Seligsprechungsverfahren des Widerstandkämpfers Willi Graf

"In das Gedächtnis der Kirche eingebrannt"

Im Erzbistum München hat die Voruntersuchung für ein Seligsprechungsverfahren des Widerstandkämpfers Willi Graf begonnen. Prälat Helmut Moll, Herausgeber des Deutschen Martyrologiums des 20. Jahrhunderts, über Graf und das Verfahren.

Denkmal in Form von Flugblättern der Weißen Rose und des Briefes von Willi Graf in München (KNA)
Denkmal in Form von Flugblättern der Weißen Rose und des Briefes von Willi Graf in München / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die wenigsten Widerstandskämpfer werden seliggesprochen. Was zeichnet Willi Graf dafür aus?

Prälat Helmut Moll / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Prälat Helmut Moll / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

Prälat Helmut Moll (Herausgeber des Deutschen Martyrologiums des 20. Jahrhunderts im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und ehemaliger Beauftragter des Erzbistums Köln für Selig- und Heiligsprechungen): Nach dem Grauen des Zweiten Weltkrieges hat die Kirche irgendwann gesagt: Wir wollen diese Widerstandskämpfer selig sprechen, heilig sprechen, wie es kürzlich auch bei Titus Brandsma wurde. Aber das hat eine gewisse Zeit gedauert. Zeitzeugen können jedoch noch befragt werden. Und jetzt ist es soweit, dass auch Willi Graf mit einem Seligsprechungsverfahren ausgezeichnet ist.

DOMRADIO.DE: Aber war er denn besonders gläubig, besonders katholisch?

Moll: Ja, die Familie war katholisch. Er selber hat Augustinus gelesen, Romano Guardini gelesen. Er war ein geistig sehr wacher Mensch und hat versucht, aus dem Glauben heraus Widerstand gegen das NS-Regime zu führen und hat das am Ende mit seinem blutigen Tode bezahlen müssen.

DOMRADIO.DE: Er war ja acht Monate lang in Haft. Er sollte Weggefährten verraten. Das hat er nicht gemacht. Hat er denn gesagt, dass ihm der Glaube dabei geholfen habe bei diesem Widerstand?

Moll: Wir wissen, dass der Gefängnisgeistliche mit ihm oft gebetet hat. Und wir wissen auch, dass er in dieser Zeit sich geprüft hat, ob er wirklich sinnvollerweise in den Widerstand gehen sollte. Er hat einen Abschiedsbrief an seine Eltern und an seine Geschwister geschickt, in dem er geschrieben hat: "Wir sind nicht in den Tod hineingestolpert, sondern wir wussten, was wir taten. Ich hoffe, dass Gott mir ein gnädiger Richter ist."

Willi Graf

Im Dezember 1942 entschließt sich der Medizinstudent Willi Graf zum aktiven Widerstand gegen die Hitler-Diktatur. Kurz zuvor ist er aus der Sowjetunion zurückgekehrt, wo er wie seine Freunde Hans Scholl und Alexander Schmorell seine "Front-Famulatur" absolvierte.

Graf weiß, dass die beiden im Sommer vier regimekritische Flugblätter verbreitet haben. Nun will er sie dabei unterstützen. Seit seiner Jugend ist er Gegner des Nationalsozialismus. Seine christliche Überzeugung lässt sich nicht mit der NS-Ideologie vereinbaren.

 © Gedenkstätte Deutscher Widerstand
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand

DOMRADIO.DE: Sie haben sich lange mit Willi Graf beschäftigt. Was hat Sie selber besonders fasziniert an Willi Graf?

Moll: Dass ein junger Mensch aus dem christlichen Glauben heraus Widerstand gegen die Ideologie des Nationalsozialismus gefunden hat. Das ist etwas Großartiges und soll deshalb auch mit einem Seligsprechungsverfahren gekrönt werden.

DOMRADIO.DE: Warum ist das in Ihren Augen wichtig? Die Taten sprechen ja eigentlich schon für sich.

Die referenzierte Medienquelle fehlt und muss neu eingebettet werden.

Moll: Die Seligsprechung bedeutet, dass einer in das Gedächtnis der Kirche eingebunden wird. Wenn er nur eine Straße bekommt, eine Schule oder ein Gebäude, dann vergeht sein Name nach einer Generation. Wenn er aber seliggesprochen wird, dann wird er in das Gedächtnis der Kirche eingebrannt und ist für immer ein großes Vorbild der katholischen Kirche.

DOMRADIO.DE: Inwiefern kann er vielleicht auch jungen Menschen heute Vorbild sein?

Moll: Weil er freimütig war gegenüber der Politik der damaligen Zeit. Weil er ein gläubiger Mensch gewesen ist. Weil er das Gebet geführt hat. Weil er auf diese Weise ein Vorbild für junge Menschen ist, damit sie eine Orientierung für ihr Leben finden.

DOMRADIO.DE: Dieses Seligsprechungsverfahren wird ja jetzt erst vorbereitet. Was muss denn jetzt passieren, damit das durchgeht?

Moll: Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Marx, hat Anfang Mai drei historische Konsultoren und drei theologische Konsultoren vereidigt. Das will sagen: Weil er nur 25 Jahre gelebt hat, dürfte das Verfahren auch binnen weniger Jahre abgeschlossen werden. Weil er eine gradliniges Leben geführt hat und weil er nur ein kurzes Leben geführt hat.

DOMRADIO.DE: Aber immerhin dauert das Jahre. Warum?

Moll: Etwa bei Nikolaus Groß hat das Ganze nur zehn Jahre gedauert. Man muss natürlich alle Archive prüfen. Man muss sehen, welche Unterlagen es gibt. Er hat Briefe hinterlassen, er hat Zeitzeugen hinterlassen. Und das alles müssen die historischen Konsultoren prüfen. Und das braucht halt eine gewisse Art von Zeit.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Seligsprechung

Bei einer Seligsprechung stellt die katholische Kirche durch Urteil des Papstes fest, dass ein gestorbener Mensch vorbildlich aus dem Glauben gelebt hat und Christus in besonderer Weise nachgefolgt ist. Daraus ergibt sich die offizielle Empfehlung, diese Person als Vorbild und Fürsprecher bei Gott anzunehmen. Selige werden im Gegensatz zu Heiligen nur regional verehrt. Der Seligsprechung kann aber eine Heiligsprechung und damit die weltweite Verehrung der betreffenden Person folgen.

Unterlagen zum Seligsprechungsverfahren / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Unterlagen zum Seligsprechungsverfahren / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR