal Prevost zugeschrieben wird, einen Artikel mit der Überschrift: "JD Vance liegt falsch: Jesus verlangt von uns nicht, unsere Liebe für andere zu bewerten." Der Beitrag bezog sich auf Vances Interpretation des theologischen Konzepts "ordo amoris" (Ordnung der Liebe), das der Vizepräsident nutzte, um die Einwanderungspolitik der Trump-Administration zu rechtfertigen.
"Werde weiterhin für ihn und die Kirche beten"
Vance, der 2019 zum Katholizismus konvertierte und Papst Franziskus als letzter Staatsmann vor dessen Tod gesehen hatte, hielt sich mit Kritik an Leo zurück. "Ich versuche nicht, das Spiel der Politisierung des Papstes mitzuspielen", erklärte Vance dem konservativen Radiomoderator Hugh Hewitt. "Er wird einige Dinge sagen, mit denen ich nicht einverstanden bin, aber ich werde trotz allem und durch alles weiterhin für ihn und die Kirche beten."

Das entsprach der Linie konservativer Katholiken in der US-Bischofskonferenz (USCCB), die sich nach der Wahl einen anderen Ausgang des Konklaves gewünscht hätten. Sie versprachen, für den neuen Papst zu beten. Zu diesem Lager wird auch der New Yorker Kardinal Timothy Dolan gerechnet, der bei einem gemeinsamen Auftritt mit fünf anderen US-Kardinälen, die an dem Konklave teilnahmen, versuchte, die politische Dimension der Wahl auszublenden.
"Anti-Trump, anti-MAGA, für offene Grenzen"
"Ich glaube nicht, dass meine Mitkardinäle dies als Gegengewicht zu einer bestimmten Person gedacht haben", erklärte Dolan auf einer Pressekonferenz am Pontifical North American College in Rom. Dabei sind sich MAGA-Anhänger, Kritiker und Theologen überraschend einig in der Einschätzung, dass der in Chicago geborene Robert Prevost so etwas wie ein Anti-Trump ist.
"Die Wahl dieses amerikanischen Kardinals war eine Antwort und eine Botschaft an Präsident Trump", sagte Jack Posobiec, ein rechtskatholischer Kommentator in Bannons Podcast "The Warroom", der das Konklave in Rom verfolgt hatte. Laura Loomer, eine einflussreiche rechte Aktivistin mit direktem Draht zu Trump, sagte es noch deutlicher. "Er ist anti-Trump, anti-MAGA, für offene Grenzen und ein totaler Marxist wie Papst Franziskus", schrieb sie in einem Beitrag in den sozialen Medien.
Steven P. Millies verglich die Wahl Leos XIV. mit der von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978, die als Herausforderung an den Sowjetblock verstanden wurde. Millies ist Professor am Catholic Theological Union in Chicago, dem theologischen Seminar, das auch Prevost besuchte. Leos Wahl lasse sich als bewusstes Signal gegen den Aufstieg des Nationalismus verstehen, sagte er dem "Religion News Service": "Wir erleben, wie überall auf der Welt Autoritarismus anschwillt, aber sichtbar wird er von der Trump-Regierung in Washington D.C. befeuert."
Massimo Faggioli, Theologieprofessor in Villanova, einer anderen Universität, an der Prevost studiert hatte, sieht ebenfalls eine klare Botschaft. "Der Vatikan hat seinen Zug gemacht." Leos Wahl sei eine implizite Zurückweisung des rechten Katholizismus in den USA. Der Einzige, der dies zunächst nicht so sehen wollte, war Präsident Trump selbst.

Dessen Kritiker meinen, Trump betrachtete die Papstwahl wie ein Narzist, der sich über den Gewinn einer Goldmedaille seiner Nation freute, ohne etwas von der Sache zu verstehen. "Es ist eine solche Ehre zu wissen, dass er der erste amerikanische Papst ist." Er freue sich darauf, Papst Leo XIV. zu treffen. "Es wird ein sehr bedeutsamer Moment sein!" Laut Analysten aber ist ein Konflikt zwischen Leo und Trump unvermeidlich.
Leo vertritt in zentralen Fragen von Migration, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit Positionen, die diametral zu Trumps "America first"-Politik stehen. Daran ändert wenig, dass sich der Kardinal bei vergangenen Wahlen in Illinois als Republikaner ins Wählerverzeichnis eingetragen hatte. Vor allem in der Einwanderungsfrage dürfte Leo klare Positionen beziehen, wie sein Bruder John Prevost andeutet. "Er ist nicht glücklich mit dem, was in der Einwanderungsfrage passiert. Das weiß ich mit Sicherheit", sagte er der "New York Times". "Wie weit er dabei gehen wird, kann man nur vermuten, aber er wird nicht einfach schweigen."
"Schlagworte der Linken"
Bannon und andere MAGA-Katholiken haben keine Zweifel an dem, was sie erwartet. Rick Santorum, ehemaliger Senator aus Pennsylvania und Katholik, äußerte in einem Auftritt auf dem rechtsgerichteten Nachrichtensender Newsmax "sehr wenig Optimismus" bezüglich des neuen Papstes. Santorum warf Leo vor, in seiner ersten Ansprache als Papst "Schlagworte der Linken" verwendet zu haben. Er riet den Enttäuschten, Leos Amtszeit auszusitzen. "Auch das wird vorübergehen."