Sozialethiker Vogt sieht in Wahl Leos XIV. einen "genialen Schachzug"

"Ein klarer Antipode zu US-Präsident Donald Trump"

Namen sind Nachrichten, bei Päpsten sind sie Programm. Der Theologieprofessor Markus Vogt ist angetan vom neuen Papst. Einigen Kardinälen traut er zu, dass sie bei dessen Wahl einen bestimmten Punkt im Blick hatten.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Gottesdienst mit Papst Leo XIV. in der Sixtina / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Gottesdienst mit Papst Leo XIV. in der Sixtina / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Was ist von einem Papst zu erwarten, der sich mit seiner Namenswahl in die direkte Nachfolge von Leo XIII. stellt?

Theologieprofessor Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München / © Markus Vogt (KNA)
Theologieprofessor Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München / © Markus Vogt ( KNA )

Prof. Markus Vogt (Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München): Leo XIII. hat Ende des 19. Jahrhunderts die katholische Soziallehre begründet. Er war ein politischer Papst. Er war vorher in Perugia und hat dort gesehen, dass die Verarmung der Massen im Zuge der industriellen Revolution neue, strukturelle Antworten erfordert.

Leo XIV. kennt die Armut aus seiner Tätigkeit als Missionar in Peru. Gebürtig in Chicago, kennt er zugleich die dortige Kaderschmiede des radikalen Wirtschaftsliberalismus, die mit dem Begriff "Chicago boys" verbunden wird. Von daher kennt er auch beide Seiten und könnte versöhnend wirken.

KNA: Wo braucht es denn heute neue Antworten aus der katholischen Soziallehre?

Vogt: Korruption muss bekämpft werden, die internationalen Finanzmärkte müssen gezügelt werden. Gemeinschaftsgüter wie Klima, Boden, Wasser und Artenvielfalt müssen in die ökonomische Theorie integriert werden. 

Franziskus hat hier schon einige Ausrufezeichen gesetzt für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. De facto haben wir global immer noch mehr eine Machtwirtschaft, in der die Armen an den Rand gedrängt werden.

Markus Vogt

"Liest man zwischen den Zeilen und weiß um seine Themen, ist Leo XIV. ein klarer Antipode zum US-Präsidenten."

KNA: In ersten Reaktionen wird Robert Francis Prevost als "Anti-Trump" eingeschätzt. Sehen Sie ihn auch so?

Vogt: Öffentlich hat er sich meines Wissens so noch nicht positioniert. Er ist da vorsichtig, ein Diplomat. Bei einem Forschungsaufenthalt in Washington habe ich selbst erlebt, wie stark im US-Katholizismus die Begeisterung und der Rückhalt für Trump waren und sind. 

Liest man zwischen den Zeilen und weiß um seine Themen, ist Leo XIV. ein klarer Antipode zum US-Präsidenten: in der Friedensethik, in der Wirtschaftsethik, in der Einstellung zur Demokratie und beim Thema Verantwortung für andere. Die US-Bischofskonferenz ist zutiefst gespalten. Da wird es ganz wichtig, dass der neue Papst mit all seinem kommunikativen Geschick Brücken schlägt.

KNA: Glauben Sie, dass dieses Profil ein bewusstes Kalkül der Konklavemehrheit war?

Vogt: Ja, das ist ein überraschender, aber genialer und wirklich zukunftsweisender Schachzug. Die Weltunordnung, die Zerstörung dessen, was der Westen einmal war, die Aushöhlung der transatlantischen Werte und die Implosion der Demokratie, all das geht gegenwärtig am offensivsten von Amerika aus. Deshalb muss einer die Situation dort gut kennen, um wirksame Antworten zu finden.

Zumindest einigen Kardinälen traue ich zu, dass sie diesen Akzent bewusst im Blick hatten bei ihrer Wahl.

Das Interview führte Christoph Renzikowski.

Robert Francis Prevost (Papst Leo XIV.)

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Robert Francis Prevost gilt als ein Kardinal der Mitte. Obwohl US-Amerikaner ist der Ordensmann in Rom, der Kurie und der Weltkirche zu Hause. Zuletzt leitete der 69-Jährige die Vatikanbehörde für Bischöfe, quasi die Personalabteilung der katholischen Weltkirche. In dieser Funktion war Prevost in den vergangenen zwei Jahren zuständig für einen Großteil der Bischofsernennungen weltweit.

Papst Leo XIV / ©  Andrew Medichini/AP (dpa)
Papst Leo XIV / © Andrew Medichini/AP ( dpa )
Quelle:
KNA