Trauerbegleiterin aus Freudenberg gibt Halt nach Luises Tod

"Das Unbegreifliche ausdrücken"

Der Tod der 12-jährigen Luise aus Freudenberg hat Deutschland tief erschüttert. Zwei gleichaltrige Mädchen hatten Luise getötet. Am Mittwochabend findet eine Trauerfeier statt, an der auch Irmtrud von Plettenberg teilnimmt.

Ein Holzkreuz, zahlreiche Blumen, Kuscheltiere und Kerzen liegen dort wo die zwölfjährige Luise getötet wurde / © Federico Gambarini (dpa)
Ein Holzkreuz, zahlreiche Blumen, Kuscheltiere und Kerzen liegen dort wo die zwölfjährige Luise getötet wurde / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das wird ein schwerer Gang für viele heute zur Trauerfeier am Mittwochabend um 18 Uhr. Wie wird sie ungefähr ablaufen? Die Presse hat ja wahrscheinlich keinen Zugang heute, oder? 

Irmtrud von Plettenberg (Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin im Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg): Nein, die Trauerfeier wird komplett abgeschirmt. Denn es geht um die Trauer der Angehörigen, um die Fassungslosigkeit der Familie. Es wird ein Gottesdienst im kleinen Kreis, weil die Familie Halt sucht und sich an den Glauben klammert. Wir brauchen den Trost des Glaubens und deshalb ist es auch tröstlich zu wissen, wie viele Menschen wirklich hinter der Familie stehen. 

DOMRADIO.DE: Anderthalb Wochen sind jetzt vergangen. Was können Sie als Trauerbegleitung leisten für die Menschen in Freudenberg? 

von Plettenberg: Das Wichtigste ist Zuhören, da sein und mit den Menschen zu schweigen. Wir versuchen, Rituale zu unterstützen, letztlich sind wir alle ohnmächtig in dieser Situation. Es gibt inzwischen sehr unterschiedliche Formen von Ritualen. Viele Menschen haben sich in das Kondolenzbuch eingetragen, andere lassen heute Abend um 18 Uhr Luftballons steigen, wieder andere treffen sich und lassen Seifenblasen steigen, um das Unbegreifliche auszudrücken.

Irmtrud von Plettenberg (Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin im Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg)

"Wir versuchen, Rituale zu unterstützen, weil letztlich sind wir alle ohnmächtig in dieser Situation."

Wir haben als St. Marien-Gemeinde einen Ginkgobaum gepflanzt – ein Symbol für das Denken, Heilung im Gehirn und auch für das Hören. Wir erleben, dass ganz viele unfassbare Nachrichten und Neuigkeiten erfunden werden. Deshalb ist uns das Denken ganz wichtig. An den Baum haben wir auch Bänder mit Wünschen und Gebeten gehängt und viele verschiedene Menschen hängen weitere Dinge in den Ginkgobaum. Umliegende Dörfer haben die Idee eines Baumes aufgriffen. Der Baum als Symbol, dass es eine Zukunft gibt, auch wenn wir wissen nicht wie.

DOMRADIO.DE: Ein tröstender Gedanke für diese Menschen, die so Schreckliches erlebt haben und vor allem auch die Familie von dem kleinen Mädchen. Sie haben eben angesprochen, dass auch Leute auf sie zugehen und fragen was sie tun können. Werden Sie also auch von Menschen angefragt, die einfach mit Ihnen sprechen wollen? 

von Plettenberg: Ja, ich werde von sehr verschiedenen Menschen angesprochen. In den ersten Tagen waren das immer wieder Familien von Feuerwehrmenschen, Feuerwehrleuten, die an der Suche beteiligt waren, Angehörige von Polizisten. Dann sind es zunehmend auch Familien, deren Kinder in die Gesamtschule gehen oder auch in Freudenberg wohnen. Sie sind zum einen selbst verzweifelt und wissen nicht, wie sie mit ihren Kindern über die Geschehnisse sprechen können.

Zum anderen kommen Eltern auf mich zu, deren Kinder nicht mehr sprechen, weil sie zum Beispiel ein Klassenkamerad der Mädchen war. Das sind Themen, die in den Gesprächen immer wieder eine Rolle spielen. 

DOMRADIO.DE: Die Menschen sprechen ja sicher auch über das Thema Schuld. Also wer hat Schuld an Luises Tod? Kommen Sie auch mit dieser Frage zu Ihnen? 

Irmtrud von Plettenberg (Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin im Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg)

"Wir sind nicht die Verantwortlichen für ein Richten, sondern wir sind die Verantwortlichen für ein Aufrichten."

von Plettenberg: Ja. Die Schuldfrage ist ja eindeutig. Die beiden Mädchen haben die Schuld eingestanden und trotzdem hat die Schuldfrage noch ganz viele andere Facetten. Aber da zeichnet sich unsere Aufgabe als Christen und auch meine Aufgabe als Trauerbegleitung deutlich ab: Wir sind nicht die Verantwortlichen für ein Richten, sondern wir sind die Verantwortlichen für ein Aufrichten.

Ganz wichtig ist, dass wir nicht verurteilen. Dazu sind andere beauftragt. Die Kinder stehen zu ihrer Schuld und als Christen ist es unsere Aufgabe das ernst zu nehmen, was wir im Vaterunser beten: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben, unseren Schuldigern". Unser Umgang mit Menschen ist das ganz Wichtige. 

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR