Theologe zeigt Möglichkeiten Multireligiöser Feiern auf

"Respektvolles Dabeisein beim Gebet der anderen"

Können Schulklassen, in denen verschiedene Religionen vertreten sind, eigentlich gemeinsam beten? Thomas Lemmen aus dem Erzbistum Köln erklärt, was Multireligiöse Feiern sind, wie sie gelingen können und was es zu beachten gilt.

Ein Kreuz hängt an der Wand in einem Klassenraum / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Kreuz hängt an der Wand in einem Klassenraum / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Interreligiöse Gottesdienste sind wahrscheinlich nicht ganz einfach zu feiern, weil für Muslime und Christen und auch Juden gibt es ja, denke ich, gar keine gemeinsamen Gebete, die man zusammen sprechen kann. Also wie kann das überhaupt gehen?

Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln, Mitherausgeber der neuen Handreichung für Multireligiöse Feiern): Es ist grundsätzlich so, dass in diesen Multireligiösen Feiern nicht zusammen gebetet wird, sondern jede Gemeinschaft für sich betet und die anderen zugegen sind. Dieses Modell hat Johannes Paul II. in Assisi in den 1980er-Jahren schon eingeführt. Man nennt das Multireligiöse Feiern. Es ist kein gemeinsames Beten, sondern es ist vielmehr ein respektvolles Dabeisein beim Gebet der anderen.

DOMRADIO.DE: Ist das liturgisch in den drei großen Religionen gestattet, das so zu machen?

Lemmen: Problematisch ist tatsächlich zusammen zu beten, das heißt also, gemeinsame Texte und Rituale zu vollziehen, weil da die Gottesvorstellungen der drei Religionen sehr unterschiedlich sind. Aber zugegen zu sein, wenn der andere betet, das ist in allen drei religiösen Traditionen möglich.

DOMRADIO.DE: Wie kann das konkret aussehen?

Lemmen: Das kann so aussehen, dass sich Lehrerinnen und Lehrer für einen besonderen schulischen Anlass zusammentun und gemeinsam mit Lehrkräften oder Vertretern anderer Religionen eine solche Feier vorbereiten. Dieser Gottesdienst muss dann sorgfältig vorbereitet und die Kinder darauf eingestimmt werden. Dann muss man einen Ort wählen, an dem das möglich ist.

Wenn diese Feier stattfindet, spricht eine Gemeinschaft nach der anderen ihre Gebete und die jeweils anderen hören aufmerksam zu. Dinge des gemeinsamen Tuns, also eine Geste, einen Friedensgruß auszusprechen oder eine Kerze anzuzünden oder so, das sind dann noch gestalterische Elemente, die dazukommen können.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade den Ort angesprochen. Wo kann so etwas denn stattfinden?

Lemmen: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zu. Die Handreichung der deutschen Bischöfe empfiehlt, wegen der religiösen Sensibilität einen neutralen Ort zu wählen. Eine Kirche enthält vielleicht Symbole, die den anderen fremd sind. Da muss man einfach schauen, was sich vor Ort anbietet.

Man kann einen Saal nehmen oder eine Aula. Man könnte meines Erachtens nach auch eine Kirche nehmen, wenn das mit allen so abgesprochen ist. Das hängt vom jeweiligen Kontext ab, wo man ist.

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln)

"Die konfessionellen Gottesdienste bleiben – entweder als katholische Gottesdienste oder als ökumenische Gottesdienste. Zusätzlich kann es jetzt zu besonderen Anlässen eine sogenannte Multireligiöse Feier geben, bei der alle zusammenkommen."

DOMRADIO.DE: In dieser Handreichung finden Lehrerinnen und Lehrer dann Anhaltspunkte, anhand derer sie so etwas organisieren können?

Lemmen: Richtig. Sie finden zunächst mal zwei unterschiedliche Modelle. Die konfessionellen Gottesdienste bleiben – entweder als katholische Gottesdienste oder als ökumenische Gottesdienste. Zusätzlich kann es jetzt zu besonderen Anlässen eine sogenannte Multireligiöse Feier geben, bei der alle zusammenkommen.

Unabhängig davon gibt es aber auch jetzt schon das Modell liturgischer Gastfreundschaft. Das heißt, Menschen anderer Religion sind zu Gast in meinem Gottesdienst, sitzen dabei, hören aufmerksam zu und können auch begrüßt oder auch besonders angesprochen werden.

Ein typisches Beispiel ist eine Hochzeit, bei der ein Partner katholisch und der andere muslimisch ist. Da gibt es eine besondere Hochzeitsfeier, bei der dann auch auf den muslimischen Partner und die Gäste Rücksicht genommen wird. Das ist liturgische Gastfreundschaft. Ich bin zu Gast beim anderen. Das geht natürlich auch umgekehrt, wenn ich zu Gast bin in der Moschee.

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln)

"Mein Glaube an Jesus Christus als Gottes Sohn, Gekreuzigten und Auferstandenen ist das Spezifische meines Glaubens, was in den anderen Religionen in dieser Form nicht vorkommt. Dieses Zeugnis muss ich nicht verbergen."

DOMRADIO.DE: Gibt es Themen, die besonders sensibel sind, wo Sie als Experte sagen, da muss man aufpassen?

Lemmen: Man muss sich bewusst sein, dass es Gemeinsamkeiten gibt im Glauben an den einen Gott. Das ist etwas, was uns verbindet. Das betont auch das Zweite Vatikanische Konzil. Gleichzeitig gibt es aber auch Dinge, die anders sind: Wie ich Gott verstehe, mein Verhältnis zu Jesus, ist er Prophet oder Gottes Sohn? Diese Dinge machen die Unterschiede aus. Die sind nun mal prägend.

Mein Glaube an Jesus Christus als Gottes Sohn, Gekreuzigten und Auferstandenen ist das Spezifische meines Glaubens, was in den anderen Religionen in dieser Form nicht vorkommt. Dieses Zeugnis muss ich nicht verbergen. Davon kann ich sprechen. Aber ich muss sorgfältig davon sprechen, um auch dem anderen ein Gefühl dafür zu vermitteln, was das bedeutet.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie, dass es diesen Bedarf an Schulen gibt? Kommt man mit Fragen zu Ihnen?

Lemmen: Es gibt diesen Bedarf immer dann, wenn sich etwas Tragisches ereignet hat, wie ein Todesfall, eine Katastrophe oder irgendetwas, was nun die Menschen über die Religionen zusammenbringt und sie dazu bringt, sich gemeinsam sich an Gott zu wenden in ihren eigenen Worten.

Wir hatten hier im Kölner Dom das Gebet anlässlich der Germanwings-Katastrophe. Auch dort gab es einen muslimischen und einen jüdischen Part. Das Leben bringt diese Situationen in die Schule oder in den Alltag hinein. Lehrkräfte sind herausgefordert, darauf zu reagieren, um den Menschen dann eine Hilfe auch aus ihrem Glauben anbieten zu können.

Das Interview führte Verena Tröster.

Erzbistum Köln: Multireligiöse Schulfeier ist kein Gottesdienst

Multireligiöse Feiern an den katholischen Schulen im Erzbistum Köln müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das geht aus einer von Kardinal Rainer Maria Woelki unterzeichneten Richtlinie im aktuellen Amtsblatt der Erzdiözese hervor. So müsse ein besonderer Anlass gegeben sein, der es nahelege, die Schulgemeinschaft für eine religiöse Feier nicht zu trennen - etwa nach Krisensituationen wie Todesfällen. Feste der Religionen – etwa das islamische Opferfest – können demnach kein Anlass für eine multireligiöse Feier sein.

Schulgottesdienst: Ein Teilnehmer leuchtet mit einer Opferkerze auf das Liedblatt bei einem Wortgottesdienst / © Harald Oppitz (KNA)
Schulgottesdienst: Ein Teilnehmer leuchtet mit einer Opferkerze auf das Liedblatt bei einem Wortgottesdienst / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR