Sr. Agnesita über ihre Pläne für die deutschen Ordensgemeinschaften

Reservistin der Zukunft

Das Ordensleben bezeichnet der Papst als "Reserve der Zukunft". Darin findet sich die Franziskanerin Sr. Agnesita Dobler wieder. Die Generalsekretärin der Deutschen Ordensobernkonferenz will positiv für ihre Lebensform werben.

Nonnen beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro (dpa)
Nonnen beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro / ( dpa )

KNA: Schwester Agnesita, bevor Sie in Ihr neues Amt gewählt worden sind, waren Sie auch als Messe- und Flughafenseelsorgerin in Stuttgart tätig. Wird Ihnen die Arbeit an der Basis nicht fehlen?

Schwester Agnesita: Ich habe meine Arbeit noch nie unter diesem Blickwinkel gesehen. Ich habe eigentlich eher an einem "Nicht-Ort" gearbeitet - einem großen Flughafen und einer Messehalle mit vielen Menschen, einem Kommen und Gehen. Im Prinzip spiegeln die Messe und der Flughafen die moderne Gesellschaft wieder: viele Nationalitäten, hoher Zeitdruck, Rastlosigkeit, Geschäftigkeit, Wirtschaftlichkeit, ein Unterwegssein ohne Bleibe. Mit Arbeit an der "Basis" hat das wenig zu tun.

KNA: Im Rahmen eines Betriebspraktikums haben Sie auch den Kabinenraum von Flugzeugen geputzt - möchten Sie ähnlich unkonventionell an Ihre neue Aufgabe herangehen?

Schwester Agnesita: Das wirkt vielleicht unkonventionell. Aber ich habe mir vorgenommen, alles zu tun, damit ich weiß, was mich erwartet - auf dem Flughafen, aber auch in meinem neuen Amt. Jetzt sind es die Orden und meine Mitarbeiter. Ich möchte herausfinden, was sie brauchen und wohin der Weg für uns hingehen kann. Ich habe durchaus Vorstellungen, aber noch kein fertiges Konzept. Ich werde vielleicht nicht die Klosterkirche putzen, aber andere Wege finden, um in Kontakt zu kommen: Ich möchte viele Arbeitstreffen besuchen und Einladungen wahrnehmen, um die Gemeinschaften und vor allem deren Menschen kennenzulernen.

KNA: Die Orden in Deutschland haben große Nachwuchssorgen. Ein Leben im Kloster scheint im Gegensatz zu früher weit weniger attraktiv zu sein. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Tag der offenen Klöster in diesem Mai?

Schwester Agnesita: Der Aktionstag hat gezeigt, dass Kloster an sich attraktiv ist; es sind viele Besucher gekommen. Solch ein Tag ist ein niederschwelliges Angebot, einmal hinter die Klostermauern zu schauen.

In der Tat haben die Orden Nachwuchssorgen. Es macht Probleme, mit immer weniger Schwestern etwas auf die Beine zu stellen, und auch das Zusammenleben mit vielen älteren Schwestern stellt eine Herausforderung dar. Eines darf man aber nicht vergessen: Wenn jemand in einen Orden eintritt, dann ist das zunächst eine zutiefst persönliche Entscheidung aus dem Glauben und der Liebe zu Gott. Es geht nicht primär darum, ein Institut oder eine Einrichtung zu erhalten. Vielmehr ist ein Kloster ein Ort für eine Lebensform, die nach meiner Erfahrung ein gewinnendes, glückliches Leben bedeuten kann. Wenn die Nachwuchssorge darauf reduziert wird, unsere Häuser zu erhalten, dann greift das aus meiner Sicht viel zu kurz.

KNA: Was ist Ihnen in Ihrem neuen Amt ein besonderes Anliegen?

Schwester Agnesita: Ich möchte, dass die Klöster so in der Gesellschaft verortet sind, dass die Ordensleute unter den jetzigen Rahmenbedingungen ihre Lebensform leben können. Ziel muss sein, gute Lebensräume für die Männer und Frauen zu erhalten und zu schaffen, die sich zu dieser Lebensform berufen fühlen. Durch die Deutsche Ordensobernkonferenz sind entsprechende Strukturen gelegt, durch die gemeinsame Interessenvertretung, aber auch spirituelle Unterstützung untereinander. Hierfür bietet die Deutsche Ordensobernkonferenz eine Plattform, die ich weiter ausbauen möchte.

KNA: Sie sind studierte Betriebswirtin - inwieweit wird Ihnen dieses Wissen als Sekretärin der Deutschen Ordensobernkonferenz helfen?

Schwester Agnesita: Es fällt mir schwerer zu sagen, was ich daraus nicht gebrauchen kann! Denn Betriebswirtschaft ist ein sehr umfassendes Studium - es geht längst nicht nur um Zahlen. Es geht darum, zu sondieren und zu beobachten, was der Markt, die Gesellschaft und die Kunden erwarten und was ich bieten kann. Es geht darum, einen Plan zu entwickeln, ihn umzusetzen und zu kontrollieren. Auch Konfliktbearbeitung, Mitarbeiterführung sowie finanzielle und steuerliche Fragen gehören zum Fach. Durch mein Studium bin ich auf mein neues Amt also sehr gut vorbereitet.

KNA: Worin sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Orden?

Schwester Agnesita: Wir müssen zunächst eine ganz nüchterne Standortbestimmung vornehmen. Die einzelnen Gemeinschaften sollten sich überlegen: Wo kommen wir her, wo stehen wir momentan, und wo möchten wir hin? Welche Gemeinschaften sind noch lebensfähig? Was brauchen wir, damit es in Zukunft weitergehen kann? Diese Bestandsaufnahme darf nicht resigniert erfolgen. Sie sollte vielmehr getragen sein von der Anfangsbegeisterung über die Beziehung zu Gott, dem ich vertraut habe, als ich mich zu dieser Lebensform entschieden habe.

KNA: Und was sind die Chancen?

Schwester Agnesita: Im Rahmen unserer Versammlung hat der Apostolische Nuntius mit uns eine Messe gefeiert. In seiner Predigt zitierte er Papst Franziskus: "Ordensleben bildet die Reserve der Zukunft". In diesem Satz kann ich mich sehr gut wiederfinden. Wenn ich in positiver Weise mein Ordensleben gestalte, dann ist Zukunft möglich - für mich selbst, aber auch für andere. Dann werden Klöster weiterhin wichtige Kraftorte bleiben.

Das Interview führte Angelika Prauß


Nonnen beim WJT in Rio (dpa)
Nonnen beim WJT in Rio / ( dpa )
Quelle:
KNA