Union kündigt Gesetzentwurf an - FDP legt mit eigenem nach

Wieder Streit um Spätabtreibungen

Die Bundestagfraktionen streiten weiter um den richtigen Weg zur Eingrenzung von Spätabtreibungen. Die Unionsvertreter Johannes Singhammer und Ilse Falk stellten am Montag mit der SPD-Politikerin Renate Schmidt einen Gesetzentwurf vor, den sie am Mittwoch ins Parlament einbringen wollen. Daraufhin kündigte die FDP-Familienpolitikerin Ina Lenke eine eigene Vorlage der Liberalen an.

 (DR)

Der Unionsvorschlag sieht eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vor, bei dem die Ärzte zur Beratung verpflichten sollen und ihnen andernfalls ein Bußgeld droht. Zudem ist eine Dreitagesfrist für die schwangeren Frauen zwischen Beratung und Abbruch geplant.

Daraufhin kündigte die FDP-Familienpolitikerin Ina Lenke eine Vorlage der Liberalen an, der gleichfalls die Änderung des Konfliktgesetzes zum Ziel habe, aber keine Verpflichtung der Ärzte zum Ziel habe. Auch unter SPD-Politikerinnen gibt es Überlegungen für einen eigenen Entwurf. Sie wollen Mittwochmorgen entscheiden.  Als Spätabtreibungen gelten Abbrüche ab der 23.  Schwangerschaftswoche. In den vergangenen Jahren lag deren Zahl nach offiziellen Angaben bei jeweils rund 200.

Singhammer sagte, die Regelung solle betroffenen schwangeren Frauen helfen und Ungeborenen, die eine mögliche Behinderung haben, neue Lebenschancen eröffnen. Sollten Ärzte gegen die Beratungspflicht verstoßen, wird das als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet. Zudem ist eine bessere statistische Erfassung von Spätabbrüchen angestrebt. Bislang unterschrieben laut Singhammer 184 Abgeordnete den Entwurf, zumeist aus der Union. Angestrebt werde eine Erste Lesung im Plenum Mitte Dezember und eine Anhörung im Januar oder Februar 2009.

Kritik bei Politikerinnen der SPD und der FDP
Der Entwurf stieß auf Kritik bei Politikerinnen der SPD und der FDP, die jeweils eigene Anträge in Aussicht stellten. Lenke sprach von "verstärktem Druck zur Beratung", vor dem Frauen stünden, und wies Geldbußen für Ärzte als falschen Weg zurück. Die FDP-Fraktion wolle einen eigenen Antrag vorlegen, der stärker psychosoziale Beratung im Blick habe. Die SPD-Familienpolitikerin Kerstin Griese wandte sich vor allem gegen eine umfassendere statistische Erfassung der Abbrüche. Diese würde Rückschlüsse auf Einzelfälle ermöglichen. Sie sprach vom impliziten Vorwurf an Frauen, sie handelten leichtfertig.  Sie erwäge einen Entwurf, der lediglich die Pflicht für Ärzte zur Beratung und die Bedenkzeit vorsehe.

Singhammer lobte während der Pressekonferenz mehrfach ein vor zwei Wochen von der SPD-Bundestagsfraktion beschlossenes Konzept in jenen Punkten, wo es um mehr Hilfen für Familien mit behinderten Kindern und um verpflichtende Beratung bei genetischer Diagnostik geht. Bis zum Spätsommer hatten Fachpolitiker von Union und SPD versucht, einen gemeinsamen Weg zur Eingrenzung von Spätabtreibungen zu finden. Die Gespräche blieben ohne Einigung.

"Chancen eröffnen, die für das Kind genutzt werden"
Schmidt bekräftigte ihre Überzeugung, dass das SPD-Konzept nicht ausreiche; so sorge es nicht für eine Pflicht des Arztes zur Beratung bei Diagnosen wie einem offenen Rücken oder einer Kiefer-Gaumen-Spalte. Weiter erläuterte die frühere Familienministerin, falls Ärzte keine Beratung anböten, solle das nach ihrer Ansicht nicht nur als Ordnungswidrigkeit geahndet, sondern als strafbare Handlung im Strafrecht verankert werden.

Die Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion Ilse Falk (CDU) sagte, der Gesetzentwurf solle "Chancen eröffnen, die für das Leben eines Kindes und nicht dagegen genutzt werden". Damit greife er das auf, was die Abgeordneten mit der Korrektur der embryopathischen Indikation in den 1990er Jahren gewollt hätten. Singhammer verwies auf die Unterstützung von Bundesärztekammer, vielen Verbänden und dem kirchlichen Bereich. Maren Müller-Erichsen vom Bundesvorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe bekräftigte die Unterstützung ihres Verbandes für den Entwurf. Die Beratung solle aufzeigen, dass ein Leben mit einem behinderten Kind gelingen könne.