Theologe sieht Erzbistum Vaduz isoliert

"Unter der Käseglocke"

Ein Verein im Erzbistum Vaduz hat einen synodalen Prozess organisiert, da sich Erzbischof Wolfgang Haas der päpstlichen Weltsynode verweigert hat. Wie steht es um das Liechtensteiner Erzbistum, das an diesem Freitag 25 Jahre alt wird?

Uhrenturm der Vaduzer Kathedrale St. Florin unter der Sonne Liechtensteins. / © Yanisa C (shutterstock)
Uhrenturm der Vaduzer Kathedrale St. Florin unter der Sonne Liechtensteins. / © Yanisa C ( shutterstock )

KNA: Herr Boss, Erzbischof Wolfgang Haas hat im August 2023 seinen 75. Geburtstag. Dann muss er dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Welche Szenarien könnten eintreten?

Dr. Günther Boss (Liechtenstein-Institut)
Dr. Günther Boss / ( )

Günther Boss (Theologe, Berater des Vereins für eine offene Kirche in Liechtenstein, Chefredakteur des bistumseigenen Magazins "Fenster"): Der Papst könnte den Rücktritt annehmen oder Wolfgang Haas noch länger im Amt lassen. Es könnte sein, dass ein neuer Bischof oder Administrator eingesetzt wird - oder dass Liechtenstein wieder mit einem anderen Bistum zusammengeschlossen wird.

KNA: Was dürfte am ehesten eintreten?

Boss: Wer Nachfolger von Wolfgang Haas werden könnte, weiß ich nicht. Doch die wenigen Indizien, die wir im Moment haben, deuten darauf hin, dass der Heilige Stuhl in Liechtenstein das eigene Erzbistum beibehalten will. Wolfgang Haas soll sich jüngst im Priesterrat dahingehend geäußert haben. Niemand kann uns aber etwas Verlässliches sagen, da der Papst auch kurzfristig anders entscheiden kann. Der Nuntius oder die Regierung haben die Öffentlichkeit bisher nicht über die Zukunft des Erzbistums Vaduz informiert, obwohl in wenigen Monaten ein Wechsel ansteht.

KNA: Das Erzbistum Vaduz gibt es seit genau 25 Jahren. Erleben Sie gerade ein Deja-vu?

Boss: 1997 wurde dieses Erzbistum ohne jede Vorabinformation eingerichtet. Damals haben sich Parlament und Regierung empört gezeigt. Die Vorgehensweise des Heiligen Stuhls wurde massiv in Frage gestellt. Immer wieder wurde betont, dass es völkerrechtlich eine Verletzung der Souveränität Liechtensteins sei. Leider meint unsere Regierung heute wohl, dass es ein souveränitätspolitischer Gewinn sei, ein eigenes Bistum im Land zu haben.

Verein für eine offene Kirche in Liechtenstein

Der Verein für eine offene Kirche entstand am 2. Februar 1998 als Reaktion auf die Errichtung des Erzbistums Vaduz.

In den folgenden Jahren wich der Protestcharakter des Vereins mehr und mehr der pastoralen Sorge um ein lebendiges Kirche-Sein in Liechtenstein.

Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger (shutterstock)
Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger ( shutterstock )

KNA: Was macht das mit Ihnen?

Boss: Es enttäuscht mich. Wir haben jetzt 25 Jahre lang erlebt, dass es nicht gut kommt mit einem isolierten Bistum für zehn Pfarreien. Wir haben verschiedene Modelle vorgeschlagen, um wieder eine Verbindung zu finden mit einem größeren Bistum und mit einer Bischofskonferenz. Etwa das Modell der Personalunion mit Chur, so dass es in Zukunft den "Bischof von Chur und Vaduz" in einer Person geben würde. Scheinbar alles für die Katz - es wird rein machtpolitisch entschieden. Pastorale oder theologische Erwägungen scheinen zweitrangig zu sein. Insider sagen mir, dass es im Hintergrund sogar um handfeste finanzielle Interessen gehe.

KNA: Woran denken Sie dabei?

Boss: Man müsste mal recherchieren, welche Summe der Erzbischof von Vaduz vom Mutterbistum Chur herausgefordert hat. Zudem müsste man einmal die kirchliche Stiftung "Mater Fortior" des Erzbistums Vaduz unter die Lupe nehmen. Darin dürften bereits viele Spenden, Legate, Grundstücke und Immobilien liegen. Transparenz gibt es nicht; eine kirchliche Stiftung fliegt unter dem Radar der Finanzmarktaufsicht (FMA) durch.

KNA: Was bräuchte das Erzbistum Vaduz?

Boss: Es braucht eine Öffnung nach außen; eine stärkere Einbindung in eine Bischofskonferenz und eine Verbindung zu anderen Bistümern und Bischöfen. Wir brauchen Einbindung in ein größeres kirchliches Ganzes. Ein Bistum mit zehn Pfarreien ist in dieser Kleinheit absurd. Die Tendenz in der katholischen Kirche geht seit Jahrzehnten dahin, Mini-Bistümer wie etwa in Italien aufzulösen. Wir sind komplett isoliert - und nicht nur wir Gläubigen. Auch Wolfgang Haas hat sich zunehmend isoliert. Niemand kommt mehr an ihn heran. Teilweise nicht mal mehr sein eigener Klerus.

KNA: Haben Sie Hoffnung, dass sich das verbessern wird?

Boss: Wenn dieses Problem der Isolation nicht gesehen wird, wird sich nichts ändern. Es kann sein, dass ein guter Bischof sein Amt antritt, der von sich aus oder im Auftrag Roms die Verbindung zu Feldkirch, Chur oder Sankt Gallen sucht - oder auch zur Schweizer Bischofskonferenz. Wenn das nicht geschieht, bleiben wir weiterhin unter einer Käseglocke.

KNA: Erzbischof Haas hat sich gegen den von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten synodalen Prozess ausgesprochen - und eine Mitwirkung verweigert.

Boss: Es ist nicht das erste Mal, dass der Erzbischof eine Anweisung von Papst Franziskus nicht befolgt; das war schon öfter der Fall. Dass er das aber öffentlich kommuniziert hat, war neu. Er hat der ganzen Welt verkündet, dass er sich gegen den Papst stellt. Gleichzeitig behauptet er, dass wir in Liechtenstein jederzeit miteinander sprechen könnten - das ist lächerlich. Er zeigt keinerlei inhaltliches Interesse an der Meinung der Gläubigen. Haas' Verhalten steht für einen Bruch mit Rom.

Das Interview führte Jacqueline Straub, KNA.

Quelle:
KNA
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