Ungewöhnlicher Universitätsabschluss für eine Gazaer Studentin

Prüfungen per Telefon und Internet

Berlanthy Azzam hatte es fast geschafft. Doch sechs Wochen vor ihren Abschlussprüfungen an der Bethlehem-Universität fand die 21-Jährige sich mit gefesselten Händen und verbundenen Augen in einem israelischen Militär-Jeep wieder - zurück auf dem Weg nach Gaza, ihre Heimat. Aus schien der Traum vom Diplom.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Denn nach israelischer Auffassung hielt die Palästinenserin sich illegal im palästinensischen Bethlehem auf: Ein Wechsel des Wohnortes von Gaza ins Westjordanland wird von Israel grundsätzlich nicht genehmigt.

Berlanthy Azzam war 2005 nach Bethlehem gekommen - mit einem Fünf-Tages-Passierschein, den Israel ihr für die Teilnahme an religiösen Festen ausgestellt hatte. Die 17-Jährige hatte aber nicht vor, nach Gaza zurückzukehren: Als Katholikin wollte sie unbedingt an der katholischen Bethlehem-Universität studieren. Sie schrieb sich für Betriebswirtschaftslehre ein und nahm dafür in Kauf, ihre Familie für Jahre nicht wiederzusehen. Denn dass sie nach einem Heimat-Besuch nicht wieder nach Bethlehem zurückgelassen würde, war klar.

Im vergangenen Oktober geriet die Studentin jedoch einer israelischen Militär-Patrouille zwischen Bethlehem und dem ebenfalls palästinensischen Ramallah in die Hände - auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch. Nach dem Check ihrer Papiere wurde sie sofort nach Gaza zurückbefördert: Ihr fehlte die Aufenthaltsgenehmigung fürs Westjordanland. Mitte Dezember hätte sie ihre Abschlussprüfungen ablegen sollen.

Wochenlang kämpfte die Universität darum, die Studentin zurückzuholen. Vatikan-Diplomaten wurden eingeschaltet, die israelische Menschenrechtsorganisation "Gisha", die für Bewegungsfreiheit in den Palästinensergebieten kämpft, nahm sich des Falls an - vergeblich. Der Oberste Israelische Gerichtshof beschied Berlanthy schließlich zwar, dass sie kein Sicherheitsrisiko darstelle - dennoch gaben die Richter dem Militär Recht. Rückkehr ausgeschlossen.

Feierliche Verleihung des Diploms in katholischer Pfarrei
Der Orden der Schulbrüder beschloss daraufhin als Leitung der Bethlehem-Universität einen unbürokratischen Schritt: Berlanthy würde ihr Diplom eben in Gaza machen. Per Telefon und Internet wurde sie fit für die Prüfungen gemacht. Die Unterlagen wurden ihr per Fax und E-Mail zugesandt - und Berlanthy bestand ohne Probleme. Die feierliche Verleihung des Diploms fand ain der katholischen Pfarrei von Gaza-Stadt statt: Bruder Peter Bray, Vize-Direktor der Universität, reiste eigens an, in Begleitung von Papstbotschafter Antonio Franco. Berlanthy nahm die Urkunde mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen: "Ich freue mich, dass meine Familie dabei sein kann - aber ich hätte gerne zusammen mit meinen Kommilitonen gefeiert."

Bruder Bray ist stolz auf die außergewöhnliche Absolventin: "Sie hat sich nicht unterkriegen lassen; wir wollten nicht zulassen, dass Israel sie daran hindert, ihren Abschluss zu machen." Insgesamt, so der Ordensmann, hätten rund 450 junge Leute aus Gaza ein Studium an der renommierten katholischen Universität absolviert - Christen und Muslime. Aber nach Ausbruch der zweiten Intifada im Jahr 2000 seien Studierende aus Gaza nicht mehr durchgelassen worden. Für Berlanthy habe man eine Sonderlösung gefunden, da sie kurz vor dem Abschluss stand. Schule machen soll das Modell freilich nicht: "Aber Fernstudium ist keine wirkliche Lösung - die besondere Atmosphäre der Begegnung auf unserem Campus ist der eigentliche Grund, warum die jungen Leute zu uns wollen."

Die Universitäts-Leitung will Berlanthy nun im Ausland von ihren Erfahrungen erzählen lassen - in der Hoffnung, dass auf Israel mehr Druck ausgeübt wird, jungen Menschen aus Gaza eine Zukunft zu ermöglichen. Was sie mit ihrem Diplom machen wird, weiß die junge Frau noch nicht: "Mich bewerben, auf alles, was passen könnte." Bei rund 50 Prozent Arbeitslosigkeit ein Glücksspiel. Aber vor allem hofft sie auf einen Arbeitsplatz im Ausland. "Wenn ich hier rauskomme."