Theologin und Psychologin hat Tipps im Umgang mit Panik

"Der Schutz geht immer vor"

Bei der Panik geht es um tiefe Urängste und den Umgang mit Kontrollverlust. Der internationale Panik-Tag will für dieses Thema sensibilisieren. Psychologie und spirituelle Kraft schließen sich dabei nicht aus.

Autor/in:
Lara Burghardt
Symbolbild Verzweifelte junge Frau / © simona pilolla 2 (shutterstock)
Symbolbild Verzweifelte junge Frau / © simona pilolla 2 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie sind Psychologin und Theologin. Das ist eher selten. Wieso ist das so?

Theologin und Psychologin Cäcilia Scholten (privat)
Theologin und Psychologin Cäcilia Scholten / ( privat )

Cäcilia Scholten (Theologin und Psychologin): Es hat etwas mit der Geschichte unserer beiden Professionen zu tun, dass Theologie und Psychologie lange in der Abgrenzung waren. Es wird aus meiner Perspektive in den letzten Jahren besser, weil wir immer mehr erkennen, dass vieles über das hinausweist, was wir als Menschen regeln können. Da sind wir bei der Gottesfrage oder unserem Glauben. 

DOMRADIO.DE: An diesem Mittwoch ist der internationale Panik-Tag. Können Sie erklären, was genau Panik und was der Unterschied zur Angst ist? 

Scholten: Die Panik ist das Symptom, wenn jemand Angst hat. Man erkennt, dass jemand anfängt zu schwitzen, zu zittern oder schreit. Angst ist erst einmal völlig normal. Sie unterscheidet sich von der Furcht, wo wir uns gerichtet auf etwas fürchten: vor einem Hund, vor einer Schlange oder einer Maus. Die Angst ist eher ungerichtet. Man weiß nicht, warum der Körper so reagiert. Das äußert sich in einer Panikattacke. Wenn das immer mal wieder passiert, sprechen wir von einer generalisierten Angststörung, die behandelbar ist.

Cäcilia Scholten

"Ich versuche, die Angst zu entmachten. Ich halte mir vor Augen, dass es nicht die Situation von früher ist, die ich bereits erlebt habe".

DOMRADIO.DE: Manche haben Angst vor Spinnen, manche vor Schlangen. Welche Momente gibt es noch?

Scholten: Es gibt Leute, die Angst vor Menschen haben. In der Regel ist das bereits ein zweites Symptom. Die Ängste, die wir haben, die Furcht, die wir entwickeln, kommt in der Regel aus unserer Biografie, aus der frühen Kindheit. Uns wird anerzogen, eine Angst vor Hunden zu haben. Es ist natürlich sinnvoll, Respekt vor fremden Hunden zu haben, aber wir bräuchten eigentlich keine Angst vor ihnen zu entwickeln.

Die frühen Erfahrungen prägen uns so sehr, dass wir manchmal gar nicht mehr wissen, wo sie herkommen. Ich selbst habe eine Angststörung in einem ganz kleinen Bereich, die ich von mir kenne. Ich bin einmal in den Bergen abgestürzt. Immer dann, wenn es in die Berge geht, es schotterig und rutschig wird, dann spüre ich das Adrenalin in meinem Körper. Es schießt ein. Ich werde zitterig und merke, dass ich achtgeben und dieser Situation besondere Aufmerksamkeit schenken muss. 

Ich kann es dann herunter arbeiten und getrost irgendwann diesen Berg runtergehen. Es braucht aber den Moment, in dem ich mich beruhigen muss. Ich versuche, die Angst zu entmachten. Ich halte mir vor Augen, dass es nicht die Situation von früher ist, die ich bereits erlebt habe, also eine Situation von früher, in der ich abgestürzt bin und drei Wochen im Krankenhaus lag. Nun habe ich einen kleinen Hügel vor mir, da muss ich hinunter. Manchmal hilft mir auch der Bergpartner, indem er mich an die Hand nimmt, um vom Berg zu kommen.

Cäcilia Scholten

"Wenn Menschen soziale Ängste haben, können sie sich nicht isolieren. Die Isolation führt zu noch mehr Krankheit und letztlich auch zum frühen Tod, wie wir aus der Kindheitsforschung wissen".

DOMRADIO.DE: Welche Symptome können noch auftreten? Manche bekommen schwitzige Hände, manche zittern. Wie genau läuft das ab? Ich zum Beispiel habe Angst vor Spinnen. Welche Symptome bekomme ich? 

Scholten: Das ist unterschiedlich. Entweder Sie schwitzen oder Sie bekommen Herzrasen bis hin zu Todesangst, wenn Sie eine Spinne sehen. Je nachdem, wie ausgeprägt diese Angst ist. Normalerweise könnte man Spinnen meiden. Aber es gibt auch Situationen, da muss man durch.

Wenn Menschen soziale Ängste haben, können sie sich nicht isolieren. Die Isolation führt zu noch mehr Krankheit und letztlich auch zum frühen Tod, wie wir aus der Kindheitsforschung wissen, wenn wir nicht mehr in der Lage sind, die Dinge, die wir im Leben zu bewältigen haben, bewältigen können. 

Dahinter steckt ein sogenanntes Kohärenzgefühl. Das Kohärenzgefühl sagt uns, dass wir Situationen verstehen und handhaben können und dass sie für uns Sinn machen. Ihre Spinnenangst als solche ist nicht so tragisch. Wenn Sie aber in einem Zoo arbeiten müssten und täglichen Umgang mit Spinnen hätten, würde ich die Gesellschaftstherapeutin Ruth Cohn zitieren: "Geh immer einen Schritt weiter, als deine Angst Dich hält." Wir müssen durch diese Ängste hindurch, wir müssen sie erkennen, entmachten und letztlich wieder anders mit ihnen umgehen. 

DOMRADIO.DE: Wie erkennt man, wenn jemand anderes Panik hat? 

Scholten: Mitunter erkennen Sie das gar nicht. Einige Menschen werden ganz still, sinken in sich zusammen, können mitunter auch bewusstlos werden. Es gibt stille und laute Reaktionen. Das kennen Sie wahrscheinlich auch. Jemand fängt an zu schreien, jemand wird aggressiv oder schlägt um sich. 

DOMRADIO.DE: Wie kann man jemandem helfen, der Panik hat? 

Scholten: Mein erster Tipp wäre, die Person nicht anzufassen. Sie wissen nicht, ob derjenige genau dort seine Panik und seine Ängste hat. Wenn Sie diese Person anfassen, kann es sein, dass Sie sich selbst verletzen. Der Schutz geht immer vor. 

Das gilt natürlich auch immer für das Helfersystem. Wichtig ist, beruhigend auf jemanden einzureden, den Notarzt zu verständigen und gegebenenfalls die Atmung zu beeinflussen. Tiefes Einatmen und Ausatmen kann helfen. Es hilft auch, die Ohren zu kneten. Das sind Hilfsmittel aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren und fördert die Gehirndurchblutung. 

Es ist immer wichtig, die Atmung zu kontrollieren. In der Regel gehen Panikattacken mit beschleunigter Atmung und auch mit beschränkter Herzfrequenz einher.

Cäcilia Scholten

"Oft hilft es, sich zu öffnen, dass man unter Panikattacken leidet. Das Thema ist schambehaftet".

DOMRADIO.DE: Sollte einen die Panik stark im Alltag beeinflussen, dann sollte man natürlich eine Therapie in Betracht ziehen. Gibt es aber noch andere Tipps und Tricks, was man auf die Schnelle tun kann? 

Scholten: Die Menschen, die unter Panikattacken leiden, können eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Oft hilft es, sich zu öffnen und zu erzählen, dass man unter Panikattacken leidet. 

Das Thema ist schambehaftet. Die erste Überzeugung für mich als Therapeutin wäre, Menschen aufzufordern, darüber zu reden. Das tun sie ja in der Therapie als erstes mit mir. Dadurch, dass sie darüber reden können und es teilen können, geht dieser Erregungszustand schon herunter. 

Das Gleiche passiert in der Therapie. Die Erregung ist ganz hoch und dann baut sich dieser Erregungszustand ab. Wenn man das öfter übt, dann wird die Erregung weniger und die Panikattacken nehmen ab. 

DOMRADIO.DE: Inwiefern spielt das Thema Panik in der Bibel eine Rolle? 

Scholten: Die ganzen Psalmisten in den Klagepsalmen kannten das Gefühl der Panik sehr gut. Ich nenne zwei Zitate: "Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, ich fürchte kein Unglück. Denn Du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab trösten mich." Und als zweites aus dem Buch der Sprüche: "Menschenfurcht bringt zu Fall. Wer sich aber auf den Herrn verlässt, wird beschützt." 

Wir haben das in jedem Gebet: Wir fangen an mit der Klage. Jede Panikattacke fängt mit der Klage an. Es wird jemand laut. Dann kommt die Bitte. Lass es doch bitte aufhören. Dann kommen Lob, Preis und Dank. So ist es durch jedes Gebet hindurch bis in den Gottesdienst. 

Letztlich zeigt sich in der therapeutischen Arbeit, dass viele Ängste auf eine tief verwurzelte Urangst zurückzuführen sind: die Angst vor dem eigenen Tod, vor dem Kontrollverlust und dem Ausgeliefertsein. Wer etwa panische Angst vorm Fliegen hat, fürchtet nicht nur das Flugzeug, sondern das Ungewisse, das Unkontrollierbare – und damit das eigene Ende. 

Die Bibel kennt diese Angst und spricht viel vom "Fürchten" – mal als heilsame Ehrfurcht vor Gott, die Orientierung und Segen schenkt, mal als lähmende, destruktive Furcht, die den Menschen gefangen hält.

Cäcilia Scholten

"Ich bin überzeugt, dass zwischen Himmel und Erde mehr geschieht, als wir erklären können und dass im Gebet eine Kraft liegt, die trägt und verbindet".

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als Seelsorgerin. Können Sie den Menschen da über den Glauben helfen? 

Scholten: Natürlich. In meinen Beratungen und Therapien, die oft sehr persönliche und sensible Situationen sind, greife ich auf die Methoden der Psychotherapie zurück. Aber gerade wenn es um Lebensfragen, Glauben oder Spiritualität geht, also darum, wie man mit den Unvollkommenheiten des Lebens umgeht und es im Innern ausbalanciert, stoßen wir oft an menschliche Grenzen. Wenn zum Beispiel ein Klient panische Angst hat, weil seine Familie in einem Kriegsgebiet lebt, dann kann ich sagen: Du kannst vielleicht im Moment nichts tun, aber du kannst beten. 

Ich bin überzeugt, dass zwischen Himmel und Erde mehr geschieht, als wir erklären können und dass im Gebet eine Kraft liegt, die trägt und verbindet.

Das Interview führte Lara Burghardt.

Quelle:
DR

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