Theologe Boch blickt auf kirchliche Bezüge in Brettspielen

Stereotypen und tiefere Auseinandersetzungen

In Essen widmet man sich gerade auf der Spielemesse den ganz besonderen Welten, die in Spielen dargestellt sein können. Welche Bezüge gibt es da zu Kirche und Religion? Der Theologe Lukas Boch forscht auf diesem Gebiet.

Symbolbild Brettspiel / © pockethifi (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie sind Theologe und Historiker und forschen zum Thema Darstellung und Funktion der Kirchengeschichte des Mittelalters in modernen Brettspielen. Wie sind Sie denn darauf gekommen?

Lukas Boch (Theologe und Historiker): Ich komme ursprünglich aus dem digitalen Bereich. Ich bin auch im Vorstand des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und digitale Spiele und habe dort festgestellt, dass es zwar viel Forschung zu digitalen Spielen und Geschichte gibt, aber zu analogen Spielen kaum etwas.

Das ist vor allem deswegen schade, weil Deutschland eine ganz einzigartige Brettspiel-Kultur hat, die jedoch kaum erforscht ist. Und ich bin selbst auch ein großer Fan vom Mittelalter.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche steckt in einer ziemlich großen Krise. Immer mehr Gläubige treten aus. Ist es da für Spielehersteller heute noch attraktiv, das Thema Kirche aufzugreifen?

Boch: Ich glaube, dass wir uns da mal überlegen müssen, dass auch diese Vorstellungen von der Gesellschaft, von Kirche und von Kirchengeschichte immer sehr stark davon geprägt sind, welche Bilder wir in Spielen finden.

Es ist sehr interessant, dass wir gerade in Spielen, die im Mittelalter spielen, ganz viele Bezüge zur Kirche haben. In aktuellen Spielen ist das kaum der Fall. Das wird vor allem auch damit zu tun haben, dass die Kirche einen schweren Stand hat. Im Mittelalter hingegen finden wir immer wieder die Kirche – und da interessanterweise nicht als Kreuzzüge, Hexenverbrennung oder Inquisition, sondern eigentlich viel mehr mit positiven Stereotypen besetzt. Das ist etwas Besonderes beim Brettspiel.

DOMRADIO.DE: Welches Bild von Kirche und Glauben wird da beispielsweise vermittelt?

Boch: Ein schönes Beispiel, was man immer nutzen kann, ist das von Klöstern. Klöster haben in Brettspielen, die häufig ja auch mit Aufbau-Simulationen zusammenhängen, positive Effekte. Bauen Sie ein Kloster, können Sie beispielsweise zusätzliche Handkarten auf die Hand nehmen in dem Kartenspiel von "Die Siedler von Catan". Das hat natürlich auch einen thematischen Bezug, denn Klöster waren ja Wissensspeicher.

Was wir auch sehr häufig finden, ist das Bild des glücklichen, dicken und trinkenden Mönches. Sie finden eigentlich kaum ein Spiel, wo Mönche auftreten, wo nicht zum Beispiel Alkohol im Spiel ist.

DOMRADIO.DE: Mittelalterliche Klöster, Kirchen und Bibliotheken können gut als Kulissen herhalten, haben aber auch was Mystisches. Werden in modernen Brettspielen denn nur diese Klischees bedient oder gibt es auch eine tiefere Auseinandersetzung?

Boch: Es gibt auf jeden Fall auch tiefere Auseinandersetzungen. Ich will ein Beispiel nennen aus dem Brettspiel "Orleans" (2015 zum Kennerspiel des Jahres nominiert). Dort können Sie auch Mönche als Marker in verschiedenen Gebäuden einsetzen, um sie zu aktivieren. Da gibt es beispielsweise die Sakristei. Und wenn Sie dort einen Mönch einsetzen, werden Sie vor dem nächsten negativen Ereignis verschont, das in diesem Spiel auftritt.

Das ist, wenn man sich das überlegt, eigentlich genau die Vorstellung von mittelalterlicher Religiosität, die wir auch in der Wissenschaft kennen. Also, Sie beten und erhoffen sich dadurch Fürsprache beziehungsweise Schutz. So etwas findet man immer häufiger auch in Spielen, dass wir eine Verknüpfung von Thema und Regelwerk haben.

DOMRADIO.DE: Sie sind auch selbst ein Fan von Brettspielen. Haben Sie einen Tipp, welches Spiel richtig viel Spaß macht und was man sich zum Beispiel als Weihnachtsgeschenk schon auf die Liste schreiben kann?

Boch: Ich würde tatsächlich "Deal with the Devil" von Czech Games Edition empfehlen. Das ist ein Spiel, wo wir vier Königreiche spielen, aber der Clou an der Sache ist, dass eines dieser Königreiche vom Teufel persönlich regiert wird, eines von einem Kultisten und zwei gehören ganz normalen Menschen.

In diesem Spiel können die Menschen ihre Seele an den Teufel verkaufen, um zusätzliche Ressourcen zu erhalten. Aber aufgepasst, dann wird die Inquisition auf jemanden aufmerksam. Das ist also ein Spiel, das, wie ich finde, sehr spannend mit Religiosität umgeht, mit einem Augenzwinkern – und auch wunderbare Illustrationen dabei hat. Das ist vielleicht ein Tipp, ein durchaus auch länger gehendes Spiel. Aber das werde ich mir persönlich auf jeden Fall noch holen.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR
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