Riss zwischen Kirche und Regierung in Argentinien wird größer

Stimmung scheint gekippt

Eigentlich galt die katholische Kirche im Heimatland von Papst Franziskus als Unterstützer von Präsident Alberto Fernandez. Doch inzwischen tauchen immer mehr Gräben auf. Ein Blick in das südamerikanische Land.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kongressgebäude in Buenos Aires / © Marco Sie (shutterstock)
Kongressgebäude in Buenos Aires / © Marco Sie ( shutterstock )

Vor gut zwei Jahren galt Präsident Alberto Fernandez noch als der große Hoffnungsträger Argentiniens. Ein strahlender Wahlsieg und das Versprechen des Linkspolitikers, die Armutsbekämpfung ins Zentrum seiner Präsidentschaft zu stellen, brachten ihm auch innerhalb der katholischen Kirche Zustimmung ein.

Eine Gruppe prominenter Armenpriester machte sogar Wahlkampf für Fernandez. "Alberto und Cristina repräsentieren eine neue Hoffnung für das Vaterland", hieß es damals in einer gemeinsamen Stellungnahme der Armenpriester mit Blick auf die Kandidatur von Fernandez und der ehemaligen Präsidentin Cristina Kirchner (2007-2015) als Vizepräsidentin. "Wir sind nicht blauäugig. Uns erwarten harte Zeiten wegen der unverantwortlich angenommenen Verschuldung und des fortgeschrittenen Verfalls des sozialen Netzes", schrieben die Geistlichen.

Stimmung im Land gekippt

Fernandez versprach seinerseits bei einem Treffen von sozialen Bewegungen, Repräsentanten der katholischen Kirche und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen im Oktober 2019: "Unsere größte Schande ist der Hunger. Wenn ich gewählt werde, werde ich mich an die Spitze der Kampagne gegen den Hunger stellen." Doch inzwischen ist die Stimmung für den Präsidenten im Land spürbar gekippt.

Die Corona-Pandemie hat Argentinien fest im Griff: Mit fast 110.000 Toten Mitte August - umgerechnet rund 243 Tote pro 100.000 Einwohner - liegt Argentinien derzeit weltweit auf Rang elf, knapp hinter Brasilien. Ähnlich wie im nördlichen Nachbarland Amtskollege Jair Bolsonaro steht nun auch Fernandez im Zentrum der Kritik. Man wirft ihm massives Versagen bei der Corona-Politik vor. Hinzu kommt: Die teilweise harten wirtschaftlichen Einschränkungen führten zu einem sprunghaften Anstieg der Armutsrate und einer schweren Wirtschaftskrise. Ende Dezember 2020 soll die Hälfte der Argentinier in Armut gelebt haben, heißt es in aktuellen Statistiken. Inzwischen gibt es Proteste, die von der Regierung eine Wiederbelebung des Arbeitsmarktes fordern.

Die Kirche rief die Regierung jüngst auf, in der Pandemie endlich "wahre Führungsqualitäten" zu beweisen. Die politisch Verantwortlichen seien aufgerufen, angesichts wachsender Armut, Exklusion und Arbeitslosigkeit "Disqualifikationen und Positionen, die Ressentiments und Spaltung fördern," zu unterlassen. Wenig später kursierte öffentlich ein Foto, das Fernandez inmitten einer Geburtstags-Party mit Freunden und Familien zeigte: Ohne Maske, ohne Abstand und vor allem gegen die von ihm selbst auferlegten Lockdown-Regelungen für seine Landsleute.

Es stammt dem Vernehmen nach von den Feierlichkeiten von Fernandez Lebensgefährtin Fabiola Yanez. Eine politische Blamage für den Präsidenten ebenso wie sein rassistischer Spruch über die Herkunft der Argentinier: "Die Mexikaner stammen von den Indios ab, die Brasilianer kommen aus dem Dschungel, aber wir Argentinier sind mit Schiffen aus Europa gekommen", sagte Fernandez bei einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sanchez in Buenos Aires, was bei der indigenen Bevölkerung Argentiniens für Entrüstung sorgte.

Streit um Cannabis

Neben der Kritik an der Corona-Politik bestehen die inhaltlichen Differenzen zwischen Regierung und Kirche im Heimatland von Papst Franziskus auch auf anderen Feldern. So sprach sich die Kirche gegen eine Liberalisierung und Legalisierung von Cannabis aus - die Fernandez-Regierung indes legalisierte Anbau und Abgabe für medizinische Zwecke im November 2020. Auch dass der Präsident sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stark machte, brachte ihm aus Teilen der Kirche scharfe Kritik ein.

Der Präsident sucht unterdessen die Flucht nach vorn. Ihm blieben noch zwei Jahre, um das Blatt zu wenden, ließ er zuletzt verlauten.

Wie andere Regierungen in Lateinamerika setzt auch Fernandez darauf, dass sich die Wirtschaft nach dem Abklingen der Corona-Pandemie wieder erholen könnte. Kolumbien verzeichnete im zweiten Quartal beispielsweise ein Wirtschaftswachstum von 17,6 Prozent. Einen solchen Aufschwung könnte auch Argentinien dringend gebrauchen.


Quelle:
KNA