Ein Blick auf die Geschichte der Nachnamen

Schräge Vögel

Namen stiften Identität. Wer sich mit ihrer Bedeutung beschäftigt, erfährt vieles über Kultur, Geschichte und Mentalität der Menschen im Mittelalter. Zur Frühlingszeit ein kleiner Streifzug durch deutsche Telefonbücher.

Autor/in:
Christoph Arens
Amsel / © Christopher Beschnitt (KNA)
Amsel / © Christopher Beschnitt ( KNA )

"Amsel, Drossel, Fink und Star ...": Das Kinderlied, dessen Text der Dichter der deutschen Nationalhymne, Hoffmann von Fallersleben, 1835 verfasste, hat wohl jeder im Ohr. Und auch wenn der Frühling in diesem Jahr alles andere als stark einmarschiert: Das Pfeifen, Zwitschern, Tirilier'n der Vogelschar ist kaum zu überhören.

Mitte Mai lädt der Naturschutzbund NABU regelmäßig zur Vogelzählung in Deutschlands Gärten ein. Jedes Jahr am zweiten Maiwochenende sind Naturliebhaber aufgerufen, Vögel zu notieren und zu melden. Mindestens 112.000 Menschen haben diesmal bislang an der "Stunde der Gartenvögel" vom 13. bis 16. Mai teilgenommen.

2,5 Millionen Vögel

Aus über 77.000 Gärten und Parks wurden über 2,5 Millionen Vögel gemeldet. Die Zahlen werden noch steigen, denn Beobachtungen kann man noch bis zum 24. Mai melden. Eine ganz andere Art der Vogelzählung betreiben Mainzer Germanisten:

Sie erforschen mit Hilfe der Telefonbücher aus dem Jahr 2005 seit mehreren Jahren die mehr als 800.000 verschiedenen Familiennamen in Deutschland und untersuchen die Häufigkeit ihres Vorkommens und ihre Bedeutung. In einem "Frühlingsspecial" haben sie sich jetzt besonders mit «gefiederten» Familiennamen beschäftigt - von Familie Vogel bis zu Familie Fink.

Familiennamen erst seit dem 13. Jahrhundert

Familiennamen erzählen Geschichten: Sie entstanden erst um das 13. Jahrhundert. Mit dem Anwachsen der Städte reichten die Vornamen nicht mehr aus. Für Rechtsgeschäfte wie das Erstellen einer Urkunde musste genau zwischen Hans und Hans oder Robert und Robert unterschieden werden.

Vor allem fünf Familiennamenklassen kennen die Namensforscher: Am prominentesten sind die Berufsnamen. Die Müllers sind seit langem der häufigste deutsche Familienname. Auch Herkunftsnamen sind häufig: Wer Antwerpes heißt, hatte Vorfahren in Antwerpen.

"Sohn des Jens"

Auf charakterliche oder körperliche Merkmale verweisen Familiennamen wie Sonnenschein, Kühn, Klein oder Lange. Viele Namen wurden auch aus den Vornamen der Väter gebildet nach dem Muster: Bernd Jensen - Bernd, Sohn des Jens.

Bei Familiennamen aus dem Bereich der Vögel standen entweder eine Berufsbezeichnung oder eine sehr persönliche Eigenschaft Pate: Der Familienname "Vogel" kommt in ganz Deutschland vor, gehäuft aber im thüringisch-sächsisch-fränkischen Grenzgebiet und im nördlichen Baden.

Rang 51 der häufigsten Nachnamen

Mit mehr als 26.000 Telefonbuch-Einträgen belegt der Nachname immerhin Rang 51 unter den am häufigsten vorkommenden Familiennamen. Weit seltener finden sich Familie Amsel, Fink, Nachtigall oder Star: Der Familienname Amsel ist in Deutschland lediglich bei 155 Telefonanschlüssen (ca. 434 Personen) vertreten.

Der Nachname Drossel kommt auf 285 Telefonanschlüsse (ca. 798 Menschen), Familie Star kommt auf 15 Telefonanschlüsse. Familie Fink/Finke oder Vinke bringt es immerhin auf 9.884 Telefonanschlüsse (27.675 Personen). Die Herkunft dieser Familiennamen ist nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler leicht erklärt.

"Sangesfreudige Menschen"

Die mittelalterlichen Namensgeber der Vogels, Finkes oder Drossels müssen "übermütige, fröhliche und sangesfreudigen Menschen" gewesen sein, so die Mainzer Namensforscher. Möglicherweise schwingt auch ein kritischer Unterton mit: Im übertragenen Sinn ist der Vogel das Symbol für Freiheit, aber gerade im Mittelalter auch für Rechtlosigkeit:

Mancher Straftäter wurde für "vogelfrei" erklärt. Und noch heute ist ein "schräger" Vogel ein Mensch, der sich nicht in Zwänge einbinden lässt. Zumindest beim Nachnamen Vogel ist aber auch noch eine zweite Bedeutung möglich. Er könnte vom mittelhochdeutschen Nomen vogeler, voglerlin abgeleitet sein: auf neuhochdeutsch Vogelfänger, Vogelsteller, Geflügelhändler.

Familie Drossel

Auch für den Familiennamen Drossel gibt es noch eine alternative Herkunftsmöglichkeit: Er kann auch aus dem mittelhochdeutschen Wort für "Kehle, Rüssel, Schnauze" hervorgegangen sein. "Dann hatte der Träger des Namens wohl eher eine sehr markante Gesichts- beziehungsweise Nasenform, die an einen Rüssel erinnerte", schreiben die Namens-Experten.

Und hinter dem Nachnamen Star kann sich - alternativ zum sangesfreudigen Vorfahren - ein slawisches Wort für 'alt' verbergen, so dass der Namensgeber möglicherweise ein etwas ältlich wirkender Mensch war.


Quelle:
KNA