DOMRADIO.DE: Sant'Egidio bietet unter anderem kostenlose Deutschkurse für Geflüchtete und Migranten an. Wie erleben Sie die Menschen, die zu Ihnen kommen?
Pfarrer Dr. Matthias Leineweber (Sant’Egidio Deutschland): Es gibt eine große Vielfalt von Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen. Sie suchen Unterstützung, sie wollen Kontakt haben und natürlich ist die Sprache der wichtigste Schlüssel für die Integration, um auch die Gesellschaft zu verstehen. Wir erleben da eine große Offenheit, ein großes Interesse, auch eine große Bereitschaft, sich hier auf die deutsche Kultur einzulassen.
Das sind sehr bereichernde Erfahrungen, das Interesse am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, nicht nur an der Sprache. Von daher gibt es sehr vielfältige Kontakte, die dabei entstehen.
DOMRADIO.DE: Es kommen rund 200 Menschen zu diesen Kursen, vor allem aus der Ukraine, aus Afghanistan und aus Syrien. An Weihnachten gehen Sie und viele von Ihren Migranten und Migrantinnen mit anderen Ehrenamtlichen ins Altenheim, ins Gefängnis, zu Obdachlosen. Diejenigen, denen geholfen wird, werden selbst zu Helfern. Warum ist das eine wichtige Erfahrung?
Leineweber: Unsere Deutschkurse sind kostenlos und das wird auch sehr geschätzt. Es wird wahrgenommen, dass sich Menschen ehrenamtlich in ihrer Freizeit für sie engagieren, um ihnen in dieser schwierigen Situation zu helfen.
Wir erzählen Ihnen auch, dass San'Egidio eine christliche Laiengemeinschaft ist, die sich vielfältig für bedürftige, arme Randgruppen engagiert sowie spirituelle und soziale Angebote macht. Daraus entsteht häufig ein großes Interesse.
Viele fragen nach, was macht ihr da? Wie geht es den alten Menschen? Und sie fragen, ob sie mal mitkommen können. Kann man zu den Obdachlosen mitgehen oder an Weihnachten bei den Festen mithelfen, sogar im Gefängnis?
Wir laden sie natürlich ein, weil wir glauben, dass das Engagement in einer Gesellschaft ein ganz wesentlicher Schlüssel für die Integration ist, auch für die Identifikation mit meinem neuen Heimatland.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, Engagement und Sprache sind wichtig. Was wären weitere Faktoren, die für eine gelingende Integration entscheidend sind?
Leineweber: Ich glaube, persönliche Beziehungen sind sehr wichtig. Viele Menschen leben auch ein bisschen zurückgezogen. Das Klima hat sich in den letzten Monaten doch etwas verhärtet. Viele haben jetzt auch ein wenig Angst.
Es wird alles sehr stark problematisiert. Da ist es einfach wichtig, mal aufeinander zuzugehen, in der Nachbarschaft zu schauen, zu grüßen oder einfach mal zu schauen, ob man helfen kann, und Beziehungen aufzubauen.
Oft gibt es eine sehr große Offenheit, gerade wenn Familien mit Kindern da sind. Kinder sind oft eine schöne Brücke, um ins Gespräch zu kommen. Ich denke, dass wir positive Beispiele zeigen müssen. Wie schön es ist, wenn Menschen zusammenleben, ist auch eine Realität.
Es ist auch eine große Bereicherung, wenn sich Kulturen begegnen und sich jeder mit seinem Hintergrund ein bisschen einbringt. Das ist für die deutsche Kultur wieder eine Bereicherung. Das haben wir in unserer Geschichte sehr oft erlebt.
Das Interview führte Elena Hong.