Spätabtreibungen nach medizinischer Indikation

Hintergrund

 (DR)

Ein Spätabbruch nach der zwölften Woche ist in Deutschland nur erlaubt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, d. h. eine Gefährdung der körperlichen oder psychischen Gesundheit der Frau.

Eine Fehlbildung oder Behinderung des Fötus ist in Deutschland alleine kein Grund für einen Abbruch der Schwangerschaft. Der Gesetzgeber wollte den Eindruck vermeiden, das behindertes Leben weniger Wert sei als nichtbehindertes Leben. Ein Spätabbruch erfolgt in Deutschland daher also offiziell wegen Gefährdung der psychischen Gesundheit der Frau und ist daher auch bis zur Geburt möglich.

Das Gesetz stellt mit dieser Regelung den Wert des Lebens der Mutter über den des Fötus, auch wenn dieser außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig wäre. Helmut Frister, Dekan der juristischen Fakultät der Uni Düsseldorf, hält daher die Regelung des Paragraph 218a II StGB für partiell verfassungswidrig.

Etwa 200 dieser besonders problematischen Fälle gibt es pro Jahr in Deutschland. Jährlich würden mehr als 200 ungeborene Kinder zwischen der 23. Schwangerschaftswoche und der Geburt abgetrieben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie bereits ausserhalb des Mutterleibes lebensfähig sind, schreibt die Vereinigung katholischer Ärzte. Man gehe von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus.

Beratung bei Spätabtreibungen wäre zudem dringend geboten, da auch die Diagnose nicht so sicher ist, wie gemein hin angenommen. Es kommt auch bei guten Ärzten zu Fehldiagnosen. Das kann heißen, dass Behinderungen nicht erkannt werden, aber auch, dass bei einem eigentlich gesunden Baby fälschlicherweise eine Behinderung diagnostiziert wird. Von Schwangerschaftsabbrüchen ist daher auch ein in der offiziellen Statistik nicht ausgewiesener Anteil gesunder Föten betroffen.

Die "Josefs-Gesellschaft", die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt, weißt darauf hin, dass die Bereitschaft, ein behindertes Kind zu bekommen und aufzuziehen, abnehme. Dabei seien nur fünf Prozent der Behinderungen angeboren. Jeder zwölfte Bundesbürger werde durch Unfall oder Krankheit zum behinderten Menschen.