Geistliche rufen zur Prüfung der Kirchentradition auf

"In jeder Tradition steckt auch Gefahr"

Geistliche verschiedener Kirchen haben am Sonntagabend in Frankfurt am Main zu Selbstkritik aufgerufen. Beim zentralen Gottesdienst der Gebetswoche für die Einheit der Christen mahnten sie, jede Tradition könne auch verknöchern.

Gottesdienstbesucher machen Kreuzzeichen / © Lars Berg (KNA)
Gottesdienstbesucher machen Kreuzzeichen / © Lars Berg ( KNA )

"In jeder Tradition, auch der heiligen, steckt neben den Chancen, die sie uns bietet, auch immer eine Gefahr, die Gefahr nämlich, sich zu verselbstständigen, zu verknöchern oder zu einer sinnentleerten Form zu verkümmern", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron.

Zu dem Gottesdienst in der Freien Evangelischen Gemeinde Frankfurt hatte die ACK Deutschland gemeinsam mit der ACK Hessen-Rheinhessen und der ACK Frankfurt eingeladen. 

Erzpriester Radu Constantin Miron / © Julia Steinbrecht (KNA)
Erzpriester Radu Constantin Miron / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Geschichte der Kirchen hinterfragen

Miron rief zum Hinterfragen der Geschichte der Kirchen auf: "Und es sind nicht immer Ruhmesblätter, die sich bei der historischen Rückschau auftun:" Mit Bezug auf die Bibel sagte er, die "Rezeptur zur Beseitigung jeder Feindseligkeit und Voreingenommenheit" liege auf dem Tisch: "Jeder Mensch - unabhängig von Hautfarbe, Religion, Herkunft, Nationalität und Sprache - trägt das Bild Gottes in sich und ist unser Bruder oder unsere Schwester und gleichberechtigt in der menschlichen Familie."

Die Kirchen müssten immer wieder neu lernen, dieses Rezept mit Leben zu erfüllen. Dies bedeute, hinter die Fassaden zu schauen, gegen Unterdrückung einzuschreiten, für Diskriminierte und Bedürftige zu streiten, Zeuge der Wahrheit zu sein.

Kirche muss Denkmuster verändern

Die Frankfurter evangelische Pfarrerin Stefanie Bohn sagte, auch die Kirchen seien "kein rassismus- und diskrimierungsfreier Raum". "Die Kirche muss ihre Denkmuster, Strukturen und ihre Organisationsweise verändern", forderte sie. Die Aufforderung des alttestamentlichen Propheten Jesaja, das Recht zu suchen, sei auch eine selbstkritische ökumenische Aufgabe und Richtschnur, ergänzte die Ökumenereferentin des katholischen Bistums Limburg, Brigitte Görgen-Grether.

Die jährlich von der ACK ausgerichtete Gebetswoche für die Einheit der Christen dauert vom 18. bis 25. Januar. Der ACK Deutschland gehören nach eigenen Angaben 18 Kirchen mit rund 50 Millionen Mitgliedern an, weitere sieben Kirchen sind Gastmitglieder. Schwerpunkte der 1948 gegründeten ACK sind die theologische Reflexion, das gemeinsame Gebet und das Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die Geschäftsstelle hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. 

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen wird weltweit ökumenisch gefeiert, in der nördlichen Hemisphäre zwischen dem 18. und 25. Januar, in der südlichen Hemisphäre zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Ihre Ursprünge gehen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Seit 1968 werden die Gebetstexte für die Woche vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen herausgegeben. Erarbeitet werden sie jeweils von ökumenischen Vorbereitungsgruppen aus wechselnden Ländern. (KNA/23.01.2022)

Eine betende Frau / © Halinskyi Max (shutterstock)
Quelle:
epd