Theologe Kranemann über die Corona-Trauerfeier

"Trösten und Hoffnung machen"

Der Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann begrüßt die zentrale Trauerfeier für die Corona-Opfer in Berlin. Ein solcher Gedenkakt mit Vertretern von Religionsgemeinschaften und Politik sei wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Symbolbild Trauer / © Dragana Gordic (shutterstock)

KNA: Herr Professor Kranemann, zu Ihren Forschungsschwerpunkten gehören Trauerfeiern nach großen Katastrophen. Sie haben schon vor Monaten eine zentrale Trauerfeier für die Opfer der Corona-Pandemie gefordert. Erfüllen der Gottesdienst und die folgende staatliche Gedenkveranstaltung am kommenden Sonntag Ihre Erwartungen?

Prof. Benedikt Kranemann (Erfurter Liturgiewissenschaftler): Es ist wichtig, dass es nicht nur regionale Trauerfeiern von Gemeinden oder Initiativen gibt, sondern auch einen zentralen Gedenkakt, zu dem sich die verschiedenen Religionsgemeinschaften und die Repräsentanten des Staates versammeln. Bei anderen Anlässen wie großen Katastrophen hat sich gezeigt, dass eine zentrale Feier, in der die Gesellschaft innehält, für ihre Bindekräfte ganz wesentlich ist. Das verspreche ich mir auch von dieser Feier.

KNA: Was halten Sie von der Wahl der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche anstelle einer großen Domkirche, wie Sie empfohlen haben?

Kranemann: Wichtig ist, dass es ein prominenter Ort ist, der dem Gedenken der Corona-Opfer angemessen ist und in der Gesellschaft eine dafür geeignete Bedeutung hat. Bei der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist dies der Fall. So hat es dort nach dem Terrorangriff auf dem benachbarten Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 bereits eine interreligiöse Trauerfeier gegeben.

KNA: Ist der Zeitpunkt für die Corona-Trauerfeier richtig gewählt, wenn die dritte Welle der Pandemie noch im Gange ist?

Kranemann: Wir wissen nicht, wie sich diese Pandemie weiterentwickeln wird und wie lange diese dritte Welle anhält. Auch andere Länder wie Italien haben noch in der Corona-Pandemie der Toten gedacht. Es ist eine solche Bedrücktheit in der Gesellschaft wegen der immer weiter steigenden Zahlen, dass eine Trauerfeier nicht nur zurückschauen sollte auf die Verstorbenen, sondern auch eine tröstende Funktion noch während der Krise haben und Hoffnung machen kann, gemeinsam nach vorne zu schauen.

KNA: Halten Sie eine weitere Trauerfeier nach dem Ende der Pandemie für sinnvoll?

Kranemann: Die Trauer über den Verlust von Menschenleben und von Arbeitsplätzen und über den Mangel an Nähe können es sinnvoll machen, auch im nächsten Jahr eine solche Trauerfeier zu halten. Auch nach Katastrophenfällen hat es in einem größeren Abstand weitere Totengedenken gegeben. Solche Feiern sollen auch Lebenshilfe bieten.

Das Interview führte Gregor Krumpholz.


Prof. Benedikt Kranemann / © Harald Oppitz (KNA)
Prof. Benedikt Kranemann / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema