Ulrike Folkerts über Tatort, Tod und Sterbehilfe

"In unserer Familie tabu"

Seit fast 20 Jahren ist Ulrike Folkerts als Tatort-Kommissarin Lena Odenthal unterwegs in Sachen Mord und Totschlag. Ihr aktueller Fall hebt sich allerdings von seinen Vorgängern ab: In "Der glückliche Tod" geht es um das ebenso brisante wie aktuelle Thema Sterbehilfe.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Hamburg spricht die 47-Jährige über ihre Vorstellung vom Tod, ihre Rolle und ihre Erfahrungen mit dem Sterbehilfe-Aktivisten Roger Kusch.

KNA: Frau Folkerts, inwiefern fiel der Tatort "Der glückliche Tod" aus dem Rahmen?
Folkerts: Zum einen sieht der Zuschauer hier eine ganz andere Lena
Odenthal: Sie lässt sich berühren, darf sogar weinen. Ich konnte hier mal meine schauspielerischen Möglichkeiten nutzen, sie ganz weich und sanft darzustellen und ihre Betroffenheit zu zeigen. Zum anderen ist der Film, bei dem es ja um Sterbehilfe geht, einfach wichtig.

KNA: Warum?
Folkerts: Wir wollen erreichen, dass das Thema weiter diskutiert wird, weil es immer mehr an Bedeutung gewinnt. Kaum ein Mensch stirbt ja noch auf "normalem" Wege, sondern oft an langen, schweren Krankheiten. Andererseits wird die Gesellschaft immer älter, es fehlen zusehends Menschen, die für die Alten und Kranken sorgen.

KNA: Was heißt das konkret?
Folkerts: Alles darf ich in meinem Leben entscheiden, nur nicht, wie ich sterbe, das kann ja nicht sein. Gesetze müssen her, die das ermöglichen. Ich weiß, es gibt Missbrauch, Menschen, die damit Profit machen oder die Falschen in den Tod schicken. Gerade deshalb brauchen wir ja verlässliche Gesetze.

KNA: Waren Sie schon mal persönlich mit dem Thema konfrontiert?
Folkerts: Letztes Jahr ist ein Freund von mir viel zu früh an Krebs gestorben. Er wollte nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause sterben, auch weil er auf die ganzen Apparate verzichten wollte. Seine Familie und engsten Freunde haben ihn begleitet.

KNA: Auch der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch macht sich ja für Sterbehilfe stark...
Folkerts: Ja, leider hat er eine Äußerung von mir unerlaubt als Werbung auf seine Website gesetzt, was ich ihm durch einen Anwalt habe verbieten lassen. Wie Herr Kusch das Thema Sterbehilfe benutzt, das ist die Form, wie wir nicht damit umgehen sollten. Ich finde es skrupellos und gemein, dass sich jemand damit profiliert, einer alten einsamen Frau beim Sterben geholfen zu haben. Sie hatte doch "nur" Angst vor dem Heim; der hätte man nun wirklich anders helfen können, davon bin ich überzeugt.

KNA: In einer der vielleicht berührendsten Szene im Tatort erzählt die Kommissarin der todkranken Julia, wie es wohl nach dem Tod weiter geht. Wie denken Sie darüber?
Folkerts: Ich fand es eine sehr schöne Vorstellung, dass man Menschen, die man liebt, später wieder trifft und erkennt. Warum sollte man Sterbende nicht mit einer so wunderbaren Geschichte verabschieden? Ich persönlich bin da viel radikaler und fantasieloser: Nach dem Tod kommt nichts außer einem großen Frieden. Ein Leben ist schon aufregend und anstrengend genug. Aber danach ist Ruhe, glaube ich.

KNA: Im Film hat Lena Odenthal die Geschichte von ihrem Vater übernommen. Wie wurde bei Ihnen zu Hause über das Thema geredet?
Folkerts: Gar nicht. Wie in vielen Familien war das Thema Tod tabu.
Dabei gehört es doch zum Leben. Und Trauern ist nichts Schlimmes.
Ich bewundere Kulturen, in denen exzessiv getrauert und der Tod nicht "totgeschwiegen" wird.

KNA: Haben Sie sich schon mal damit auseinandergesetzt?
Folkerts: Durch meine Rolle als Tod im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen habe ich viel darüber nachgedacht. Es war verrückt, selbst den Tod zu spielen. Ich hatte die Idee, als Tod bin ich unwiderstehlich, mir entkommt keiner, ich kann sanft sein oder brutal... Ich hatte die Vision, eigentlich stirbt man so, wie man gelebt hat.

KNA: Als Kommissarin Lena Odenthal sind Sie seit fast 20 Jahren eine Art moralische Instanz mit hoher Aktualität. Wie kommen Sie an Themen?
Folkerts: Das Leben ist doch voll davon, man muss nur mal die Zeitung aufschlagen: Ehrenmord, Sterbehilfe, Kindesmissbrauch, Discounter-Spionage. Andererseits: Nächstes Jahr läuft die Jubiläumsfolge "Lena O." Das wird ein reiner, sehr spannender Krimi.  Darauf freue ich mich schon.

Hinweis: "Tatort: Der glückliche Tod" läuft am 5.10. zwischen 20.15 - 21.45 Uhr in der ARD.