Freudenberger Dechant erlebt große Betroffenheit im Ort

"Die Stadt steht unter Schock"

Nach dem Tod der zwölfjährigen Luise erlebt der katholische Dechant Karl-Hans Köhle die ganze Stadt unter Schock. Sein Team und er wollen die Trauer der Menschen auffangen. Katholische und evangelische Kirche kooperieren dabei.

In der evangelischen Kirche von Freudenberg liegt ein Kondolenzbuch für das getötete Mädchen Luise aus / © Roberto Pfeil (dpa)
In der evangelischen Kirche von Freudenberg liegt ein Kondolenzbuch für das getötete Mädchen Luise aus / © Roberto Pfeil ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn so etwas passiert, dann ist schnell von Schockstarre die Rede. Trifft das die derzeitige Situation der Menschen in Freudenberg?

Karl-Hans Köhle (Pfarrer in der katholischen Gemeinde St. Marien im Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg): Ja, da kann ich Ihnen zustimmen. Die Stadt steht unter Schock, die Bürgermeisterin hat sich ähnlich geäußert und ich habe das auch persönlich noch mal bei einer spontan einberufenen Andacht in der evangelischen Kirche am Sonntagabend gespürt: wie eine Stille herrschte und auch eine Sprachlosigkeit.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie als Seelsorger die Zeit der Ungewissheit über das Schicksal von Luise bis heute erlebt?

Köhle: Wir hatten am Sonntagmorgen natürlich den gewöhnlichen Gottesdienst, die Heilige Messe in unserer Kirche St. Marien und da war ja noch alles unsicher. Luise galt noch als verschwunden. Da haben wir schon für sie und ihre Familie gebetet und diese Betroffenheit im Rahmen des Gottesdienstes ins Gebet gebracht. Und dann verstärkten sich ja immer mehr die bösen Vermutungen, bis das Mädchen dann gefunden wurde.

Jetzt versuchen wir weiter, die Betroffenheit der Menschen wahrzunehmen und das auch weiter ins Gebet zu bringen. Auf unserer Internetseite ist ein Bild von einer Kerze aus der Marienkirche mit der Überschrift "Eine Kerze für Luise." Dort brennt auch ständig eine Kerze. Gestern haben wir mit den Kommunionkindern auch noch einmal vor dieser Kerze gebetet. Wir versuchen insofern, diese Ängste und auch diese Traurigkeit durch solche Gesten aufzunehmen.

Mädchen nach Tötung von Zwölfjähriger nicht mehr bei ihren Familien

Die beiden Mädchen, die in der Nähe von Freudenberg an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die zwölfjährige Luise getötet haben sollen, leben vorerst nicht mehr bei ihren Eltern. Die beiden 12- und 13-Jährigen seien "außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht", teilte der zuständige Kreis Siegen-Wittgenstein mit. "Das ist auch damit verbunden, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen."

Freudenberg: Polizisten sperren die Umgebung nahe des Fundorts einer Leiche weiträumig ab / © Roberto Pfeil (dpa)
Freudenberg: Polizisten sperren die Umgebung nahe des Fundorts einer Leiche weiträumig ab / © Roberto Pfeil ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die evangelische und die katholische Mariengemeinde bringen sich ein. Was gab und gibt es denn da für Notfall-Angebote?

Köhle: Selbstverständlich ist die katholische Kirche ganztägig geöffnet, wie auch die evangelische Kirche. Ich habe der Bürgermeisterin signalisiert, dass wir selbstverständlich als Seelsorgerinnen und Seelsorger zur Verfügung stehen. Das hat sich an dem Montagmorgen noch nicht als notwendig erwiesen, weil genug Psychologen angefragt waren. Wir hatten das auch der Gesamtschule angeboten. Aber das Angebot besteht natürlich von unserem Seelsorgeteam aus, für Menschen im Gespräch zu sein. Wir werden am Donnerstagabend Pfarrgemeinderat in Freudenberg haben und das da auch nochmal ins Gespräch bringen.

DOMRADIO.DE: Spüren Sie denn, dass jetzt mehr Menschen die Kirche aufsuchen und sich an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen wenden?

Köhle: Das kann ich jetzt so noch nicht direkt bestätigen. Dazu ist es einfach noch zu frisch. Selbstverständlich wird das auch nächsten Sonntag wieder ins Gebet gebracht in unserem normalen Gottesdiensten. Ich glaube schon, dass dieses Kondolenzbuch in der evangelischen Kirche wahrgenommen wird, dass sich da Menschen eintragen und ihre Betroffenheit ausdrücken.

DOMRADIO.DE: Auch mittel- und langfristig wird viel Trauer- und Bewältigungsarbeit auf die Menschen in Freudenberg zukommen. Solch eine schreckliche Tat polarisiert natürlich auch die Menschen. Haben Sie eine Idee, was Sie als Pfarrer und als Gemeinde da tun können?

Köhle: Man durchschaut die Gründe für diese Tat ja nicht wirklich. Welch ein Hass da unter den Mädchen gewesen sein muss oder welch ein Groll. Wir können diesen Familien nur beistehen. Ich denke, die Familie von Luise leidet schrecklich. Der haben wir schriftlich unsere Anteilnahme ausgedrückt, weil da auch der evangelische Pfarrer zunächst mal dran ist. Luise war ja evangelisch und die anderen Mädchen auch. Da können wir nur anbieten dran zu bleiben und seelsorgerisch dabei zu sein. Die werden ja genauso leiden. Und was in diesen 12- und 13-jährigen Mädchen als Täterinnen vorgeht, das wagen wir kaum zu beurteilen.

Karl-Hans Köhle (Pfarrer in der katholischen Gemeinde St. Marien im Pastoralen Raum Siegen-Freudenberg)

"Wir können diesen Familien nur beistehen."

DOMRADIO.DE: Mit wem besprechen und tauschen denn Sie sich in so einer schrecklichen Situation aus?

Köhle: Wir besprechen das natürlich in unserem Team untereinander. Das ist schon ein wichtiger Austausch. Und natürlich auch mit den Menschen, die uns darauf ansprechen.

DOMRADIO.DE: Gibt es schon Pläne für die Beisetzung?

Köhle: Da habe ich noch nichts von erfahren. Da ist erst mal der evangelische Pfarrer am Zuge. Er weiß um unsere Bereitschaft, auch ökumenisch etwas zu gestalten, zum Beispiel einen Gedenkgottesdienst. Aber jetzt müssen wir erst mal abwarten, wann die Beisetzung sein wird. Da gibt es noch keine konkreten Termine.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR