DOMRADIO.DE: An diesem Freitagabend um 18 Uhr gibt es eine Veranstaltung bei der Ditib in Köln-Chorweiler. Sie werden gemeinsam mit Zekeriya Altuğ vom Ditib-Dachverband dabei sein. Die Veranstaltung hat die Unterüberschrift: Vorträge, Gespräche, gemütliches Beisammensein. Auf die Beine gestellt wurde das von der Ditib, der türkisch-islamischen Union und der Bürgerplattform "Stark im Kölner Norden", in der katholische und evangelische Gemeinden aktiv sind. Wie kommen Sie dazu?
Prof. Dr. Thomas Lemmen (Katholischer Theologe und Referent für Islamfragen im Erzbistum Köln): Als Fachbereich Dialog des Erzbistums Köln kennen wir die Arbeit dieses Netzwerks von Anbeginn an. Wir sind anfangs begleitend dabei gewesen und die Kontakte sind seit der Entstehung geblieben. Ich habe die Einladung gerne angenommen, bei einer Veranstaltung auch mal persönlich zugegen zu sein.
DOMRADIO.DE: In der Bibel heißt es: "Macht euch die Erde untertan". Darüber wird häufig gestritten und diskutiert. Sie werden in Ihrem Vortrag vermutlich auch damit reingehen, oder?
Lemmen: Natürlich. Das ist eine sehr problematische Stelle, die auch Anlass zu Missinterpretationen und Fehldeutungen gibt. Manche sehen darin eine der Ursachen der ökologischen Katastrophe. Das katholische Bibelwerk hat ein sehr schönes Buch mit dem Titel "Bibel falsch verstanden" herausgegeben.
Dieses Buch räumt mit Missverständnissen wie diesem auf. Man muss sich vorstellen, die Worte "Unterwerft euch die Erde, macht sie euch untertan", sind vor dem Hintergrund einer agrarischen Gesellschaft entstanden, vor dem Hintergrund des Gartenbaus und bedeuteten in diesem Zusammenhang die Pflege des Ackers, die Bearbeitung des Ackers. Aber es geht eben nicht um die rücksichtslose Ausbeutung von Land und Boden.
DOMRADIO.DE: Das war nun das Alte Testament. Gibt es auch im Neuen Testament Stellen, die uns diesen Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, nahelegen?
Lemmen: Ja, man könnte zum Beispiel die Aufgabe des Menschen besser als die eines treuen, sorgsamen Verwalters bezeichnen. Da gibt es sehr viele biblische Gleichnisse, in denen Jesus von einem solchen treuen, sorgsamen Verwalter spricht.
Wenn Jesus zur Nächstenliebe aufruft, könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass sich diese Nächstenliebe auf die ganze Schöpfung erstreckt, auf die Tiere, auf die Umwelt und auf alles, was in der Schöpfung ist.
DOMRADIO.DE: Aus christlicher Perspektive gibt es durchaus viele Aufträge in der Bibel, die Schöpfung zu bewahren. Und die Schriftreligionen Judentum, Christentum und Islam haben eine gemeinsame Quelle. Steht da also die Schöpfungsverantwortung drin?
Lemmen: Die Grundlagen der drei Religionen sind das Bekenntnis zu dem einen Gott. In der Bibel, die das Christentum und das Judentum zumindest im Alten Testament teilen, finden wir diesen Schöpfungsauftrag, den wir erklärt haben.
Ähnliches findet sich auch im Koran. Dort ist die Aufgabe des Menschen die eines Statthalters, eines Stellvertreters Gottes auf Erden. Im Koran wird beschrieben, wie Gott alles schafft und den Menschen vorstellt und ihm sagt, jetzt ist es deine Aufgabe, mein Statthalter, mein Stellvertreter auf Erden zu sein.
DOMRADIO.DE: Gibt es eine Stelle, die man dafür hernehmen kann?
Lemmen: Man kann folgende Gedanken aufgreifen: Es gibt im Christentum die Vorstellung, dass man aus der Schöpfung heraus auch Gott erkennen kann, dass die Schöpfung selbst ein Buch ist wie die Bibel, welches uns den Schöpfer erschließt.
Jedes Lebewesen der Welt ist für uns wie ein Buch, ein Bild oder ein Spiegel, sagt Alanus von Lille, mittelalterlicher Theologe. Genau dieselbe Vorstellung gibt es im Islam, dass die Schöpfung neben dem Koran das zweite Buch ist, in dem Gott zu den Menschen spricht.
Ich brauche nicht nach einzelnen Versen zu suchen, die es gibt, sondern kann sagen, dass wir in dieser grundsätzlichen Vorstellung der Schöpfung Gott als den Schöpfer erkennen können.
DOMRADIO.DE: Also ist bei dieser Diskussions- und Vortragsrunde am Freitag nicht zu erwarten, dass Sie sich mit Herrn Altuğ über den Schöpfungsauftrag streiten müssen?
Lemmen: Das werden wir nicht. Wir werden viel mehr feststellen können, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben. Das ist auch wichtig für die Ökologie. Sie ist eine wichtige Aufgabe, die aber nicht einfach so auf uns zugeflogen kommt, weil wir sehen, dass alles vor einem Kollaps steht.
Diese Aufgabe können wir vielmehr aus unserem Glauben ableiten und sozusagen zu einer christlichen Aufgabe machen. Das Unterschiedliche liegt darin, dass wir als Christen und Christinnen glauben, dass Gott durch Jesus Christus existenziell mit der Schöpfung verbunden ist. Dadurch, dass Gott in seinem Sohn in die Welt eingetreten ist, ist er Teil dieser Welt geworden. Diese Vorstellung teilen wir mit den beiden anderen Religionen nicht.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.