Tut sich was für Frauen in der katholischen Kirche?

"Es ist ein Anfang"

Vor einem Jahr haben Frauen in dem Buch "Wir bleiben!: Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen" ihre Vision von Kirche dargelegt. Die Herausgeberin Elisabeth Zoll zieht zum Weltfrauentag Bilanz.

Eine Frau im Gebet / © Dee Angelo (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Vor gut einem Jahr ist Ihr Buch erschienen. Darin haben ganz unterschiedliche Frauen ihre Vision von Kirche dargelegt und erklärt, warum sie eben nicht austreten, obwohl das ja im Moment viele Menschen tun. Sind die 17 Autorinnen tatsächlich alle dabei geblieben? Oder hat die ein oder andere doch gesagt "Es reicht!" und ist ausgetreten? 

Elisabeth Zoll / © Lars Schwerdtfeger (privat)
Elisabeth Zoll / © Lars Schwerdtfeger ( privat )

Elisabeth Zoll (Journalistin und Herausgeberin des Buches "Wir bleiben!: Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen"): Soweit ich weiß, sind alle Autorinnen weiter Mitglied der katholischen Kirche. Natürlich ist bei 17 Frauen die Situation auch immer wieder ganz unterschiedlich. 

Einige Autorinnen ringen nach wie vor, zweifeln und kämpfen ganz unterschiedlich damit. Für andere Autorinnen ist es gar nicht der Punkt, weil bei ihnen die Vertrauenskrise gegenüber der Institution nicht einhergeht mit einer Vertrauenskrise gegen die Gemeinschaft der Gläubigen oder gar mit einer Krise in der Gottesbeziehung. Insofern ist die Situation unterschiedlich, aber alle sind dabei. 

DOMRADIO.DE: Sie haben das Buch eine "paradoxe Intervention" genannt, als es erschienen ist. Kommt Ihnen das jetzt nach einem Jahr immer noch so vor, dass Frauen, die wenig in der Kirche zu sagen haben, dennoch drin bleiben und sich nach wie vor für Veränderungen einsetzen? 

Zoll: Es ist nach wie vor in meinen Augen eine paradoxe Intervention. Denn die Laufrichtung von Frauen, vor allem von kritischen Frauen und von engagierten Frauen, ist Richtung Austritt. Da gilt es einen Kontrapunkt zu setzen und zu sagen: Es gibt vielleicht auch eine andere Option. Es gibt eine Option, die einhergeht mit Veränderung. Es gibt auch eine Option, die etwa einhergeht mit Engagement auf Gemeindeebene in kleinen Teilen. 

Das kann es zum Beispiel in der Flüchtlingsarbeit geben, im Bereich der Vesperkirche, also Kirche gestalten vor Ort, diese Option gibt es auch. Da gibt es etliche Autorinnen, ich denke da beispielsweise an Ursula Kalb von Sant'Egidio. Für sie ist das Engagement aus dem Evangelium heraus eine tragende Säule. Das hat sich auch nicht geändert. 

Elisabeth Zoll

"Es ist ein Anfang und das will ich jetzt auch nicht kleinreden."

DOMRADIO.DE: In dem Jahr seit der Bucherscheinung ist ja kirchlich gesehen einiges passiert. Es gab zum Beispiel im Oktober die Weltsynode, bei der über die Frauenfrage zumindest gesprochen wurde. Wie ist Ihr Eindruck? Gibt es Bewegung bei der Frage, welche Rolle Frauen in der Zukunft in der Kirche spielen? 

Zoll: Es ist Bewegung da, aber die Frage ist natürlich auch: Wie hoch sind die Erwartungen? In Deutschland sind die Erwartungen sehr hoch. Da ist auch die Ungeduld sehr groß und entsprechend ist auch die Frustration sehr groß. 

Diese wirklich schwierige Ausgangslage darf man nicht übersehen und die darf man auch nicht wegspielen. Ich habe so viel im vergangenen Jahr mit Frauen diskutiert. Und das war einfach mit den Händen zu greifen. Gleichzeitig gibt es natürlich auch positive, kleine Minischritte. Themen, die uns in Deutschland bewegen, sind bei der Weltsynode mit auf dem Tisch: die Rolle der Frauen, die Stärkung von Laien, Pflichtzölibat. 

Positiv ist auch, dass diese Themen von anderen eingebracht worden sind, nicht von der Deutschen Bischofskonferenz und von den Vertretern der deutschen Bischöfe. Man sieht, es ist in weiten Teilen der Weltkirche ein Thema, nicht in allen. 

Ich halte es für positiv, dass Frauen bei der Synode gleichberechtigt an Tischen mitsitzen, mitdiskutieren und mitentscheiden. Ich halte es auch für positiv, dass die deutschen Bischöfe in Rom ein recht gutes Bild abgegeben haben, also nicht als Besserwisser aufgetreten sind, sondern kollegial mitgearbeitet haben. 

Da gibt es ganz vieles, was zu gelingen scheint. Natürlich bleibt die Frage: Reicht das? Ich würde mal sagen, im Vorfeld der zweiten Etappe der Weltsynode: Es ist ein Anfang und das will ich jetzt auch nicht kleinreden. 

Elisabeth Zoll

"Wir werden es nicht erleben, aber Dinge werden sich ändern, auch wenn man sich das jetzt so vielleicht noch nicht vorstellen kann. Dinge brauchen halt Zeit."

DOMRADIO.DE: Der belgische Bischof Johan Bonny sagte im DOMRADIO.DE-Interview, dass in Belgien und in vielen anderen Ländern die Gläubigen wollen, dass Frauen zumindest zu Diakoninnen geweiht werden. Er will das auch bei der Weltsynode im Herbst in Rom weiterhin einbringen. Aber ist da nicht auch vielleicht dann doch die Frage, wenn man direkt von vornherein sagt: Frauen und Weihe, das muss sein, ist das vielleicht nicht auch eine Verengung der Frage, wie die Rolle der Frauen in der Kirche aussehen kann? 

Zoll: Ich glaube, da gibt es kein "Entweder oder". Die Verantwortlichen in der Kirche müssen darauf hinarbeiten und daraufhin drängen, dass sich die Frauen nicht als Mitglied zweiter Klasse fühlen. Diskriminierung ist vor allem in unseren Gesellschaften nicht mehr vermittelbar, auch nicht im Bereich der Kirche. 

Es ist eine Schwierigkeit, was dann zu den Weiheämtern führt, das ist unbestritten. Das kann man jetzt auch nicht etwa über den Gleichstellungsparagrafen regeln. Das Diakoninnenamt halte ich aber für einen Einstieg. Die Weltkirche wurde nicht vorgestern gegründet. Wir haben 2.000 Jahre Geschichte. Wir werden es nicht erleben, aber Dinge werden sich ändern, auch wenn man sich das jetzt so vielleicht noch nicht vorstellen kann. Dinge brauchen halt Zeit. 

DOMRADIO.DE: 17 Frauen haben in dem Buch ihre Ideen von Kirche niedergeschrieben. Wo in dem Buch sehen Sie denn vielleicht eine inhaltliche Anregung, die bei den doch sehr aufgeheizten gegenwärtigen kirchlichen Debatten hinten herunterfällt? Vielleicht war da so eine Idee zum Thema Frauen und Kirche, die zu wenig im Fokus ist? 

Zoll: Ich sehe einen ganz starken Impuls in dem Beitrag von Ursula Kalb von Sant'Egidio. Da geht es nicht um sozialen Aktivismus, es geht um eine Verbindung von Evangelium und Tun. Wir bekennen uns nicht deshalb zum Christentum, weil wir so gerne über Strukturreformen reden, sondern wir bekennen uns zum Christentum, weil es um das Evangelium geht und um die Umsetzung des Evangeliums. Es geht um Nächstenliebe und um Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit in dieser Welt. 

Ich glaube, der Fokus darauf kommt in diesem Beitrag sehr stark zum Ausdruck. Was können wir tun? Wo können wir unsere Welt oder unsere Nachbarschaft oder unseren Nahbereich oder Fernbereich christlich in unserem Sinne gestalten? Wo können wir als Christen Spuren hinterlassen?

Ich finde das auch ganz spirituell. Es geht aber da immer auch um das Thema, nicht nur tun und sagen: Ich bin der Retter der Welt, sondern die Welt retten, das müssen auch andere. Wir als Christen können aber in Rückbesinnung auf das Evangelium gute Spuren in der Welt hinterlassen. Sich darauf zu konzentrieren, was uns trägt, das ist, finde ich, schon ein wichtiger Impuls, der sich auch weiter zu verfolgen lohnt. 

DOMRADIO.DE: So wie die Kirche sich gerade entwickelt, einerseits die Weltsynode mit Frauen als Teilnehmerinnen, andererseits immer wieder römische Stoppschilder für allzu forsche Reformvorschläge wie beim Synodalen Weg in Deutschland: Würden die 17 Frauen heute wieder dieses Buch schreiben? 

Zoll: Ich denke ja, weil die Zweifel natürlich geblieben sind. Die Zweifel bei jungen Frauen sind ja zum Greifen nahe. Sie würden auch diese Kürze ihres Geduldsfadens noch genauso formulieren wie vor einem Jahr. Wenn ich zum Beispiel an Johanna Beck denke, eine Missbrauchsbetroffene, sie würde kämpfen wie vor einem Jahr. Da bin ich relativ sicher. 

Und diejenigen Frauen, die jetzt aus dem Bereich von Wirtschaft und Kultur kommen, würden ihre Verankerung, glaube ich, ähnlich formulieren, weil es keine naive Verankerung ist, sondern es ist eine Verankerung im kritischen Bewusstsein, dass sich kämpfen lohnt und dass sich streiten lohnt für die Position von Frauen in der Kirche. Daran hat sich nichts geändert.

Das Interview führte Mathias Peter.

Internationaler Frauentag

Der Internationale Frauentag wird jedes Jahr am 8. März begangen. An diesem Tag setzen Frauen weltweit mit Demonstrationen und anderen Aktionen ein Zeichen für die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen. Dabei geht es um Chancengleichheit im Erwerbsleben, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, den Kampf gegen Gewalt, Frauenhandel oder Genitalverstümmelung. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März offiziell als Internationalen Frauentag an.

Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf (dpa)
Am 8. März ist Internationaler Frauentag / © Jens Wolf ( dpa )
Quelle:
DR