Bundesministerin a.D. Renate Schmidt zum neuen Gruppenantrag zu Spätabtreibungen

Ärzte verpflichten, nicht Schwangere

In der Debatte um die Verringerungen von Spätabtreibungen hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, den Gruppenantrag der Abgeordneten um Unionsvertreter Johannes Singhammer zu unterstützen. Im domradio-Interview erläutert Renate Schmidt, eine der wenigen Unterstützer aus SPD-Reihen, warum sie sich der Gruppe angeschlossen hat.

 (DR)

Der Gruppenantrag strebt eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetz an, die die Ärzte zur Beratung verpflichten soll und ihnen andernfalls ein Bußgeld androht. Zudem wollen sie eine Dreitagesfrist für die schwangeren Frauen zwischen Beratung und Abbruch. Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Jahr in erster Lesung im Bundestag beraten werden und Anfang kommenden Jahres dann nach einer Expertenanhörung in die abschließende Beratung gehen. Mit Renate Schmidt sprach domradio-Redakteurin Stephanie Gebert:

domradio: Mit dem geplanten Gesetz wollen Sie vor allem die Ärzte mehr in die Pflicht nehmen. Sind Mediziner in Deutschland in der Lage, ein Paar, das ein schwerkrankes oder behindertes Kind erwartet, dahingehend zu beraten, wie ein Leben trotzdem möglich ist?
Schmidt: Der erste Ansprechpartner für die Frau ist der Arzt. Die Ärzte sollen nach diesem Gesetzentwurf viel besser geschult werden, mehr wissen und mehr Material an die Hand bekommen. Und sie haben vor allen Dingen die Pflicht, auf die Möglichkeit der psychosozialen Beratung nicht nur hinzuweisen, sondern konkret Adressen, Ansprechpartner und Selbsthilfegruppen zu nennen. So kann das, was sie vielleicht selber nicht wissen können oder nicht wissen, von anderen erreicht werden. Die drei Tage Bedenkzeit für die Frau, die wir vorgesehen haben, sind eine Mindestfrist und es ist natürlich möglich, sich mehr Beratung zu holen und länger zu brauchen, aber diese drei Tage sollten es schon sein.

domradio: Wird damit nicht das Problem auf die medizinische Seite abgewälzt, wo es doch eigentlich auch ein gesellschaftlches Problem ist?
Schmidt: Es ist selbstverständlich ein gesellschaftliches Problem und deshalb ist auch nicht nur dieser Gesetzentwurf alleine notwendig. Wir haben in der SPD-Fraktion ein Konzept erarbeitet, dass ich unterstütze, von dem ich aber sage, es reicht alleine nicht aus. Dort ist die Rede davon, dass man in dem Gendiagnostikgesetz die Pränataldiagnostik verbessern muss, das geht zwar in eine vergleichbare Richtung, erreicht aber nicht alle Krankheiten und Behinderungen, die verbunden sein können mit Pränataldiagnostik. Und dieses Konzept geht davon aus, dass das Leben mit behinderten Kindern verbessert werden soll. Ich bin der Meinung, dass beides zusammengehört: das SPD-Konzept und der Gruppenantrag von Herrn Singhammer. Zusammengenommen ergibt das ein vernünftiges Gesamtkonzept.

domradio: Die Mehrheit der SPD lehnt allerdings den neuen Gruppenantrag ab. Schaut man sich Begründungen und Formulierungen der Parteien zum Thema Spätabtreibungen an, so scheint es, als wären die Vorstellungen der SPD grundsätzlich gar nicht so weit von denen der CDU entfernt. Erfolgt die Ablehnung des Gruppen-Antrags unter CDU-Federführung also auch aus parteistrategischen Gründen?
Schmidt: Also parteitaktisch und strategisch sehe ich das weniger. Ich sehe eher, dass bei denjenigen in der Koalition, die die Verhandlungen geführt haben, jahrelange Verletzungen vorliegen und zwar auf allen Seiten. Da ist ein gerüttelt Maß an gegenseitigem Misstrauen, das weniger mit Parteilichkeit zu tun hat als mit der Unterstellung, der jeweils andere wolle nicht das Gleiche wie man selbst. Ich war an den Verhandlungen nicht beteiligt und kann den Verfassern des Gruppenantrags nicht ins Herz und in den Kopf schauen. Aber ich kann Gesetzestexte lesen und kann an dem Gruppenantrag nichts erkennen, was falsch wäre.

Ich sehe weder ein Misstrauen noch eine Unterstellung von Leichtfertigkeit gegenüber den Schwangeren. Ich sehe auch keine weiteren Bürden auf die Schwangeren zukommen. Dieser Gesetzesentwurf fordert eine Verpflichtung seitens der Ärzte, keine zusätzliche Verpflichtungen seitens der Schwangeren. Im Gegenteil, sie haben auch das ausdrückliche Recht, jedwede Beratung abzulehnen und zu sagen, ich weiß, was ich zu tun habe und brauche keine Beratung.

domradio: Noch ein Punkt, indem Sie mit ihren Genossinnen und Genossen nicht übereinstimmen, ist die Forderung nach statistischer Erfassung der Abbrüche. Warum ist das ihrer Meinung nach notwendig?
Schmidt: Ich glaube nicht, dass durch die Erhebung ein Rückschluss auf Einzelfälle möglich ist. Wir wissen in Deuschtland im Gegensatz zum Ausland in keiner Weise, welche Art von Abbrüchen zu welchem Zeitpunkt vorgenommen werden. Das ist kein Zustand.