In weniger als einem Monat bricht Papst Franziskus zu seiner 45. und bisher längsten Auslandsreise auf. Der 87-Jährige besucht Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur. Wie bei all seinen Besuchen möchte er ein Schlaglicht auf die Region werfen. Und damit - wenn möglich und nötig - politische und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen. Aber wie groß ist der Einfluss des wirtschaftlich wie militärisch unbedeutenden Kleinstaats Vatikan auf die internationale Politik?
Zwei Forscher der Freien Universität Brüssel und der Universität Hamburg haben die Auswirkungen Apostolischer Reisen auf die örtlichen Menschenrechte untersucht und sind zu einem durchaus positiven Ergebnis gekommen. In ihrer Studie analysierten Marek Endrich und Jerk Gutmann die weltweite Medienberichterstattung über Menschenrechtsthemen im jeweiligen Gastland, die Inhalte der vor Ort gehaltenen Papstreden sowie mögliche Veränderungen in der Zahl der Menschenrechtsverletzungen.
Unter die Lupe nahmen sie 283 Staatsbesuche von vier Päpsten - von Paul VI. bis Franziskus. Berücksichtigt wurden Länder, zu denen Daten der Menschenrechtslage vorhanden waren. Der Untersuchungszeitraum endet mit dem Jahr 2019 - also vor der Corona-Pandemie.
Menschenrechte als "Unique Selling Point"
Nicht von ungefähr gaben sie ihrer Studie den Namen "Pacem in terris" (Friede auf Erden). Er bezieht sich auf die gleichnamige Enzyklika von Papst Johannes XXIII. von 1963, in der das Kirchenoberhaupt die Bedeutung der Menschenrechte hervorhebt - ein Schreiben, das der Vatikan mit seiner Erklärung "Dignitas infinita" (Unendliche Würde) in diesem Jahr noch einmal bestätigte. Das Engagement für die Menschenrechte habe der katholischen Kirche die Möglichkeit gegeben, eine Identität als Verteidigerin gesellschaftlicher Interessen zu entwickeln, so die Forscher.
Sie könne Standards für Menschenrechte setzen, öffentlich zu deren Schutz aufrufen und eingetretene Verbesserungen für sich beanspruchen. Die Förderung der Menschenrechte im großen Stil ist laut Forschern ein wesentlicher Bestandteil des Markenzeichens der katholischen Kirche geworden, das sie von ihren Konkurrenten abhebt. Dieses Image trage dazu bei, die Unterstützung von Anhängern zu gewinnen und zu stabilisieren sowie die Mitgliederzahl allgemein zu steigern.
Vorteile für beide Seiten
Neben einem Imagegewinn für die katholische Kirche selbst, kann sich ein Papstbesuch auch für die Regierungen der jeweiligen Länder auszahlen. Verfügten sie bereits über eine gute Menschenrechtsbilanz oder seien zu Verbesserungen vor dem Besuch bereit, stärke ein Lob des Kirchenoberhauptes ihre Legitimität und unterstütze eine mögliche Amtszeitverlängerung. Auch das Ansehen des Landes könne durch die Anwesenheit des Papstes international zunehmen - nicht unerheblich beispielsweise für den Tourismus.
Effekte schon vor Anwesenheit des Papstes
Bereits vor einem Papstbesuch deuteten sich positive Effekte auf den Schutz der Menschenrechte an: Es zeigten sich quantitativ weniger Verletzungen, auch würden beispielsweise Strafgefangene freigelassen. Der Effekt beginne etwa, wenn der Vatikan die Einladung des Gastlandes annimmt, setzt sich bei der anschließende Reiseplanung fort und endet mit der Abreise des Papstes. Danach steigerten sich die Verbesserungen zwar nicht; sie fielen aber auch nicht auf das ursprüngliche Niveau zurück, stellten die Wissenschaftler fest.
Ihren Schätzungen zufolge entspricht die Verbesserung der Menschenrechtslage aufgrund eines Papstbesuchs etwa einem Drittel ihrer zu erwartenden Verschlechterung durch einen erfolgreichen Putsch.
Zu den positiven Effekten trügen maßgeblich internationale Medien bei, die verstärkt über das Gastland des Papstes berichten. Dabei richtete sich der Fokus ihrer Beiträge verstärkt auf die Menschenrechtslage vor Ort. Die Anzahl der Artikel zu dieser Thematik verdoppele sich während eines Papstbesuchs im Vergleich zu "normalen" Zeiten.
Das Haar in der Suppe: Erfolg nur in Demokratien
Der Erfolg beim Rückgang von Menschenrechtsverletzungen ist laut der Untersuchng nicht an die Zahl der Katholiken im Land oder das Einkommen der Bevölkerung geknüpft, wohl aber an die Staatsform. Während Demokratien systematisch auf den Papst reagierten, bildeten positive Effekte bei Nicht-Demokratien die Ausnahme.
Dieser Effekt scheint laut Forschern darauf zurückzuführen zu sein, dass demokratische Regierungen eine erhöhte Aufmerksamkeit der Medien für Menschenrechtsfragen und die Anerkennung ihrer Bemühungen um deren Schutz durch den Papst erwarten. "Regierungen laden den Papst nur dann ein, wenn sie davon ausgehen, dass ihr Gewinn an Legitimität die Kosten des Besuchs, einschließlich des Risikos, vom Papst für die Menschenrechtslage des Landes kritisiert zu werden, überwiegt", so die Studie.
Studie macht Hoffnung auf Argentinien-Reise
Bei ihrer Auswertung der Reiseziele fanden die Wissenschaftler übrigens auch heraus, dass das Geburtsland des jeweiligen Papstes über eine hohe Besuch-Wahrscheinlichkeit verfügt. Das macht Hoffnung auf eine schon fast abgeschriebene Argentinien-Reise im November. Wenn da nicht zugleich die Feststellung wäre, dass die Häufigkeit von Auslandsreisen mit zunehmendem Alter des Papstes sinkt ...