Teilnehmerzahlen an religiösen Ereignissen sind in der katholischen Kirche ein wichtiger Gradmesser für Stimmungen, die Lage der Seelsorge und des Glaubens sowie für religions-soziologische Analysen.
Das gilt im Kleinen, wenn an den sogenannten Zähl-Sonntagen die Zahl der Gottesdienstbesuchern in Gemeinden ermittelt wird - die dann in die alljährlichen bundesweiten Statistiken einfließen.
Aber es gilt auch im Großen, bei kirchlichen "Mega-Events" wie Wallfahrten nach Fatima oder Lourdes, bei Heiligen Jahren und bei Weltjugendtagen. Vor allem letztere haben sich seit den Zeiten von Johannes Paul II. zu einem Indikator für die Popularität eines Papstes sowie für den Zustand der katholischen Kirche im Allgemeinen und der Jugendseelsorge im Besonderen entwickelt.
Zwar sind diese Momentaufnahmen von zahlreichen unberechenbaren Faktoren beeinflusst, und das Bild, das die Zahlen suggerieren, ist für sich genommen noch kein objektiver Trend. In diesem Zusammenhang wird oft an den Weltjugendtag in Köln im Jahr 2005 erinnert, bei dem der frisch gewählte Papst Benedikt XVI. im Zauber des Anfangs seines Pontifikats von Hunderttausenden jungen Katholiken in Deutschland bejubelt wurde.
Wer damals aus diesen Zahlen und der Massen-Euphorie eine Diagnose über den Zustand der Kirche in Deutschland und eine Prognose für den Fortgang des Pontifikats gewagt hätte, wäre schon wenige Jahre später eines Besseren belehrt worden.
Das Jugendtreffen als Messlatte
Trotz dieser Einschränkungen verfolgten die journalistischen Vatikanbeobachter aus vielen Ländern das erste Weltjugendtreffen mit Papst Leo XIV. beim Heiligen Jahr 2025 mit besonderer Aufmerksamkeit.
Immer wieder wurde in Artikeln und Kommentaren gefragt, ob und wie es dem neuen Papst gelingen würde, an das Charisma und den beinahe grenzenlosen Jubel anzuknüpfen, den sein Vorgänger Franziskus noch bis ins hohe Alter freisetzen konnte.
Bei der Gesamtmobilisierung zeigten sich die "Organisationsmaschinen" der Bistümer und Pfarreien in vielen Ländern in erstaunlich guter Form. Aus Italien kamen auf diese Weise 70.000, aus Frankreich 25.000, aus Spanien 23.000 und aus Polen 20.000 junge Menschen nach Rom. Auch die "Bewegungen" wie Neokatechumenale, Focolari oder Comunione e Liberazione sowie zahlreiche Ordensgemeinschaften mobilisierten ihre Mitglieder und Sympathisanten erfolgreich.
Am Ende nahmen nicht bloß 500.000, wie zunächst geschätzt worden war, sondern - je nach Zählung - zwischen 800.000 und 1,1 Millionen junge Menschen an den beiden großen Schlussveranstaltungen mit dem Papst in Tor Vergata teil.
Zahlen des Jahres 2000 bleiben unerreicht
Ein Rekord war das nicht. Denn im Jahr 2000 hatten an selber Stelle, auf einer damals noch weitgehend unbebauten offenen Fläche, fast 2 Millionen Menschen mit dem gesundheitlich angeschlagenen Papst Johannes Paul II. erst Gebetsvigil und dann am Morgen danach Eucharistie gefeiert. Aber das war im Kontext des Jahres 2000 an der Jahrtausendwende. Die sogenannten geistlichen Bewegungen standen noch in voller Blüte, und Johannes Paul II. hatte nach über 20 Jahren im Amt fast den Status eines lebenden Monuments der Zeitgeschichte erreicht.
Zudem lag das Jahr noch vor den großen Wellen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche. Ihre Glaubwürdigkeit war hoch, und in "katholischen Ländern" wie Irland, Polen, Italien oder Spanien gab es noch Scharen von jungen, begeisterungsfähigen Priestern und Jugendgruppenleitern mit entsprechender Zugwirkung auf ihre Gemeinden.
Überraschender Mobilisierungsgrad
Dass die Mobilisierung ein Vierteljahrhundert später dennoch so kraftvoll war, überraschte offenbar selbst die Veranstalter. Der für die Organisation des Heiligen Jahres zuständige Erzbischof Rino Fisichella sprach noch bis kurz vor Beginn des globalen Happenings von einer halben Million Teilnehmer. Erst spät schwenkte man auf die Verdopplung der Zahl um - vermutlich auch, weil neben den organisierten Gruppen diesmal besonders viele spontane Kleingruppen und auch Einzelpersonen auf eigene Kappe angereist waren.
Eine Sonderstellung nahmen in diesem Jahr die deutschen Teilnehmer ein. Deutschland zählt mit knapp 24 Millionen Katholiken zu den "Big Five" in Europa und kommt im Ranking gleich nach Spanien mit rund 30 Millionen Katholiken. Dennoch waren laut Auskunft des BDKJ zum Treffen in Rom ganze 1.800 Teilnehmer aus Deutschland über kirchliche Strukturen angemeldet. Aus Spanien waren es fast 13 mal so viele.
Die Zahl der Deutschen markiert in der Geschichte der weltweiten katholischen Jugendtreffen einen Tiefpunkt. Zwei Jahre zuvor in Lissabon waren es noch 8.300 gewesen - trotz der größeren Entfernung.
Damals sagte Weihbischof Johannes Wübbe, Vorsitzender der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz: "Es sind die vielen jungen Menschen, die hier nach Lissabon gekommen sind und mir persönlich Mut machen. Trotz Krise sind sie hier. Trotz Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche haben sie sich auf den Weg gemacht. Trotz so vieler Skandale sagen sie, wir machen mit." Und weiter: "Weltjugendtage sind aktueller denn je, um die Botschaft Gottes in unsere Welt hineinzubuchstabieren."
Deutlich veränderte Tonlage
Wübbes Stellungnahme zum gerade abgelaufenen Treffen in Rom liest sich hingegen so: "Die Tage in Rom sind wirklich Tage der Begegnung für Jugendliche aus aller Welt. (...) Die friedvolle Atmosphäre ist gerade in dieser Zeit beeindruckend. Ich möchte sagen, es ist auch ein Fest des Friedens. Sie schöpfen aus diesen Tagen sicher viel Kraft und Motivation, als Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung nach Hause zu fahren."
Auf der Seite der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz fand sich noch am Tag der Abschlussveranstaltung folgender Text: "Im Rahmen des Heiligen Jahres findet das Jubiläum der Jugend vom 28. Juli bis zum 3. August 2025 in Rom statt. Auch wenn viele organisatorische Details wie Unterbringung, Pilgerpakete und zentrale Abläufe derzeit noch ausstehen, ist davon auszugehen, dass die italienischen Veranstalter alle notwendigen Informationen rechtzeitig bekannt geben werden. Weitere Informationen findest du auf der offiziellen Website."
Motivation klingt anders. Auch aus den Bistümern und Pfarreien wird berichtet, dass kaum aktiv geworben wurde. Die Konsequenzen sind offensichtlich. Abgesehen vom weit entfernten Weltjugendtag in Panama im Jahr 2019 (damals flogen immerhin 2.300 deutsche Teilnehmer bis nach Mittelamerika!) muss man lange suchen, um eine vergleichbar niedrige deutsche Teilnehmerzahl zu finden. So nahmen 1997 knapp 7.000 angemeldete Deutsche am Weltjugendtag von Paris teil. Im Jahr 2000 in Rom stieg die Zahl auf 8.000.
Damals reisten 14 deutsche Bischöfe und Weihbischöfe mit nach Rom, der noch relativ junge Jugendbischof Franz-Josef Bode warb in mitreißenden Predigten und in Presseterminen für eine aktive Teilnahme. Zwischen eher konservativen Jugendbewegungen wie "Jugend 2000" und dem eher "fortschrittlichen" BDKJ entspann sich eine Art sportlicher Wettbewerb zu Deutungshoheit und Präsenz bei dem Großereignis in Rom.
Aber auch in jüngerer Vergangenheit waren oft deutlich mehr deutsche Teilnehmer dabei - jedenfalls wenn die Treffen in Europa stattfanden und der Aufwand für die Anreise überschaubar war. So fuhren etwa 2015 sage und schreibe 16.000 deutsche Teilnehmer zum Weltjugendtag nach Krakau, um dort den noch "frischen" Papst Franziskus zu erleben.
Wenige - aber sichtbar
Trotz der historisch niedrigen Teilnehmerzahl waren die Deutschen beim "Jugend-Jubiläum" in Rom keineswegs unsichtbar. Es gab Gottesdienste in der deutschsprachigen Pilgerkirche "Santa Maria dell"Anima" im Zentrum Roms. Zudem wurde in Diskussionsrunden über Fragen der Kirchenreform diskutiert, über den Synodalen Weg und seine Forderungen. Und eine Gruppe hatte eine Regenbogenfahne dabei - das Symbol, das in der innerkirchlichen Debatte inzwischen für eine Seelsorge steht, die Angehörige sexueller Minderheiten willkommen heißt.
Im Meer der zahllosen National- und Regional-Fahnen aus rund 150 Ländern stach das Regenbogenmuster deutlich sichtbar heraus. Es löste, wie deutsche Teilnehmer berichteten, viel Zustimmung und lebhafte Diskussionen mit Teilnehmern aus anderen Ländern aus.