Die neue Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung

"Die Welt zu verbessern, ist unsere Mission"

"Es wird sicher nicht langweilig", sagt die neue Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, Sarah Prenger. Hier spricht sie über die Herausforderungen und warum sich der Verband auch künftig politisch einmischen will.

Autor/in:
Johannes Schröer
Sarah Prenger / KAB Bundesvorsitzende / © privat (KAB)
Sarah Prenger / KAB Bundesvorsitzende / © privat ( KAB )

DOMRADIO.DE: Es sind keine einfachen Zeiten, in denen Sie jetzt Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) geworden sind. Wie blicken Sie aus der Perspektive der KAB-Bundesvorsitzenden in die Zukunft?.

Sarah Prenger (Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)): Die Zeiten sind nicht einfach, das ist so. Aber ich weiß auch nicht, ob es jemals wirklich einfache Zeiten für Christen und Christinnen gab. Ich höre immer von meiner Elterngeneration oder der Großelterngeneration, dass nach dem Zweiten Weltkrieg alles besser war und jetzt alles viel schlechter wird. 

Dann denke ich: Na ja, es gab damals eine massive koloniale Ausbeutung, die irgendwie nicht so präsent war. Dieser Reichtum damals, den wir in Europa hatten, war nur möglich, weil andere Menschen unter Ausbeutung gelitten haben. Jetzt sind die Zeiten nicht einfach, wenn wir an die Krise der Demokratie denken oder an den Bedeutungsverlust der Institutionen, der auch die katholischen Institutionen betrifft. Zugleich will ich aber nicht sagen, dass es jetzt viel schwerer ist als vielleicht vor 20 Jahren.

Sarah Prenger

"Wenn wir uns auf das Feiern von Gottesdiensten beschränken und uns nicht mit dem Leben beschäftigen (...), dann wären wir doch Menschen, die ohne Körper durch das Leben gehen."

DOMRADIO.DE: Die KAB mischt sich auch politisch ein. Zum Mindestlohn oder Lieferkettengesetz haben sie eine klare kritische Haltung. Was antworten Sie denen, die sagen, die katholische Kirche sei doch keine Partei, die katholische Kirche solle Gottesdienste feiern, aber sich nicht politisch einmischen.

Prenger: Das ist ein sehr merkwürdiges Verständnis von Christentum. Ich komme aus der Christlichen Arbeiterjugend CAJ, das ist der unabhängige Jugendverband der KAB. Eine der Hauptfiguren der Gründung der CAJ war der Kardinal Joseph Cardijn, der gesagt hat, es gebe keine Menschen, die ohne Seele durchs Leben gehen, und es gibt auch keine Seelen, die ohne Körper durchs Leben gehen. 

Wenn wir uns auf das Feiern von Gottesdiensten beschränken und uns nicht mit dem Leben beschäftigen und den Situationen, die das Leben auch beeinflussen, dann wären wir doch Menschen, die ohne Körper durch das Leben gehen. Das heißt, natürlich müssen wir in allen Dimensionen gucken, dass wir das Leben der Menschen verbessern. Das ist zutiefst christlich. Und wenn es um Evangelisierung geht, dann erinnere ich sehr gerne an die Bibel, in der steht, dass Evangelisierung bzw. Mission eigentlich eine Verbesserung der Welt ist und nichts anderes.

Sarah Prenger

"Dann müssen wir uns natürlich mit den Erwerbsarbeitsbedingungen der Menschen beschäftigen, die durch die sogenannte KI beeinflusst werden."

DOMRADIO.DE: Die künstliche Intelligenz wird sicher auch den Arbeitsmarkt verändern, also etwas, das die KAB als Lobby der Arbeitnehmer sicher beschäftigt. Wie blicken Sie auf die Entwicklungen, die mit der KI zu tun haben? 

Prenger: Erstmal ist es natürlich eine Entwicklung, die wie alle anderen Entwicklungen analysiert werden muss und womit wir uns auf allen Ebenen des Verbandes beschäftigen müssen. Zunächst sollten wir vorsichtig sein, wenn wir den Begriff künstliche Intelligenz verwenden. Wir sollten eher von sogenannter künstlicher Intelligenz sprechen, denn das sind ja nicht intelligente Menschen, die da agieren, sondern Maschinen. 

Und dann müssen wir uns natürlich mit den Erwerbsarbeitsbedingungen der Menschen beschäftigen, die durch die sogenannte KI beeinflusst werden. Da dürfen wir die vielen Menschen nicht vergessen, die dafür arbeiten, dass die sogenannte KI nutzbar gemacht wird.

DOMRADIO.DE: Sie waren jetzt in Berlin und haben dort mit Vertretern der politischen Parteien im Bundestag gesprochen. Welchen Stellenwert hat die KAB bei den Politikern?

Prenger: Das ist natürlich keine repräsentative Umfrage, die ich gemacht habe. Aber in den Gesprächen, die ich geführt habe, habe ich erlebt, dass die KAB sehr bekannt ist – und zwar nicht als kleiner, belangloser Verband, sondern dass unsere Positionen bekannt waren und unsere inhaltliche Expertise geschätzt ist. 

DOMRADIO.DE: Es gibt den alten Spruch: “Das bestgehütete Geheimnis der Kirche ist ihre Soziallehre”. Wie kann es denn gelingen, die Soziallehre wieder als eine Errungenschaft der katholischen Kirche bekannt zu machen, die auch auf die Demokratie, auf die soziale Marktwirtschaft Auswirkungen hatte und haben kann. 

Prenger: Durch eine theoretische Auseinandersetzung wird das sicher nicht funktionieren, indem wir die Menschen in der Schule oder an der Uni oder in irgendwelchen Abendkursen unterrichten. Viel eher können wir die Katholische Soziallehre durch eine reale Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben vermitteln – durch die Erfahrung, wie mich die Katholische Soziallehre persönlich betrifft. 

Es gibt diesen Dreischritt: das Sehen, das Urteilen und das Handeln. Wenn die Menschen sehen und begreifen, dass etwas ungerecht ist, und dann im Urteilen erfahren, dass mein persönliches Empfinden viel damit zu tun hat, wie sozialethisch argumentiert wird, dann können die Menschen auch viel mehr mit der katholischen Soziallehre anfangen.   

DOMRADIO.DE: Kirchen, Parteien, Vereine und Verbände beklagen einen Mitgliederschwund. Wie sehen sie da in die Zukunft der KAB?

Prenger: Natürlich gibt es bei uns auch die Herausforderung von Mitgliederschwund und Überalterung etc., die, glaube ich, sehr viele Verbände haben. Es ist aber auch nicht so, dass wir unserem Tod entgegenlaufen, sondern ich erlebe gerade in relativ vielen Diözesanverbänden und in vielen Begegnungen, dass überall von tollen Initiativen erzählt wird, wo es gelungen ist, neue Menschen zu akquirieren und auch länger zu behalten, und die sind dann auch länger aktiv. 

Genauso erlebe ich auch, wenn ich bei Diözesanverbänden bin, dass ich da durchaus ein sehr diverses Bild bekomme, sowohl was das Alter der Menschen angeht als auch deren nationalen Hintergrund. Insofern kann ich dieses Bild, im KAB seien ausschließlich Seniorinnen und Senioren aktiv, aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. 

Sarah Prenger

"Ich bin mir sehr sicher, dass es nicht langweilig wird."

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie vier Jahre als KAB-Bundesvorsitzende vor sich. Wie sehen Sie der Zeit entgegen?

Prenger: Ich bin mir sehr sicher, dass es nicht langweilig wird. Und erstmal sehe ich dem hoffnungsvoll entgegen, weil wir mit Sicherheit viel gemeinsam erleben werden und hoffentlich den Verband voranbringen.

DOMRADIO.DE: Manche sagen, "die KAB, mein Gott, das ist - ich spitze das jetzt zu: ein Verein von linken Spinnerinnen und Spinnern". Wo sehen Sie denn Ihren Platz innerhalb der Kirche?

Prenger: Wenn das so ist, dann gehöre ich auch zu diesen linken Spinnerinnen. Meine gesamte Biografie, von meiner Tätigkeit im unabhängigen Jugendverband und in der internationalen CAJ in Brüssel, war immer geprägt von der katholischen Soziallehre. 

Und wenn wir Erwerbsarbeitsrechte von Menschen in aller Welt verteidigen, dann sind die Positionen, die wir haben, natürlich sehr nah an denen vieler Gewerkschaften. Wir sehen darin auch gar kein Problem. Das ist kein Widerspruch zum Christentum. Und wenn ich mit dieser Haltung auch eine Minderheitenposition innerhalb dieser sehr pluralen Gemeinschaft der Gläubigen vertrete, dann ist das so.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Katholische Arbeitnehmer-Bewegung

Die Katholische Arbeitnehmer Bewegung ist ein Sozialverband in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in dem etwa 75.000 Männer und Frauen organisiert sind. Die KAB Deutschlands will die Gestaltung einer gerechten und solidarischen Gesellschaft, in der allen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme ermöglicht wird, so beschreiben sie ihre Aufgabe selbst.

Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB (KAB)
Screenshot: KAB vor Continental-Werk in Aachen / © KAB ( KAB )
Quelle:
DR

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