Staatsrechtler tadelt Berufung auf Verjährung von Bistümern

"Zahlungen an Missbrauchsopfer erhöhen"

Der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen hält es für möglich, dass sich Bistümer bei Schmerzensgeldklagen von Missbrauchsopfern künftig nicht mehr auf Verjährung berufen können. Er bewertet ein Kölner Urteil als positiven Impuls.

Symbolbild Kirche und Geld / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Kirche und Geld / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Sollten sie dies künftig tun, müssten sie damit rechnen, dass Gerichte dies "als rechtsmissbräuchlich brandmarken", sagte er der "Kölnischen Rundschau" (online und Donnerstagsausgabe). Vom Juristischen ins Deutsche übersetzt hieße das: "Erst habt ihr alles vertuscht, auf Zeit gespielt und Betroffenen das Leben schwer gemacht, und jetzt fällt euch ein, dass ihr mit all dem nichts zu tun habt. Geht's noch?!"

Stephan Rixen (Deutscher Ethikrat)

Rixen reagierte auf ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln, das das Erzbistum Köln zu einer Zahlung von 300.000 Euro an einen Missbrauchsbetroffenen verurteilt hatte. "Ganz klar, da wird Rechtsgeschichte geschrieben", sagte der Jurist, der der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs auf Bundesebene angehört. Er erwarte Klagen nun auch in anderen Bereichen.

Beweislast kann erleichtert werden

Laut Rixen muss in einem Schmerzensgeldprozess normalerweise der Kläger die Vorwürfe beweisen. "Aber die Beweislast kann auch erleichtert werden, sie kann sich sogar ganz umkehren, wenn es um Tatsachen geht, die in der internen Sphäre des Beklagten liegen und die der Kläger beim besten Willen nicht nachweisen kann."

Dieses Problem habe das Landgericht Traunstein am Dienstag bei einem weiteren Schmerzensgeldprozess eines Missbrauchsopfers gegen die Kirche schon angesprochen. Wenn die Beweislast erleichtert würde, wäre das ein sensationelles Signal.

Erhöhung von Zahlungsrahmen 

Das Kölner Urteil ist nach seiner Ansicht auch ein wichtiger Impuls, das kircheninterne Zahlungsverfahren für Missbrauchsbetroffene weiterzuentwickeln. Dem Kölner Kläger habe die Kirche nur 25.000 Euro zugesprochen, das Landgericht aber die 12-fache Summe, sagte Rixen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

"Für mich entspricht es ganz klar dem Geist des Kölner Urteils, den Zahlungsrahmen nach oben zu verschieben, zum Beispiel zwischen 30.000 und 300.000 Euro." Der Rahmen könnte auch noch höher ausfallen. So habe eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz 2019 einen Korridor zwischen 40.000 und 400.000 Euro empfohlen.

Rixen bekräftigte seine Forderung nach einem Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer, den der Staat und Institutionen wie Kirchen und Sportverbände gemeinsam finanzieren.

"Die katholische Kirche ist ein schwerfälliger Tanker, der sich, auch wenn es um Gerechtigkeit für Betroffene geht, nur langsam bewegt, aber immerhin, er bewegt sich", betonte der Jurist. "Die evangelische Kirche und auch der Sport sind so weit noch nicht, vom Staat ganz zu schweigen, wenn es um Staatsversagen bei der Aufsicht über Heime, bei den Jugendämtern oder in Schulen geht."

Erzbistum Köln muss 300.000 Euro an Missbrauchsopfer zahlen

Das Erzbistum Köln muss 300.000 Euro Schadensersatz an einen Missbrauchsbetroffenen zahlen. Das entschied das Landgericht Köln.

Der Betroffene hatte 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Er hatte bereits 25.000 Euro von der Diözese in Anerkennung seines Leids erhalten. Bei einem ersten Verhandlungstermin Anfang Dezember hatte Richter Stephan Singbartl einen Vergleich vorgeschlagen. Es kam jedoch nicht zu einer Einigung. Der Prozess könnte Vorbildcharakter für weitere Schmerzensgeldklagen gegen die katholische Kirche haben.

Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera (shutterstock)
Richterhammer mit Rosenkranz / © Jiri Hera ( shutterstock )
Quelle:
KNA